Erwin Jurtschitsch, Gastautor / 02.11.2018 / 06:25 / Foto: Pixabay / 68 / Seite ausdrucken

Darf man Grüne und AfD vergleichen? Wir tun es.

Von Erwin Jurtschitsch und Ulli Kulke.

„Wir werden mit allen sprechen, außer der AfD.“ Diese Standardfloskel von Parteipolitikern, die wir seit einigen Jahren nach Wahlen hören, erinnert stark an die frühen 1980er Jahre, als schon mal eine neue Partei in den Parlamenten indiskutabel war. Es lohnt der Rückblick darauf, was sich seither getan hat.   

Man darf sich erinnern. Zur Gründung der Grünen trafen sich: Alt- und Neukommunisten. Rechte bis rechtsradikale Ökologen. Sogenannte Lebensschützer und Pädophile. Ehemalige Linksradikale, die auch schon mal als „Putztruppe“ einen Polizisten schwer verletzt hatten. Tiefbraune Umweltschützer und Landfrauen rechts von der CSU. Und ein Skandal jagte den nächsten. Die Partei galt als Angriff auf die Demokratie, manch braver Sozialdemokrat rief das Ende der Republik herbei. Nicht nur Christdemokraten bezeichneten diejenigen Grünen, die weiterhin in kommunistischen Gruppen mitarbeiteten, als Verfassungsfeinde. Mindestens in Nordrhein-Westfalen wurden grüne Politiker vom Verfassungsschutz beobachtet.

Immer wieder beriefen sich andererseits Teile der grünen Partei auf ihr „Widerstandsrecht“, mal wegen der Atomkraftwerke, mal wegen der Nachrüstung mit den Pershings, auch noch – weit später dann – wegen der Beteiligung der NATO am Jugoslawien-Einsatz. Alle möglichen solcher Themen lieferten Linken und „Fundis“ das Recht auf harte Demos und Gewalt gegen die Staatsgewalt. Das Bekenntnis zum Gewaltmonopol des Staates war in der ersten Bundestagsfraktion bei rund der Hälfte der Mitglieder ein klares Sakrileg, in einschlägigen Fraktionszirkeln war man anschließend „draußen“. So mancher Grüne verlor im Bundestag die Contenance, der Parlamentspräsident musste sich als „Arschloch“ titulieren lassen. Koalitionen? Ausgeschlossen. Beim Umgang mit den Grünen setzten gestandene Strategen wie der hessische Ministerpräsident Holger Börner (SPD) eher schon auf „Dachlatten“.

Es dauerte mehr als 10 Jahre, bis die Partei ihre extremen Ränder hinter sich ließ, zu denen auch ein ehemaliger General gehörte, der sich seine politische Arbeit als Star-Grüner von der Stasi hatte finanzieren lassen – und der die Galionsfigur der Grünen ermordete. Der von Joschka Fischer, Dany Cohn-Bendit, Antje Vollmer und Thea Bock angestoßene Realokurs war noch hinein bis in die Zeiten eines Bundesministers Jürgen Trittin nicht in der Mehrheit auf grünen Parteitagen. Noch immer tummelten sich da noch Mitglieder und Funktionäre auf Demos, bei denen es durchaus mal zur Sache gegen Sachen ging – und auch gegen Menschen.

Die Grünen lächeln sich von Erfolg zu Erfolg

Jetzt sind die Grünen – glaubt man dem Hype – in der Mitte der Gesellschaft angekommen, lächeln sich von Erfolg zu Erfolg und könnten mit jeder Partei (außer der AfD) koalieren. Wer Robert Habeck und Annalena Baerbock sieht und hört, kann sich nicht im Ansatz vorstellen, wie die Partei unter Jutta Dittfurth, Thomas Ebermann und Petra Kelly ausgesehen hat. Dazwischen liegen Welten, nicht nur in politischer, sondern auch in psychologischer Hinsicht. Die ersten Grünen empfanden sich allzu oft als Erlöser im messianischen Sinne. Sie verstanden sich als die Retter der Menschheit vor Krieg, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung. Nur der Zufall hat verhindert, dass die Partei zur Sekte wurde, ein paar kluge Köpfe haben viel dafür getan und manchmal dafür sogar Farbbeutel an die Ohren bekommen.

