Jesko Matthes / 06.12.2021 / 06:00 / Foto: Sebastian Müller / 52 / Seite ausdrucken

Covid-Studien: Forsche deutsche Forscher

Die deutsche populärwissenschaftliche Presse (Spektrum.de) überschreibt einen Beitrag mit folgender Zeile: „Drei Viertel aller Infektionen gehen von Ungeimpften aus". Im Inhalt berichtet man über diese wissenschaftliche Arbeit. Es handelt sich um eine „non-peer-reviewed"-Studie auf Basis mathematischer Modelle anhand theoretischer Überlegungen zur Ausbreitung von Covid-19, basierend auf 15 Jahre alten Daten zu Sozialkontakten in Deutschland und nicht etwa auf diesen aktuellen Erkenntnissen aus derselben Arbeitsgruppe (!). Die Studie kommt zu dem Ergebnis, die epidemiologischen Hauptgefahren gingen von Covid-Ungeimpften aus.

Zum Vergleich die Berichterstattung anderer Medien:

The Lancet (1): Trifft möglicherweise zu, mit Anhaltspunkten dafür, aber nicht sicher;

The Lancet (2) Trifft sicher nicht zu – mit Quellenangaben;

BMJ Evidence-Based Medicine: Ist ungeklärt, verbunden mit der expliziten Frage nach mangelndem politischen Willen zur Durchführung aussagekräftiger Studien;

The Rio-Times (1): Ist falsch, sogar eine schädliche Einschätzung – leider ohne anklickbare Quellenangaben;

The Rio-Times (2): Ist höchstwahrscheinlich eine schädliche Einschätzung – laut Peter Doshi, Mitherausgeber des "British Medical Journal". Doshi gibt übrigens seine Interessenkonflikte sehr umfangreich und unter ausdrücklicher Nennung an ihn geflossener Geldbeträge an.

Motivation und Interessenkonflikte

Ohne die Inhalte und Motivationen hier im Einzelnen fachlich kommentieren zu können, beziehe ich mich zunächst nur auf die erkennbare Motivationslage und die wissenschaftliche Grundhaltung der Autoren der oben genannten deutschen Modellierungsstudie:

1. Die deutsche "Forschung" begnügt sich mit Surrogatparametern aus Rechenmodellen – unterster Evidenzgrad, "Expertenmeinung".

2. Der an letzter Stelle stehende, verantwortliche Hauptautor der deutschen Studie ist Physiker und Fachberater für epidemiologisches Modellieren beim Robert-Koch-Institut. Persönlich scheint er aber Probleme zu haben, wie er im letzten Satz dieses Artikels zugibt: „Ich bin einfach immer nur müde. Und ich bin frustriert als Wissenschaftler". Das werfe ich ihm nicht vor, auch ich kenne diesen Zustand unter anderen Vorzeichen aus meiner Praxistätigkeit nur zu gut, nämlich gerade wegen der diffusen und widersprüchlichen Datenlage! Allerdings dürfte Frustration auch die Motivation eines Autors beeinflussen. Frust ist gefährlich und macht parteiisch, und auch ich muss mich davor emotional hüten und schützen. Allerdings bin ich dankbar für diese Ehrlichkeit, denn ich teile sie.

3. Die Motivlage des Primärautors, Ben F. Maier, hinsichtlich anerkannter Publikationsstandards der belegorientierten Medizin (EBM) kann man aus seinem Twitter-Account leicht ableiten. So verweist er explizit auf die hohen Kosten eines „peer-reviews", das ihn also offenbar ärgert. Warum? Sind medizinische und wissenschaftliche Standards und die Einschätzung Anderer innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft wertlos? Zitiert werden von Maier ferner die Kollegen Drosten und Lauterbach und zumindest in dem mir zugänglichen Zeitraum sonst niemand. Ferner ist Maier paradoxerweise ebenfalls Autor einer Modellierungsstudie, nach der Kontaktverfolgung in der Realität nicht valide ist. Woraus soll dann die Gültigkeit von Modellrechnungen auf Basis fünfzehn Jahre alter Daten resultieren, woran sich messen lassen?

