Es ist wie in der guten alten Tanztee-Zeit. Der Conferencier ruft: „Damenwahl!“ Und auf einmal sitzen die sonst so dominanten Herren verlegen da und hoffen und bangen. Sie hoffen, dass sie aufgefordert werden, und sie bangen, ob sie als Mauerblümchen sitzenbleiben. Der Berliner Tanztee folgt einem ganz neuen Rhythmus.
Die attraktivste Dame hat auch schon ein Auge auf ihren Wunschpartner geworfen. Es ist der feine Olaf, ein kühler Nordländer, der seine etwas weniger feine Familie im Hintergrund versteckt hält. Der Dame genügt es, dass sie beim Tanz nur ihm tief in die Augen schaut.
Aber so einfach ist es nicht. Auf dem Berliner Tanzboden wird kein gewöhnlicher Tango aufgeführt, sondern ein Tanz, den man Triango nennen kann. Es wird ja zu Dritt getanzt. Annalena Baerbock, die Dame, die die erste Wahl hat, kann ihren künftigen Partner nicht alleine stemmen. Sie muss sich erst mit dem feschen Christian darüber verständigen, wen von den beiden dort sitzenden älteren Herren man denn betanzen will.
Und das geht nicht so einfach. Christian Lindner findet den distinguierten Olaf Scholz zwar halbwegs akzeptabel, aber sein Wunschpartner ist Armin Laschet, wie er selber ein Mann aus dem Westen, auch wenn der etwas unglücklich auf seinem Platz hin- und herrutscht, weil er sich – zu recht – in akuter Mauerblümchen-Gefahr wähnt.
Die Annalena und der Christian
Erschwerend kommt hinzu, dass die neuen Partner in spe, die Annalena und der Christian, selber erst einmal herausfinden müssen, ob sie überhaupt miteinander können, ohne sich ständig auf die Füße zu treten. Wie viele gemeinsame Schritte haben sie im Repertoire? Früher hat es mit den beiden nicht geklappt, sieht man von ein paar regionalen Volkstänzen ab.
Der neue Berliner Triango ist ein komplizierter Tanz. Wie viel gemeinsamen Rhythmus kann man zu Dritt überhaupt aufs Parkett legen? Und wie lange braucht man, um ihn einzuüben?
Die beiden Herren, die da hocken und warten, hoffen und bangen und zuschauen, was die jungen Leute aushecken – sie können einem leid tun. So ist das halt, wenn man in die Jahre kommt. Wenn der Lack ab ist. Wenn der Anzug nicht mehr spack am Körper sitzt, sondern vorne zwickt und hinten Falten wirft. Wenn die Rock'n'Roll-Zeit vorüber ist, und die Jugend zu einem neuen Tanz aufspielt. Was waren das noch für Zeiten, als man nicht so hilflos dasaß, sondern dynamisch die Dinge und den Tanzpartner selber in die Hand nahm. Aber man ist in der letzten Zeit arg gebeutelt worden. Vom dicken Maxe zum Normalo geschrumpft. Man muss sich freuen, dass man überhaupt noch aufs Parkett darf.
Oder? Wie lange muss man eigentlich auf dem Mauerblümchen-Sitz hocken bleiben? Die beiden Youngsters können einen doch nicht ewig hängen lassen. Kann man sich nicht einfach selber wieder aufs Parkett schleichen, wie Schmittchen Schleicher mit den elastischen Beinen? Wenn der Nachwuchs nicht zu Potte kommt, dann soll den Triango doch der Teufel holen. Dann gibt’s eben keine Experimente. Dann tanzt man einfach nach der alten Leier weiter. Der rote Olaf mit dem schwarzen Armin. Dazu reicht es ja noch, und vielen gefällt das sogar am besten. Diesmal allerdings unter neuer Führung, auch wenn es Armin Laschet schwerfällt. Aber dieser Olaf Scholz macht ja eine gute Figur, und sein Juniorpartner kann sich freuen, wenn er nicht still verblüht.
So kann es kommen. Wenn die beiden Jungen den Triango nicht hinkriegen, dann gibt es eben den alten Koalitionstanz. Wer führt und wer folgt, ist dann sowieso egal. Das Orchester spielt noch ein paar Jahre wie gewohnt weiter – den Angela-Merkel-Walzer.