Journalismus ist nicht gemeinnützig! Der Kampf gegen politische Gegner auch nicht. Das Finanzamt muss Correctiv einmal gründlich auf den gemeinnützigen Zahn fühlen. Ausgerechnet die FDP will das nun aushebeln.
Ausgerechnet die FDP will die Geldschleusen für Vorfeldorganisationen der rot-grünen Regierungsparteien im Medienbereich (noch weiter) öffnen und das Geschäftsmodell „politischer Aktivismus, verkleidet als Journalismus“, befördern. Die Finanzämter sollen künftig Medienunternehmen als gemeinnützig anerkennen können – so plant es das vom FDP-Vorsitzenden Christian Lindner geführte Bundesfinanzministerium.
Das Gesetz sieht dies zwar eigentlich nicht vor; auch Rechtsprechung und Finanzverwaltung lehnen dies bisher ab. Aus gutem Grund: Denn das Äußern und Verbreiten der eigenen Meinung ist eigennützig und nicht gemeinnützig, egal ob man seine Meinung als Privatmann oder als Medienunternehmen kundtut. Von daher ist Journalismus zu Recht nicht in dem Katalog der gemeinnützigen Zwecke in § 52 Abgabenordnung genannt. Und das bleibt nach dem aktuellen Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 auch weiterhin so. Doch Lindner wäre nicht Lindner, wenn er nicht tricksen würde. Par ordre du mufti soll Journalismus für gemeinnützig erklärt werden, indem er einfach zu Bildung umdeklariert wird.
Diesen Etikettenschwindel will das Bundesfinanzministerium auf dem Verwaltungswege unter Ausschaltung des Parlaments mittels einer Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung vollziehen (siehe hier). Der Wortlaut der geplanten Neuregelung: „Nicht gewinnorientierte Journalismus-Organisationen verfolgen in der Regel die Förderung der Bildung (§ 52 Absatz 2 Nummer 7 AO), indem sie insbesondere durch Wissensvermittlung, Aufklärung sowie Nachrichtenaufbereitung oder -beschaffung der Allgemeinheit journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote zur Verfügung stellen“. Contra legen (gegen das Gesetz) macht das Bundesfinanzministerium also aus nicht-gemeinnützigen Medienunternehmen gemeinnützige Bildungsunternehmen.
Die geplante Neuregelung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung widerspricht diametral der bisherigen Auslegung des Gemeinnützigkeitszwecks „Förderung der Bildung“ durch die Finanzverwaltung, Steuer-Rechtsprechung und -Literatur. Danach gehört Journalismus nicht zur Wissensvermittlung im Rahmen der Bildung. Zur Bildung zählt man nur solche Angebote, bei denen quasi schulmäßig oder systematisch Lerninhalte vermittelt werden, sei es durch Kurse oder aufeinander aufbauende Lerneinheiten. Journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote (Recherchen, Nachrichten, Reportagen) mögen informieren, aber sie vermitteln keine Bildung, wie sie der Gesetzgeber im Gemeinnützigkeitsrecht versteht. Auch sogenannte Wissensmagazine unterfallen daher seit jeher nicht der Förderung der Bildung.
Jahrelange Lobbyarbeit für „Gemeinnützigkeit“ von Journalismus
Lindner erfüllt mit der Neuregelung ein linkes Herzensanliegen. Seit vielen Jahren trommelt man lautstark dafür, Journalismus in den Katalog der Gemeinnützigkeitszwecke aufzunehmen. Schon 2012 forderte dies eine Autorengruppe (siehe hier). Sehr aufschlussreich die damalige Überlegung: „Wäre Journalismus als gemeinnützig anerkannt, könnten Verlage ihre Redaktionen als gemeinnützige GmbHs ausgliedern; die ‚Redaktion gGmbH‘s würden die Inhalte produzieren, die veröffentlicht werden sollen, mit denen die gewinnorientierten Verlage ihre Umsätze machen. Die ‚Redaktion gGmbH‘s wären von der Steuer befreit, alle Redaktionskosten in diesem Bereich voll anrechenbar und per Spenden finanzierbar. Im Anzeigenvertrieb, im technischen Support, im Abovertrieb könnten, dürften und sollten weiter Gewinne gemacht und Steuern gezahlt werden. Nur eben in der ‚Redaktion gGmbH‘ nicht mehr.“ Das ist nichts anderes als die Formel: Risiken/Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren. Ein Kommentator merkte damals zutreffend an, dann könne ja auch Opel seine Entwicklungsabteilung als gemeinnützige Gesellschaft ausgliedern.