4. Die Co-Autorin Cornelia Betsch dagegen widmet sich neben der genannten Studie der Frage, wie eine Impfpflicht aus psychologischer Sicht so umgesetzt werden kann, dass sie möglichst sanft wirkt. Sie ist Motivationsforscherin, via COSMO ( Beraterin mehrerer Landesregierungen) und arbeitet u.a. für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

5. Entsprechende Interessenkonflikte werden von den Autoren der Modellierungsstudie dagegen nicht geltend gemacht. Dazu schreibt die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften explizit: 

Interessenkonflikte sind definiert als Gegebenheiten, die ein Risiko dafür schaffen, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln, welches sich auf ein primäres Interesse beziehen, durch ein sekundäres Interesse unangemessen beeinflusst werden.

Keiner der beteiligten Autoren ist Immunologe oder Epidemiologe. Ich sehe unter den Autoren überhaupt keine Mediziner. Vielleicht fühlen die Autoren sich deshalb so wenig an medizinische Standards gebunden. Das ist angesichts der weitreichenden Konsequenzen ihrer Beratertätigkeit bedauerlich. Auch ich als Hausarzt fühle mich in der aktuellen Lage von der Qualität derartiger Publikationen im Stich gelassen. So viel von meiner Seite zu den Standards jener Veröffentlichungen, die Eingang in die deutsche populärwissenschaftliche Presse wie in die Entscheidungsfindung der maßgeblich politisch Verantwortlichen finden.

Johannes Herwig-Lempp, Sozialarbeitswissenschaftler und systemischer Sozialarbeiter, prägte dazu das schöne Bonmot: "Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis größer als in der Theorie."

 

Dr. med. Jesko Matthes ist Arzt und lebt in Deutsch-Evern. Alumnus der Studienstiftung des Deutschen Volkes, immunologische Promotion über Tumornekrosefaktor- und Lymphotoxin-Messung, auch in virustransfizierten Zelllinien maligner Lymphome. Notarzt mit LNA-Qualifikation. 

Foto: Sebastian Müller CC BY 2.5 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Gus Schiller / 06.12.2021

Deutsche Forscher forschen forsch, forsch forschen deutsche Forscher. Wenn es sonst zu nichts reicht, reicht’s noch zum Zungenbrecher.

E. Albert / 06.12.2021

@Martina Bahr - “Also zack zack, 2G auch dort, einfach aushungern das Pack!” - Diese Idee hat kürzlich ähnlich schon ein gewisser Noam Chomsky vorgeschlagen…

Martina Bahr / 06.12.2021

Richtig lustig wird es werden, wenn sich dann nach angemessenem Zeitraum (also sicher noch vor Weihnachten) an den Neuinfektionen nicht wirklich was verändert hat. Dann kommt ja nur noch der Einzelhandels des täglichen Bedarfs mit seiner böswilligen Gewinnsucht, so dass er sogar UNGEFIXTE reinlässt, als Pandemietreiber in Frage. Also zack zack, 2G auch dort, einfach aushungern das Pack!

Frances Johnson / 06.12.2021

Zusätzlich ein paar Zahlen. Wie man auf JHU ersehen kann, gibt es entweder mehr Tests oder mehr +-Befunde, das kann ich in der intransparenten Gemengelage nicht sagen. Wir haben Ende der letzten Nov.-Woche 2020 123.324 CV+-Getestete (29.11.20), eine Woche später 138.859 (6.12.2021). Ein Jahr später haben wir am 28.11.21 403.452 und am 5.12.21 396,789, ein Rückgang um fast 7000, während im Vorjahr eine Zunahme um fast 16.000 zu sehen war. Bei den gemeldeten Ablebezahlen gibt es am 29.11.20 2.147 und am 6.12.20   2.680, eine Zunahme um ca. ein Viertel. Am 28.11.21 sind gemeldet 1.830, am 5.12.21 2.164, eine Zunahme von etwas mehr als einem Sechstel. .... Hieraus ziehe ich folgende Schlüsse: 1. Die Zahl der Hospitalisierten, bezogen auf die Testergenisse, ist längst nicht so gravierend wie 2020. 2. Während 2020 eine Zunahme innerhalb einer Woche, der ersten Dezemberwoche, bei den gemessenen + zu verzeichnen war, gehen diese heute leicht zurück, und die Zahl der Ablebenden nimmt nicht zu um etwa ein Viertel, sondern nur um ca,. ein Sechstel. Das ist eine messbar bessere Situation, vor allem wenn bedacht wird, dass viele + bei Schulkindern gefunden werden, was (natürlich) intransparent gehandhabt wird, um das Panikniveau hochzuhalten. Mit der Vernunft eines Descartes hat das alles nichts zu tun, und er würde sich schaudernd abwenden. Und wenn solcher Panikmache und Unvernunft nicht Einhalt geboten wird, werden wir geistig verkümmern und depressiv werden. M.f.G.

