Jesko Matthes / 10.03.2020 / 06:25 / Foto: Achgut.com / 106 / Seite ausdrucken

Mitteilung an meine Praxis-Mitarbeiter – Covid-19-Update

Diese Mitteilung an die Mitarbeiter meiner Arztpraxis in Niedersachsen ist auch für Achgut.com-Leser von Interesse und hilft vielleicht, die Lage ein bisschen einzuschätzen:

Liebes Team,                                                                                                              09.03.2020

angesichts der bisherigen Entwicklung (Deutschland steht weltweit an sechster Stelle der gesicherten Covid-19-Infektionen) ist davon auszugehen, dass die Ruhe im Landkreis Lüneburg nicht mehr sehr lange anhalten wird.

Regierungssprecher Seibert und Charité-Virologe Drosten sprechen heute allgemein von einer „absolut ernsten Situation“. Ich persönlich rechne mit der Ankunft des Virus hier binnen der nächsten drei bis vier Wochen, eventuell auch früher.

Zum Thema „Panikmache“: Tatsächlich ist sie dennoch unangebracht! Für die allermeisten Menschen scheint die Infektion wie andere Atemwegsinfekte auch zu verlaufen. Erinnern wir uns: Jede andere Erkältungskrankheit kann bis zu vierzehn Tagen dauern, und es stehen ebenfalls keine speziellen Medikamente zur Verfügung, selbst jene gegen Influenza sind umstritten. – Nichts Neues, das kennen wir!

Zum Thema „Bagatellisieren“: Der Unterschied ist allerdings nach allen vorliegenden Daten die gegenüber der Grippe deutlich erhöhte Sterblichkeit unter Alten und mehrfach chronisch Kranken; diese Sterblichkeit liegt in Italien derzeit bei knapp 6 % – was sehr viel mehr ist als bei Grippe (Influenza: ca. 1-2 %). Diese Alten und chronisch Kranken machen einen Großteil der Patienten auch in unserer Praxis aus! Damit würde die Praxis für diese Menschen ggf. zum Hochrisikogebiet. Das ist auch der Grund, warum die einfachen Verdachtsfälle und unkompliziert Erkrankten zuhause bleiben und nicht in die Praxis kommen sollen.

In jedem Fall sind Corona-Verdachtsfälle strikt von den anderen Patienten zu trennen, und zwar nicht, damit Letztere es „nie“ bekommen, sondern damit es nicht alle gleichzeitig bekommen – und am Ende auch wir keine Zeit für die Behandlung der komplizierten Corona-Fälle haben; denn auch hier wird nach Tagen evtl. doch ein Antibiotikum gegen zusätzliche bakterielle Infekte nötig sein, dazu Hustenlöser „wie üblich“, für Asthma- und COPD-Patienten ein Inhalator in erhöhter Dosis, Cortison … und auch die Kontrolle, wer eventuell in die Klinik muss, und das alles nach Möglichkeit per Hausbesuch!

Ich weise erneut darauf hin, dass wir dann Routinetermine werden verschieben müssen. Ich erwäge, nötigenfalls ein „Infekt-Team“ (Hausbesuche) und ein „Nicht-Infekt-Team“ (Routinerezepte, Überweisungen …) einzurichten, zumindest halbtags. Da ich Teil des „Infekt-Teams“ wäre, stünde damit die reguläre Sprechstunde dann ohnehin still. So empfiehlt es auch der Hausärzteverband.

Unklar ist dabei, ob die bisherige Pflicht, die Praxis bei Corona-Erkrankung von Mitarbeitern zu schließen (!), überhaupt umsetzbar bleiben wird; irgendjemand muss die Arbeit schließlich machen. Dies wiederum ist abhängig von der Lieferbarkeit der Schutzausrüstung; derzeit haben wir FFP2-Masken für exakt einen Tag auf Vorrat. Viruzide Desinfektionsmittel sind nicht mehr lieferbar.

