Im Zuge des Kulturkampfes pinkelt jetzt auch der Dackel an die Brandmauer, unschuldig waren diese Gesellen ja nie, nun sind sie respektive ihre Besitzer rechter Umtriebe verdächtig, heißt es in der Süddeutschen Zeitung.
In einer Zeit des sich stetig verschärfenden Kulturkampfes gegen alles, was sich rechts der Mitte verortet, hat sich auch die Welt der Dinge ins Koordinatensystem von rechts und links, von gut und böse einzufügen: Einfamilienhäuser rechts/böse, Wärmepumpen links/gut, Verbrenner rechts/böse, Fahrräder links/gut, Küchentisch links/gut, Schrankwand rechts/böse, Cordhose rechts/böse, Hosenanzüge im „Annalena-Style“ links/gut, Atomkraftwerke rechts/böse, Windräder links/gut. Bei Elektroautos der Marke Tesla gibt es derzeit Verwirrung um ihre Stellung im politgeografischen Koordinatensystem.
Das Koordinatensystem gilt auch für Tiere, die juristisch bekanntermaßen als Dinge gelten. Deutsche Schäferhunde sind seit Blondi, dem Führerhund, der seinem Herrchen zuerst in den Bunker und dann in den Untergang folgte, allgemein als rechts verschrien. Dackel hingegen galten bislang eher als Ausweis biederer Spießbürgerlichkeit denn nationalkonservativer Gesinnung. Sie waren mehr Mitläufer- als Täterhunde, ihre Popularität im Niedergang begriffen.
Noch in den siebziger Jahren erfreute sich der Dackel enormer Beliebtheit. Er war so populär, dass er sogar zum Maskottchen der Olympischen Sommerspiele 1972 in München auserkoren wurde. Der berühmte Graphiker Otl Aicher tauchte Olympia-Dackel „Waldi“ in Pastelltöne – türkis, dunkelblau, lindgrün, dunkelgrün, gelb und orange, senkrecht gestreift. Es gab ihn als Plüschtier, Anstecker, Puzzle, Korkenzieher, Kissen und Schüsselanhänger. Vorbild für Waldi soll Aichers seinerzeit drei Monate alte Dackelhündin gewesen sein.
Die Wurfzahlen für Dackel gingen drastisch zurück
Damals zählten deutsche Züchter rund 28.000 Dackelwelpen pro Jahr, und Prominente wie der Münchner Volksschauspieler Walter Sedlmayr posierten in bodenständigen Werbespots mit ihrem Vierbeiner. Doch dann ging es steil bergab. In der stetig nach links rückenden Republik galten Dackel, in der Waidmannssprache Teckel genannt, zunehmend als spießig, als Hunde, mit denen vornehmlich ältere Menschen konservativer Gesinnung, insbesondere die verpönten Jäger, „herumzudackeln“ pflegten.
Anstelle des Dackels/Teckels kamen in den achtziger Jahren „unbelastete“ Rassen wie Golden Retriever, Labrador und Jack Russell Terrier in Mode, gefolgt vom Siegeszug der Möpse und Französischen Bulldoggen. Die Wurfzahlen für Dackel gingen drastisch zurück. 2011 erblickten nur noch 6.300 Dackelwelpen bei deutschen Züchtern das Licht der Welt, und alsbald begannen Medien, eine Dackelkrise auszurufen. Die traditionsreichen Jagdhunde drohten auszusterben.
Doch die Wiederentdeckung alter Hunderassen im Zeichen neuer „Natürlichkeit“ bescherte dem Dackel eine kleine Renaissance, die Wurfzahlen stabilisierten sich auf niedrigem Niveau. Auch junge Großstädter sieht man jetzt häufiger einen Rauh-, Kurzhaar- oder Langhaardackel Gassi führen. Statt „Waldi“ oder „Erdmann“ – ein zu Kaisers Zeiten vor allem bei Jägern gebräuchlicher Name für Dackel – hören die Tiere jetzt auf Menschennamen wie „Hugo“, „Otto“ oder „Egon“. In Berlin gibt es sogar eine dem Dackel gewidmete Trendkneipe namens „Posh Teckel“. Zu Live-Gigs von Bands von der Britischen Insel kann man Pommes in Dackelform knuspern oder eine Pizza „Ella“, benannt nach der Dackelhündin der Barbesitzer.
