Von Elisa David.
Vor drei Tagen fand in Amsterdam die World Press Photo Award Show 2019 statt, bei der unter anderem der Preis des Weltpressefotos des Jahres 2018 vergeben wurde. Dieser Preis und das damit verbundene Preisgeld von 10.000 Euro ging an den US-Fotographen John Moore. Moore, der für die Agentur Getty Images arbeitet, gewann mit einem Bild, das er im Juni 2018 an der Grenze der USA in Texas machte. „Crying Girl on the Border“ zeigt ein kleines weinendes Flüchtlingskind, ein etwa zwei- oder dreijähriges Mädchen, daneben seine Mutter, eine junge Frau aus Honduras. Sie möchte in Amerika um Asyl bitten, muss sich an einen Wagen lehnen und wird von Beamten durchsucht.
Das Foto wurde von der Vorsitzenden des Wettbewerbs, Whitney C. Johnson als überraschend einzigartig und relevant bezeichnet. Jury-Mitglied Alice Martins lobte, dass das Bild eine „andere, psychologische Art der Gewalt“ zeige. Auch die Presse war davon überaus begeistert – wer hätte etwas anderes erwartet. Aber ich muss ehrlich sein, meiner Meinung nach enthält das Foto so viele Klischees, dass es schon fast langweilig ist. Die „Guten“ auf dem Bild sind offensichtlich die beiden südamerikanischen Flüchtlinge, rein zufällig handelt es sich dabei um eine junge Frau und ein Kleinkind. Kinder verkörpern Unschuld und wenn sie auch noch weinen, hat man immer Mitleid. Auch Frauen sind tendenziell Sympathieträger. Wenn nur Männer auf dem Bild zu sehen wären, würde es überhaupt nicht mehr wirken.
Die Realität zeigte ein anderes Bild
Wir erinnern uns an 2015, wo überdurchschnittlich viele Kinder und Frauen gezeigt wurden – die Realität zeigte ein anderes Bild. Im Sommer 2018 hatte die amerikanische Grenzpolizei tausende Kinder von ihren Eltern getrennt, die versuchten, über die amerikanische Grenze zu kommen. Die von Obama eingeführte Praxis hatte damals viele heftige, auch internationale Proteste ausgelöst, weshalb Donald Trump die Praxis der Familientrennung von Flüchtlingen wieder aufgab. Diesen Kontext braucht man, denn sonst ist es im Grunde absolut nichtssagend. Der Vater des Kindes gab später gegenüber den Medien zu Protokoll, dass das Kind nicht von seiner Mutter gertrennt wurde. Den Anspruch „genaue, faire und visuell überzeugenden Einblicke in unsere Welt“ zu überbringen, erfüllt dieses Bild also nicht.
Wenn Alice Martins von einer psychologischen Art der Gewalt spricht, meint sie dann die Tatsache, dass das Kind weint oder dass die Frau durchsucht wird? Denn niemand außer dem Kind weiß, warum es weint. Auf dem Foto ist es dunkel, vielleicht ist einfach müde? Aber läge dann die Schuld nicht bei der Mutter, die ihr Kleinkind mitten in der Nacht über eine Grenze schleppt?
Nach Angaben der Presse sind die beiden einen Monat durch Guatemala und Mexiko gereist, um die Grenze zur USA zu erreichen. Jeder wäre da müde. Kinder weinen aus vielen Gründen, vor allem, wenn sie noch so klein sind und es ist unwahrscheinlich, dass das Mädchen versteht, was gerade mit ihrer Mutter passiert. Solange der Beamte sie also nicht geschlagen hat, hat das nichts mit dem Kontext zu tun, in den das Bild gebracht wird. Dafür, dass die ganze Relevanz des Bildes bei dem Kind liegt, ist der Sachverhalt aber wirklich schwach.
Wenn Martins das Durchsuchen der Mutter meint, ist das ebenso unsinnig. Grenzkontrollen sind vielleicht nicht in Deutschland, aber doch in den meisten Ländern gängige Praxis. Es ist verständlich, dass man sich versichern will, dass keine Gefahr von den Menschen ausgeht, die man fast bedingungslos in sein Land lässt. Es werden tausende Menschen am Tag an Flughäfen kontrolliert, es ist kein traumatisches Erlebnis und damit auch keine psychologische Gewalt. Es ist einfach nur ein müdes Kind und ein Mann der seinen Job macht – das ist weder „überraschend einzigartig“, noch zehntausend Euro wert.
Elisa David (18) ist Abiturientin aus Lübeck. ihr Beitrag erschien zuerst auf Apollo-news hier.