Zur Urlaubsregelung: Diese bleibt bestehen. Ich persönlich überlege, ob ich meine Arbeitskraft im kommenden Urlaub dem Gesundheitsamt zur Verfügung stelle. Es hat aber keinen Sinn, wenn wir aus Übereifer plus Pflichtgefühl alle erkranken. – Eine Ausnahme mit möglicher Dienstverpflichtung werde ich in jedem Fall nur auf Anforderung des örtlichen Gesundheitsamtes in Erwägung ziehen.

In jedem Fall gilt: (1) Ruhe bewahren, (2) sachgerecht handeln, (3) Eigenschutz und Schutz nicht Erkrankter beachten – vor allem bei Senioren und chronisch Kranken.

 

 

Nachbemerkung des Autors vom 11.03.2019

Corona: Schutzausrüstung für alle Heilberufe!

Für die überaus reichhaltige Diskussion meiner Worte ans Team meiner Praxis danke ich herzlich. Dazu drei kleine Anmerkungen:

Ich bin mir nicht sicher, wie man von Coronavirus auf AfD, Linkspartei, Terror oder Islamismus kommen kann. Das Coronavirus ist aus meiner Sicht ein zusätzliches Problem, das zwischen den Anhängern und den Gegnern dieser Strömungen genauso wenig unterscheiden wird wie ich es bei deren Behandlung darf. Insofern ist „es“ radikaler und egalitärer zugleich. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Wenn einer meiner Kollegen meine Worte in scharfer Form kritisiert, so danke ich ausdrücklich dafür und nehme ihn ernst und in Schutz: Seine Worte sind sehr bedenkenswert. – Ich denke, es ist hilfreich, zwischen den Phasen des Containment (Eindämmen und möglichst Unterbrechen der Infektionsketten) und derProtection (Schutz der Hochrisikogruppen, also vor allem der Alten und chronisch Kranken) zu unterscheiden. Dann erübrigt sich die Diskussion über Mortalität und Letalität. Ich habe deshalb gegenüber meinen Fachangestellten pauschal von „Sterblichkeit“ gesprochen, weil ich mit Medizinischen Fachangestellten an betroffenen Laien arbeite und kein biomathematisches Seminar abhalten kann, das mir im Ernstfall auch nicht weiter hilft. Der Streit über Statistik ist fruchtlos, insbesondere bei der Grippe, sie zu erwähnen aber nicht! Rede ich über die diesjährige Welle, die von 2009 oder die Spanische Grippe? Und Corona? - Ich kenne nur die beängstigenden Zahlen aus Italien. Also: Auch wenn ich nicht weiß (wie Sokrates oder Herbert Wehner, beide seligen Angedenkens), muss ich leider handeln.

Eins weiß ich dagegen sicher: Egal, ob Containment oder Protection, die Trennung in Infektionsfälle und Routinefälle erfüllt beide Zwecke, und genau so muss ich also handeln, solange das Gesundheitsamt nicht anordnet, meine Praxis müsse schließen wegen eigener Corona-Erkrankungen im Team - vgl. Landkreis Heinsberg. Ich stimme dem Kollegen Koch ausdrücklich zu: Eigenschutz beachten! Die Mangelversorgung mit Schutzausrüstung ist dabei ein maximal ernsthaftes Problem, an ihr hängt alles. Bleibt sie so, müsste dann allerdings eine Praxis nach der anderen dicht machen, und nur auf diese offensichtliche Absurdität zielte mein Gedankengang. Riskieren werde ich nichts, außer auf Anordnung der Behörden, und wer mir deshalb kündigen will, der mag sogar Recht haben. Das ist der aus meiner Sicht einzige politische Aspekt. Die Grundmorbidität und Zusatzmorbidität der Bevölkerung durch Corona werden nämlich auch dann nicht „dicht machen“ oder „kündigen“, und Mortalität („an allem Möglichen“) und Letalität (u.a. an Coronavirus) werden steigen, so viel ist klar. - Hoffentlich nicht nur dem Kollegen Koch und mir, auch der Politik!