Margarethe Kaufmann / 06.12.2021

@Ilona Grimm, das Video lässt sich unter pathlogie-konferenz aufrufen.

Frances Johnson / 06.12.2021

René Descartes, was sagte er: “Doch es kann sein, dass ich mich täusche, und vielleicht ist es nur ein wenig Kupfer und Glas, was ich für Gold und Diamanten halte. Ich weiß, wie sehr wir uns in allem, was uns selbst betrifft, irren können, und wie sehr auch die Urteile unserer Freunde uns fragwürdig sein müssen, wenn sie zu unseren Gunsten ausfallen.” Das sagt einer der Großen seiner Zeit in “Discours de la Méthode”, in dem er immer geerdet und bescheiden bleibt, allenfalls mal zugibt, er habe mit seiner Ausstattung Glück gehabt. .... So etwas vermisst man in der heutigen Politik. Menschen, die weit entfernt sind vom Format eines Descartes, trompeten entgegen den Regeln der Wissenschaft Dinge raus, die sie für unumstößlich halten, obgleich sie ein oder zehn Jahre später kalter Kaffee sein können. Mit weiterer Unterdrückung von unangenehmen Fakten, die nicht “passend” erscheinen, auf allen Feldern, werden wir eine mentale Stagnation erleben sowie einen Rückgang der mittleren Intelligenz. Weiter schreibt Descartes: “Meine Absicht ist daher nicht, hier die Methode zu lehren, der jeder folgen muss, um seine Vernunft richtig zu führen, sondern lediglich ersichtlich zu machen, auf welche Weise ich versucht habe, die meine zu führen.” Der Philosoph des Individuums letztlich und der Entwicklung von Ideen, die verschieden sein dürfen. Was hier seit ein paar Jahren durchgezogen wird, auch in den Schulen, ist dgegen als armselig zu bezeichnen.

E. Albert / 06.12.2021

@Ilona Grimm - YT war klar, aber auf der Seite des Institutes ist das Video noch zu sehen. Statt youtube kann man auch auf eine “weltweite odysee” gehen und sich dort über die Konferenz bzgl. Pathologie in Reutlingen informieren. (Himmel, es wäre wirklich einfacher, wenn man hier auch Tipps zu anderen Seiten geben dürfte…)

Ludwig Luhmann / 06.12.2021

@Dr Stefan Lehnhoff / 06.12.2021 - “Wissenschaft wird mehr und mehr zu Antiwissenschaft und der Korruptionsgrad steigt mit der politischen Relevanz auf 99,5%. Das irre ist ja, dass man gar keine Studien braucht, um sagen zu können, dass die „Impfung“ überflüssig, nutzlos und gefährlich ist: Das ergibt sich bereits zwingend aus Ausgangslage und Design. Man hätte mit gleicher Berechtigung auch diskutieren können, dass Juden die Treiber der „Pandemie„ sind, ach, sorry, das gab es ja schon.”—-—- Meine Perspektive: Diese “Antiwissenschaft” Korrupter wird uns Massenuntermenschen präsentiert. Gebildete wissen, dass das manipulativer Bullshit ist. Der Bildungsgrad sehr vieler Menschen ist niedrig genug, um diese Massenmanipulationen durchzuziehen. Dass das so ist, war sicher Teil eines Planes. Die allermeisten Leute sind nicht dumm. Viele sind allerdings ungebildet - Fachidioten bezeichne ich auch als Ungebildete! - und “sapere aude” ist ein für sie unbekanntes Konzept.

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