All das wird gerne vergessen, wenn heute im Öffentlichen Rundfunk und allen Medien die Partei zur Partei der Neuen Mitte hochgejazzt wird. Oft von denselben Medien, die sie noch vor Jahren zum Teufelszeug niedergeschrieben haben, und die heute offenbar den Durchmarsch der einstigen Sektierer-Partei befördern wollen, ihn feiern. Kein Wunder. Immerhin wählen heute 60 Prozent  aller Medienschaffenden eben genau die Partei, die sie so gerne umsorgen. Wie es Tina Hassel am Abend der Bayernwahl so eindrucksvoll zeigte, als die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios bei der Moderation ihrer Politikerrunde aber auch jede Distanz zu den Grünen vermissen ließ.

Und es wird vergessen ins Parteiprogramm zu schauen. Denn das wird seit Anbeginn besonders gerne und mit viel bürokratischer Akribie von den eher Linken verfasst, die Realos haben wenig bis keine Freude daran. Daher ist das Programm denn auch tief fundamentalistisch und hat wenig von dem vorgeblichen Pragmatismus eines Habeck.  Auch sonst blitzt in nicht vorher sortierten Äußerungen aus der Partei bisweilen mit, wo die Grünen eben doch noch zu verorten sind: Nicht in der Mitte der Gesellschaft, schon gar nicht im konservativen Bereich, wo sie jüngst Wilfried Kretschmann lokalisierte, sondern eben klar links der Mitte. 

Achtung dies ist kein Vergleich! Oder vielleicht doch?

Die AfD sitzt jetzt, nach der Hessenwahl in allen Landesparlamenten und im Bundestag (neben der SPD übrigens als einzige). Und die Partei besteht neben Rechten auch aus Rechtsextremisten und harten Nazis. Der bürgerlich rechte Flügel ist – soweit man das beurteilen kann – in der Minderheit, weshalb immer wieder Teile davon die Partei verlassen.

Gauland und die Seinen spielen auf der radikalen Klaviatur wie ehedem die Linksradikalen bei den Grünen. Nur um genau wie sie immer wieder mal zurückzuzucken und sich als geläuterte Rechte zu geben. Und plötzlich zu betonen, jeder, der Nazi-Schweinkram verbreitet, fliege aus der Partei. Woran wird sich also entscheiden, ob die Faschisten, die Hitlerverehrer sich durchsetzen oder die rechten Demokraten?

Die Antwort ist vermutlich ziemlich einfach und auch da folge man der Entwicklung der Grünen. Nicht zuletzt der Rechtsstaat und seine Organe, sprich die Polizei, haben vielen Linken in den Grünen, die von der Revolution oder der oft zitierten Gewalt gegen Sachen (oft nicht nur) träumten, die Grenzen dieser Träume aufgezeigt – und haben so letztlich auch daran mitgewirkt, die Grünen in eine koalitionsfähige Partei zu verwandeln.

So ist es nicht zu verstehen, wie sich Polizei und Staatsanwaltschaft derzeit verhalten. Warum gibt sich der Rechtsstaat bei der AfD und vor allem gegenüber ihrem radikalen Umfeld so zahm? Wir haben es doch gerade erst gesehen: Allein die Androhung des Verfassungsschutzes, eine Überprüfung in Erwägung zu ziehen, lässt Gauland und sogar Höcke öffentlich gegen die Nazis in der Partei zu Felde ziehen. Ob das nur Maulheldentum war oder echte Abgrenzung, wird sich herausstellen. Man darf skeptisch bleiben.

Doch so oder so: Ob rechtsradikale Konzerte, Hitlergrüße oder Pogromaufrufe, ob Verfolgung von Migranten oder Anschläge auf Asylheime – die Staatsmacht gibt sich zu zahm. Wo bleibt die Anwendung der Paragraphen 129 und 129a, wo bleiben die morgendlichen Besuche eines SEK Kommandos bei Neonazis, mit der MP auf den Bierbauch zielend?

Wie viele heutige CDU-Wähler würden die Partei wechseln?