Zu den damaligen Autoren gehörte mutmaßlich auch David Schraven (jedenfalls verteidigte er das Anliegen vehement im Kommentarbereich). Er setzte die Idee mit der Gründung des Internetportals Correctiv unter großzügigem Sponsoring des früheren SPD-Kanzleramtsminister Bodo Hombach in die Praxis um, wenn auch mittels eines fragwürdigen „Tricks“ (siehe dazu gleich unten mehr).
Mittlerweile ist „gemeinnütziger Journalismus“ jedoch nicht nur eine obskure Idee einer irrlichtender Autorengruppe. Zahllose Stiftungen und andere Organisationen (z.B. ver.di) sprechen sich für Journalismus als gemeinnützig aus. Ein Verein namens Forum gemeinnütziger Journalismus e.V. wurde gegründet (übrigens mit Schraven als Vorstand), sogar im Koalitionsvertrag ist die Forderung enthalten.
Anerkennung als gemeinnützig ist höchst lukrativ
Das Streben nach Anerkennung als gemeinnützig hat vor allem drei Gründe: Geld, Geld und Geld,
1. durch Steuerfreiheit von Gewinnen;
2. durch die Möglichkeit, von Behörden über alle möglichen Programme wie zum Beispiel „Demokratie leben“ gesponsort zu werden; ob kommunale Behörden, Landes, Bundes- oder EU-Behörden: sie alle verfügen über zahlreiche Fördertöpfe, mit denen sie unzählige Organisationen mit Geldmitteln versorgen; klassische Medienunternehmen nehmen daran nicht teil; bei ihnen muß der Staat darauf ausweichen, Werbeanzeigen zu schalten;
3. durch die Möglichkeit, von anderen gemeinnützigen Organisationen in Deutschland (vor allem großen Stiftungen) Spenden zu erhalten, da es diesen untersagt ist, an gewerbliche Unternehmen zu spenden.
Auch klassische Medienunternehmen haben natürlich bemerkt, dass der Status „gemeinnützig“ die Steuertöpfe öffnet und überlegen, wie sie sich das zunutze machen können. RTL und die Rheinische Mediengruppe haben beispielsweise zusammen mit dem Staatsunternehmen Deutsche Welle ein gemeinnütziges Tochterunternehmen gegründet: die Bonn Institute gGmbH [g steht für gemeinnützig]. Zweck unter anderem: Förderung der Wissenschaft und Bildung. Die Anschubfinanzierung [in bisher nicht offengelegter Höhe] stammt vom Land Nordrhein-Westfalen.
Der „Trick“ mit dem Satzungszweck
Um nicht erst auf Lindners Wohlwollen warten zu müssen, haben einige Medienunternehmen wie zum Beispiel der Blog Volksverpetzer oder das Portal Correctiv vorweggenommen, was Lindner nun offiziell erlauben will. Sie haben als Satzungszweck nicht Journalismus angegeben (das hätte ja der Gemeinnützigkeit entgegengestanden), sondern Förderung der Bildung bzw. der Volks- und Ausbildung oder Verbraucherschutz. Daß das eine Umgehung ist, hat sogar David Schraven höchstselbst in einem Gastkommentar für die taz eingeräumt (siehe hier): „Um es klar zu sagen: Im Augenblick können journalistische Angebote keine Spenden annehmen. Dies ist nur über Umwege möglich: Correctiv beispielsweise ist ein Bildungsangebot, Netzpolitik.org dient dem Verbraucherschutz.“
Dass Correctiv jedoch vorrangig gerade kein Bildungsangebot ist, sondern überwiegend Journalismus betreibt, zeigt ein Blick in deren Internetpräsenz und bestätigt die Eigenwerbung (siehe hier): „Im Kern der Arbeit von Correctiv steht … Journalismus“ oder „gemeinwohlorientiertes Medienhaus“.