„Altherren-Hunderasse“
Dass nun die Süddeutsche Zeitung (SZ), Fachblatt für Volksaufklärung und woke Propaganda, den Dackel als klandestines Erkennungszeichen rechter Kreise entlarvt, muss Kenner des Hundewesens überraschen. In einem jüngst im dereinst hoch angesehenen Feuilleton des Blattes erschienenen Artikel über angeblich rechte Mode-Codes macht sich die junge Autorin Lara Marmsoler, Praktikantin im SZ-Feuilleton (zuvor in der gleichen Position bei der Südtiroler Qualitätszeitung „Dolomiten“ tätig), Gedanken darüber, warum gerade die „Altherren-Hunderasse“ des Dackels „von den Rechten verwendet“ werde.
Als Grund für die Popularität der „liebenswerten Vierbeiner“ in diesen Kreisen stieß Marmsoler bei der Internetrecherche auf einen Auftritt des damaligen AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland im September 2017. Dabei handelte es sich nicht, wie Frau Marmsoler fälschlich schrieb, um eine Rede Gaulands im Bundestag, sondern seine Stellungnahme direkt nach der Bundestagswahl, in den die AfD mit 13,4 Prozent eingezogen war. Gauland trug zu diesem Anlass eine grüne Krawatte, auf der als schmückende Elemente gelbe Dackel prangten und kündigte an, Angela Merkel „jagen“ zu wollen.
Der „Stern“ – ja das Magazin gibt es immer noch – widmete dem „Treibjagd“-Skandal seinerzeit einen eigenen Artikel, der – im Gegensatz zu Marmsolers SZ-Beitrag – durchaus seriös recherchiert war. Der Stern hatte sogar bei Gauland selbst nachgefragt, was es mit dessen Dackel-Krawatte auf sich habe. Dabei gab der AfD-Politiker preis, dass er das gute Stück in den 80er Jahren bei einem England-Aufenthalt im Städtchen Lewes in Sussex erworben habe. „Mir gefiel die Farbe einfach", sagte er der ebenfalls auf das Thema aufmerksam gewordenen FAZ über seine Beweggründe zum Kauf.
Krawattendackel
Mehr als 30 Jahre später trage Gauland das Accessoire immer noch, es sei zum Markenzeichen des Politikers geworden. „Die Krawatte lässt ihn äußerlich harmlos erscheinen“, dichtet der Stern weiter, nun wieder mit Haltung. „Ein Mann mit Hundekrawatte, der kann doch nicht schlecht sein, oder? Vielleicht doch. Gauland fletscht gerne die Zähne – so wie die britischen Jagdhunde es gerne tun. Wie passend, dass er am Wahlabend selbst die Vokabel ‚jagen‘ gebraucht. Das Outfit dafür trägt er bereits.“ Der Abspann mochte Frau Marmsoler so gut gefallen haben, dass sie den Dackel ohne weitere empirische Belege zum Maskottchen der „Rechten“ erhob.
Ob sich ein 2018 gegründetes Unternehmen namens „Krawattendackel“ von dem Skandälchen inspirieren ließ? Jedenfalls bietet die Firma neben Dackelkrawatten in allen Schattierungen auch andere Binder mit „jagdlichen Motiven“ wie Hirschen, Wildschweinen und Füchsen. Dazu passend Socken und viele weitere Accessoires. „Man muss keinen Dackel besitzen, um unsere trendigen Dackelsocken tragen zu können“, heißt es in einer Selbstbeschreibung. „Ganz egal ob Freizeit, Hobby oder Beruf, Stadt oder Land – überall sieht man inzwischen unsere bunten Socken. Die modischen Socken von Krawattendackel erfreuen sich großer Beliebtheit und überzeugen besonders durch hohen Tragekomfort.“
Neuerdings sind auch lustige Trecker-Motive im Angebot. Aufgemerkt, Kollegin Marmsoler! Spätestens seit den Bauernprotesten vom Winter 2024 und der Fährhafen-Blockade von Robert Habeck zählen Landwirte zum Sympathisantenfeld der AfD. Anlass genug für eine neue investigative Tiefenrecherche im Koordinatensystem von gut und böse.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mitgegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.