Und wo bleibt die Kanzlerin? Damals hat der SPD-Regierungschef Helmut Schmidt allen linksradikalen Grünen immer wieder mit der ganzen Härte von Recht und Gesetz gedroht (und allzu oft wurde die Drohung auch mal über die Grenzen des Rechtsstaats hinweg durchgesetzt). Von Merkel dagegen nur laue Erklärungen und Aufrufe an die Zivilgesellschaft, sie möge das Problem lösen: Lichterketten, Sprechchöre und Transparente statt klarer Ansage der dafür bezahlten Zuständigen.

Aber was würde geschehen, wenn sich in der Partei – auch mit Hilfe der Justiz – der konservative bis rechte Flügel durchsetzt und die Nazis rausfliegen? Wie viele heutige CDU-Wähler würden die Partei wechseln? Natürlich wäre eine Partei, in der der eine Flügel von der Justiz verfolgt würde und deshalb öffentlichkeitswirksam im Verdacht stünde, mit dem Rechtsstaat und der Verfassung auf Kriegsfuß zu stehen, wenig attraktiv für den anderen, den gemäßigten Flügel, Mitglieder wie Wähler. Allein: Die Grünen haben gezeigt, dass eine Koexistenz möglich ist, durch den Optimismus, das Beharrungsvermögen der Vernunft, wenn berechtigte Hoffnung besteht.

Für die Feuilletons und Leitartikler wäre es jetzt – bei all ihrer geballten Sympathie für die Grünen – langsam an der Zeit, denjenigen in der AfD zumindest ihren Respekt zu zollen, die sich für solch eine Entwicklung einsetzen. Die Staatsmacht auf der anderen Seite könnte die Nazis derweil Demokratie lehren.

Natürlich dürfte solch eine Entwicklung die AfD unversehens zu einem weit größeren Problem für die CDU werden lassen, als sie es heute schon ist, ähnlich wie die Grünen die SPD einst bedrängten und dies heute noch massiver tun. Auch wenn es natürlich zu betonen gilt: Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die milde Hand des heutigen Rechtsstaates einem solchen parteipolitischen Kalkül folgen würde. Passt das Verhalten doch zu gut zu seiner derzeitigen allgemeinen Zurückhaltung.

Ein Block, der außen vorbleibt, ist ein Sprengsatz

Unterm Strich geht es um weit mehr als um AfD, CDU, SPD und Grüne, es geht auch um die Demokratie. Zwar waren die Grünen ein strategisches Problem für die SPD und sind es immer noch, wie die beiden letzten Landtagswahlen zeigten. Um wieviel größer wäre das Problem aber für die Sozialdemokraten, wenn die Grünen immer noch nicht reif wären für Koalitionen?

Jahrzehntelang haben die Grünen als Regierungspartner die Machtbasis der SPD gesichert, hier in den Bundesländern, da im Bund. Der Hesse Börner – der mit der „Dachlatte“ – war der Erste, der das geschluckt hat – nein, erkannt hat. Auch wenn ihm danach wahrscheinlich wochenlang übel war. Es half ja nichts. Inzwischen ist es eine Selbstverständlichkeit.

Für die Union sieht es dagegen derzeit danach aus, dass die zur AfD davonlaufenden Wähler verloren sind. Das ist nicht nur ein Problem für sie, sondern auch für die Republik. Ein bei Wahlen ständig wachsender Block, der außen vorbleibt, ist ein Sprengsatz. Es wird entscheidend sein, inwieweit sich das gesellschaftliche Spektrum künftig nicht nur in der Zusammensetzung des Parlaments, sondern auch in der Regierungsfähigkeit wiederfindet. Schwarz-Grün könnte hier und da funktionieren, das angesprochene grundsätzliche Problem löst es nicht.