Insofern ist es - vielleicht - möglich, sich so zu einigen: Wir brauchen zuallererst Schutzausrüstung für alle Heilberufe!

Freundliche Grüße

Jesko Matthes

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C. Honigmann / 10.03.2020

Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis uns nach Abebben der Coronahysterie ein “Wissenschaftler” vom Schlage Schellnhuber - Lesch weiß machen will, dass “besondere klimatische Umstände” die Entstehung des Coronavirus beeinflusst oder begünstigt hat. Wundern würde es mich nicht.

Dr. med. Christian Rapp / 10.03.2020

Ich schätze, dass die Konzentration auf Covid 19 innerhalb der Praxen und Krankenhäuser mit der damit verbundenen “Quarantänisierung” unterm Strich mehr Todesopfer aus anderen Gründen zur Folge haben wird. Es ist fraglich, ob es es hilfreich ist, ein politisch kaputtgemachtes System, dass für eine Epidemie keine ausreichenden Ressourcen geplant hat durch zielverfehlende Maßnahmen noch zu stützen. Es ist aber anzunehmen, dass es bei Mangel an medizinischem Personal zu Notstandgesetzen mit Zwangsverpflichtung kommen wird, brechen doch, lt. Gassen, täglich sechs Ärzte rechnerisch weg.

E. Thielsch / 10.03.2020

Am Schluss werden wir alle durch die Infektionswelle durch müssen. Bei eine Inkubationszeit von 14 Tagen und einem weitgehend symptomlosen Verlauf bei sehr vielen Infizierten ist jegliche Quarantäne illusorisch. Das heisst nicht, nichts zu tun; Ich habe Desinfektionsmittel dabei, für Griffe von Einkaufswägen etc., aber ich weiss, dass der Nutzen nur sehr bedingt ist. Und da ich beruflich mit Humanproben in der Labormedizin umgehe, halten wir die übliche Hygiene-Routine aufrecht und gehen durch die Krise, mehr ist nicht drin. Gefährlich war das auch bisher jeden Tag. Die Mortalitätsraten sind jedoch eigentlich ermutigend, selbst für mich ‘alten weissen Mann’. Das wird keine Spanische Grippe, nur eine ziemlich gewöhnliche ‘Welle’. Also Kopf hoch!

Wolfgang Nirada / 10.03.2020

Da schau her! Es gibt also doch noch vernünftige Leute mit Hirn und Berufsehre. Leider herrscht bei “unserer Regierung” in dieser Hinsicht völlige Fehlanzeige…

Gunter Frank / 10.03.2020

Lieber Herr Kollege, Die Letalität einer Influenza ist nicht 1-2% sondern 0,1-0,2% (RKI) Die hohe Sterblickeit von Corona in Wuhan und Italien liegt bei 6%. In anderen Ländern oder anderen Regionen Chinas liegt sie bisher bei o,2%. Die Gründe für die großen Unterschiede sind mir unklar. Es spricht jedenfalls viel dafür, dass sich Corona in Deutschland nicht anders auswirkt als ein saisonale Grippe mit ihren jährlichen ca. 20.000 Todesfälle unter älteren, immungeschwächten Patienten. Bei einer späteren Analyse wird vielleicht herauskommen, dass die massiven Gegenmaßnahmen über den wirtschaftlichen Schaden mehr Todesopfer gefordert haben als die Erkrankung selbst. Aber hinterher ist man immer schlauer. Corona ist aber sicher ein Warnschuss, aus dem nun hoffentlich für eine mögliche tatsächlich bedrohliche Pandemie gelernt wird. Viele Grüße Gunter Frank

Linda Martin / 10.03.2020

Ja, das tut sie. Vielen herzlichen Dank für die Informationen! Bleiben Sie und Ihre fleißigen Helfer gesund.

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