„Umwege“ heißen steuerrechtlich üblicherweise „Umgehungen“ bzw. „Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten“ und sind unzulässig. Dies auch noch offen einzugestehen – da muss man sich schon ziemlich geschützt wissen. Eigentlich wäre ein solches Selbsteingeständnis Grund genug gewesen, ein veritables Steuerverfahren mit allem unangenehmen Pipapo einzuleiten. Während aber im Falle des Volksverpetzers das Finanzamt mittlerweile tätig geworden ist und die Gemeinnützigkeit aberkannt hat, darf Correctiv sich weiterhin gemeinnützig „schimpfen“.
Anmerkung: Wer meint, dass das, was man dort mache, gar kein Journalismus sei, dem sei gesagt: auch schlechtes, ungenießbares Essen ist noch Essen. Und vieles bei Correctiv ist ungenießbar. Achgut hat dazu über die Jahre etliche Artikel veröffentlicht. Selbst Correctiv gewogene „Gesinnungsgenossen“ wie das Portal Übermedien haben das mittlerweile gemerkt. Es stellt zu den sogenannten „Geheimplan-Recherchen“ von Correctiv fest: der Artikel „unterstellt, statt zu belegen, er raunt, statt zu erklären, er interpretiert, statt zu dokumentieren“, und „untergräbt die Maßstäbe soliden journalistischen Arbeitens“ (siehe hier).
Über „gemeinnützigen“ Organisationen, deren Satzungszweck Bildung ist, die aber vorwiegend „in Journalismus machen“, schwebt also immer das „Damoklesschwert“ der möglichen Aberkennung der Gemeinnützigkeit, sollte das zuständige Finanzamt sich der Sache einmal ernsthaft annehmen. Denn ihre vorwiegende tatsächliche Tätigkeit (Journalismus) entspricht nicht dem Satzungszweck (Bildung). Hinzu kommt, dass Bundesfinanzhof und Finanzgerichte betonen, dass Agitation und parteipolitisch motivierte Einflußnahme nicht als (politische) Bildung anzusehen ist. Medien mit entsprechender politischer Schlagseite sind also nicht als gemeinnützig anerkennungsfähig. Zugegeben: eine solche Prüfung ist aus politischen Gründen vielfach nicht zu erwarten. Und wird auch nicht mehr kommen, wenn erst einmal der Erlass geändert ist.
Non-Profit – die große Mogelpackung
Wird die Änderung des Erlasses zum Gemeinnützigkeitsrecht wie geplant umgesetzt, ist das einzige, was z.B. BILD vom Status der Gemeinnützigkeit trennt, die Gewinnorientierung. Denn nur nicht-gewinnorientierte Medienunternehmen sollen als gemeinnützig anerkannt werden. Das ist natürlich eine große Mogelpackung. Denn dass gemeinnützige Unternehmen keine Gewinne machen dürfen, ist in der Praxis leicht zu umgehen: statt Gewinne auszuschütten, zahlt die sogenannte gGmbH dann eben hohe Gehälter an Gesellschafter-Geschäftsführer, leistet an Gesellschafter Lizenzgebühren wie z.B. für die Überlassung von (Namens)rechten und sonstige Vergütungen für andere Dienstleistungen, zahlt hohe Vergütungen an freie Mitarbeiter, die dann auf anderen Wegen die Gesellschafter zurückfließen, zahlt an andere (befreundete) Organisationen, die dann wiederum den Gesellschafter-Geschäftsführer beauftragen und vergüten, und so weiter. Der Praxis sind da fast keine Grenzen gesetzt.