Foto: Arnold Vaatz CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Andreas Mamminger / 02.11.2018

Ich finde die historischen Parallelen und den Versuch eines Vergleiches der AfD mit den Grünen durchaus naheliegend und sinnvoll. Wobei die Grünen sich ja heute sehr bürgerlich-konservativ geben, in den harten Auseinandersetzungen “gegen Rechts” oder z. B. im Hambacher Forst erschreckende Sympathien für die Schlägertruppen von der “Antifa” haben. Die AfD kann keine ernstzunehmende konservative Kraft werden, solange sie keine klare harte Kante gegen die Nazi-Sympathisanten in ihren Reihen zeigt. Da gibt es viel zu viele, die verharmlosen, verdeckt mit NS-Sprachgebrauch kokettieren etc. Auch Gauland hat mit seiner “Fliegenschiss”-Aussage gezeigt, dass ihm die Provokation näher ist als der Versuch, eine konservative Politik für Deutschland zu entwerfen. Erstaunlich finde ich, wieviele der Kommentatoren sich hier auf den Schlips getreten fühlen, sobald ein Beitrag etwas über “Merkel-muss-weg” hinausgeht…

Wolf Silius / 02.11.2018

Wenn das hier erzeugte Bild der AfD mit der Realität übereinstimmen sollte, kann die NSDAP so übel nicht gewesen sein ... Schade um den lesenswerten letzten Teil des Textes.

Andreas Prieß / 02.11.2018

Natürlich dürfen Sie Grüne und AfD vergleichen. Am besten mit den Reden eines Herrn Dr. Gottfried Curio (AfD) und den Reden eines Anton Hofreiter (Grüne) im deutschen Bundestag. Hätte nicht erwartet,dass in Achgut solch sinnlose Beiträge zu finden sind !

Andreas Möller / 02.11.2018

Ein peinlicher Artikel, der der Achse in keinster Weise würdig ist. Bzgl. der AFD (Falsch)Unterstellungen ohne Belege, so gesehen eher für den Spiegel oder die Zeit und deren geneigte Leserschaft geeignet. Völlig realitätsfern und daher deplatziert ist vor allem der letzte Satz des 3. Absatzes. Was hat das mit der AFD zu tun? Für solche unzutreffenden, sinnlos entgegen geschleuderten Phrasen, möchte ich meine Patenschaft hier eigentlich nur unter Protest verwendet wissen.

von Kullmann / 02.11.2018

Welche krude Wahrnehmung des Autors von der AfD und der Mehrheit seiner Mitglieder. Hier herrschen von Anfang an die Realosüber eine kleine gewaltfreie Minderheit. Der Vergleich mit den Grünen der Anfänge geht an der Wirklichkeit vorbei. Die AfD mit ihren Mitgliedern ist von vorneherein real demokratisch, dem Grundgesetz enger verbunden als mancher Regierungspolitiker (natürlich im Einzelfall).

Rolf Lindner / 02.11.2018

Der Artikel ist ja von anderen Kommentierenden schon reichlich zerpflückt worden, aber dennoch geeignet, die eigene Argumentation auch gegen subtile AfD-Schelte zu schärfen. Für Spiegel, Zeit und Stern ist diese Art der AfD-Schelte wahrscheinlich ausreichend substanzlos. Auch bei Cicero habe ich in letzter Zeit so etwas gelesen, weshalb ich das Abonnement gekündigt habe.

Dragan Isakovic / 02.11.2018

Ein zäh geschriebener Artikel voller Verallgemeinerungen, der eine Gefahr für die Demokratie von den radikalen Rändern herbei redet. Wenn ein VS-Präsident der Kanzlerin direkt ins Wort fährt, wo diese die Opposition mittels Lügen zu Diffamieren versucht und die regierungstreue Presse geschlossen wider besseres Wissen die Ablösung desselben befördert, wenn die Grenzen offen sind und unkontrolliert Fremde ins Land strömen, wenn die EU zerfällt, die EZB außer Kontrolle ist, das sind reale Gefahren für die Demokratie. Also hört mir doch bitte alle endlich mit dem Gerede über die AfD auf. Mir ist klar das in einem autoritären Staat stets die Opposition an allem Schuld ist und das System gefährdet, in dem sonst alle Glücklich sind. Was ist nur aus diesem Land und seinen Journalisten geworden?

Thomas Schmidt / 02.11.2018

Hat es die Achse wirklich nötig, derartige, äh, mainstreamkompatible Feigenblatt-Pamphlete an der Grenze zur Verleumdung zu veröffentlichen?

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