Ein Beispiel: Im Geschäftsführervertrag von Correctiv-Geschäftsführer Schraven gibt es einen Paragraphen zu seiner Tätigkeit als Publisher. Man fragt sich, ob Gelder für Publisher-Aktivitäten fließen, die im Zusammenhang mit „gemeinnützigen“ Correctiv-„Recherchen“ stehen. Außerdem ist er noch Geschäftsführer eines Correctiv-Tochterunternehmens und tätig für die Bonn Institute gGmbH (siehe oben), bei der Correctiv zwar noch nicht Gesellschafter ist, aber als solcher zugelassen ist. Zur Klarstellung: das ist alles im Regelfall nicht illegal, es zeigt nur, wie leicht es ist, Gelder aus einer gemeinnützigen GmbH zum eigenen Nutzen herauszuziehen.
Gemeinnützigkeitsrecht gehört einer Totalrevision unterzogen
Solche – mittlerweile ins Kraut schießenden – gGmbHs sprechen der eigentlichen Idee von Gemeinnützigkeit Hohn. Das hat nichts mehr zu tun mit den kleinen Sport- oder Naturschutzvereinen und den Menschen, die sich unentgeltlich oder gegen eine kleine Aufwandsentschädigung engagieren, die man vor Augen hat, wenn man an Gemeinnützigkeit denkt. Das gilt natürlich nicht nur für den Bereich Journalismus. Aber hier ist es besonders augenfällig, da es um die direkte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung geht. Das Gemeinnützigkeitsrecht gehört einer Totalrevision unterzogen und auf seinen Kern zurückgestutzt.
Die geplante Änderung des Anwendungserlasses dient ersichtlich dem Zweck, Vorfeldorganisationen der Regierungsparteien Gelder zuleiten zu können und ihnen die Finanzierung durch Spenden und Stiftungen zu ermöglichen. Das widerspricht dem von allen stets hochgehaltenen Postulat der Staatsferne. Wer als Journalist auch nur einen Funken Ehre besitzt, der lässt sich nicht vom Staat finanzieren, auch nicht teilweise. Übrigens lässt man sich auch nicht durch staatliche Werbeanzeigen finanzieren; aber das ist ein anderes Thema (siehe hier oder hier). In der Praxis werden nur solche Medien das Gemeinnützigkeitsprivileg erhalten, die die „richtige“ Haltung transportieren. Der Kampf gegen den politischen Gegner, konkret „gegen Rechts“, soll auch im Bereich Journalismus begünstigt werden.
Es steht jedoch Behörden nicht an, Meinungen als gut/schlecht oder falsch/richtig zu bewerten und daran Privilegien wie die Gemeinnützigkeit zu knüpfen. Aber selbst wenn auch Medienunternehmen mit „nicht-richtiger Haltung“ in den Genuss des Gemeinnützigkeitsprivilegs kämen: Wer Informationen aussucht, bearbeitet, kommentiert und das dann verbreitet, will Einfluss nehmen und handelt eigennützig. Journalismus ist grundsätzlich nicht gemeinnützig.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk – kein gutes Beispiel für Gemeinnützigkeit
Gemeinnützigkeits-Befürworter verweisen gerne auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Doch der ist ein abschreckendes und zugleich untaugliches Beispiel für angeblich gemeinnützigen Journalismus. Er wird deshalb von Gesetzes wegen als gemeinnützig eingestuft, weil er seiner Idee nach allen Meinungen Raum geben muss und gesellschaftlich kontrolliert ist. Dass dies in der Praxis nicht der Fall ist, ist eine andere Sache. Die Medienunternehmen, um die es bei der Neuregelung im Anwendungserlass geht, bieten jedoch weder allen Meinungen Raum noch sind sie gesellschaftlich kontrolliert; ihre Eigentümer (= Gesellschafter) bestimmen, welche Meinungen Gehör finden. Insofern gilt: Private Medienunternehmen, die Berichterstattung und Meinungsäußerung, also Journalismus betreiben, sind unabhängig von ihrer Gewinnorientierung nicht gemeinnützig. Und das Bundesfinanzministerium muss von seiner gesetzeswidrigen Neuregelung Abstand nehmen.
Ansgar Neuhof, Jahrgang 1969, ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin.