Uwe Jochum, Gastautor / 17.04.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 41 / Seite ausdrucken

Coronaexperten-Ranking: Wo bleibt Lauterbach?

Seit über einem Jahr verfolgt uns ein Virus, dessen Bedrohlichkeit immer wieder in Zahlen beschworen wird, vom R-Wert bis zur Sieben-Tage-Inzidenz. Es sind Zahlen, deren Erhebung und Interpretion die Gesellschaft spalten, ohne dass eine medial und politisch vermittelte Debatte über das Pro und Contra der verschiedenen Auslegungen zustande käme. Dieser notwendige Vermittlungsprozess ist vielmehr blockiert, seitdem die Politik und die Altmedien einseitig auf eine Katastrophenrhetorik setzten, die jede andere Sicht auf die viralen Dinge als einen Fall von "Corona-Leugnung" denunziert. Befeuert werden sie dabei von Wissenschaftlern, die ihre Interpretation von Sars-CoV-2 als eines hochgradig letalen Virus mit viel politmedialer Unterstützung dadurch zum Dogma zu erheben versuchen, dass sie all jene Wissenschaftler, die anderer Meinung sind, als "Pseudoexperten" stigmatisieren.

Christian Drosten hat dieses Stigmatisierungsspiel in seinem NDR-Podcast vom 30. März in exemplarischer Weise gespielt, als er für seine Interpretation der viralen Dinge nicht nur den Status der "Mehrheitsmeinung" reklamierte, sondern seine wissenschaftlichen Kontrahenten kurzerhand in die Ecke der fachfremden Pensionisten stellte, deren Urteil daher nicht ernst zu nehmen sei: "Pseudoexperten" eben. Dass dieses Stigmatisierungsspiel mit Wissenschaft nichts zu tun hat, ist da und dort auch einer breiteren Öffentlichkeit aufgefallen und entsprechend kritisiert worden. Das wird aber Drosten und andere nicht davon abhalten, ihre wissenschaftliche Reputation weiterhin gegen die Reputation ihrer Gegner auszuspielen, zumal sie dafür innerhalb des Wissenschaftssystems, aber auch von Politik und Medien reichlich Gratifikationen erhalten: in Form von Wissenschaftspreisen, medialer Aufmerksamkeit, Sendezeit und Orden.

Höchste Zeit daher, sich diese Reputation einmal genauer anzuschauen. Wir wollen uns dazu auf den methodischen Standpunkt stellen, dass nicht nur das komplexe Phänomen des Coronavirus sich durch einfache Zahlen beschreiben lässt, wie Drosten mehrfach behauptete, sondern dass auch das Renommee von Wissenschaftlern durch Ziffern angegeben werden kann. Tatsächlich gehört die zahlenförmige Beschreibung der Reputation und Leistungsfähigkeit eines Wissenschaftlers seit Jahren zum akademischen Geschäft und nennt sich "Ranking".

So wird etwa für jede Neubesetzung einer universitären Professur, vor allem in den naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächern, seit langem geschaut, wie viel ein Bewerber publiziert hat und wie diese Publikationen rezipiert – und das heißt: wie oft sie zitiert – wurden. Dazu bedient man sich u.a. des „Web of Science" (WoS), der weltgrößten Datenbank, in der Fachaufsätze aus Medizin, Technik und Naturwissenschaften nachgewiesen und statistisch aufbereitet werden. Diese Datenbank gibt auch uns die Möglichkeit, zu überprüfen, wie es um den Status all jener wissenschaftlichen Akteure bestellt ist, die Drosten so gerne in orthodox-dogmatische Mehrheitsmeiner und häretische Minderleister aufteilen möchte.

In der nachfolgenden Liste finden Sie daher die aus dem WoS mit Stand vom 15. April 2021 gezogenen Publikationskennzahlen zu einer Auswahl wissenschaftlicher Akteure, die im vergangenen Jahr in der Debatte um "Corona" eine mediale und politische Rolle gespielt haben. Dazu gehören mit Martin Kulldorff, Sunetra Gupta und Jay Bhattacharya auch die drei Initiatoren der „Great Barrington Declaration", die Christian Drosten in seinem NDR-Podcast öffentlich als "eine ganze Gruppe von Pseudoexperten" abgekanzelt hat. Aufgenommen in die Liste habe ich auch Karina Reiß, die als Ehefrau von Sucharit Bhakdi und als coronadissidente Professorin an der Universität Kiel bekannt wurde. Alle anderen Personen sollten ohne weitere Erklärungen hinlänglich bekannt sein.

Gebrauchsanleitung

Für all jene, die mit den Fragen des Wissenschaftsrankings noch nicht vertraut sind, hier zunächst ein kleine Gebrauchsanweisung.

Die Einträge beginnen immer mit der Nennung des Fachgebiets, für das die betreffende Person habilitiert ist bzw. das sie an der Universität vertritt. Diese Angaben sind nicht dem WoS entnommen, sondern der Website der jeweiligen Institution oder der Wikipedia.

Die erste Zahl, die bei jeder Person sodann genannt wird, ist die der Publikationen, an denen sie beteiligt war. „Beteiligt" bedeutet: Da in den naturwissenschaftlich-medizinischen Fächern die Forschung zumeist in Labors als Teamarbeit stattfindet, sind auch die Veröffentlichungen Teamarbeit, d.h. es ist nicht selten, dass an einem Aufsatz zehn bis zwanzig Personen beteiligt waren und als Autoren aufgeführt werden.

Zur Beurteilung dieser Zahl von personellen Beteiligungen sollten Sie wissen, dass aufstrebende Wissenschaftler davon profitieren, wenn sie zusammen mit namhaften Wissenschaftlern einen Aufsatz publiziert haben. Das gilt zumal für die Laborteams an Universitäten, wo der Lehrstuhlinhaber mit seinem ruhmreichen Namen in der Autorenliste dafür sorgt, dass ein von seinen Doktoranden oder Assistenten verfasster Aufsatz die gebührende Aufmerksamkeit erhält. Er selbst ist dann zwar nur Mitfahrer im Teambus, kommt aber zusammen mit dem Team ans Ziel: Er kann sich eine zusätzliche Veröffentlichung ans Revers stecken, und das im bequemsten Fall ohne nennenswerte Eigenarbeit. Die schreibenden Teammitarbeiter freut das dennoch, weil sie sich als No-names durch den bekannten Namen wissenschaftlich gefödert fühlen dürfen.

Da man auf diese Weise aber nur schwer einschätzen kann, wieviele der an einer Publikation beteiligten Autoren denn nun real etwas Wesentliches dazu beigetragen haben, hat es sich eingebürgert, jenen Autor an erster Stelle zu nennen, der die grundlegende Idee hatte, das schreibende Autorenteam also inspirierte und bei der Stange hielt. "Eingebürgert" heißt: Es ist oft so, muss aber nicht so sein. Trotz dieser Unschärfe ist es hilfreich, dass das WoS bei jedem Autor nicht nur die Anzahl seiner Publikationsbeteiligungen nennt, sondern auch, in wieviel Fällen er an erster Stelle der Autorenliste genannt wurde. Diese Angabe wird im WoS in Prozent gemacht; ich folge dem, ergänze aber hinter der Prozentzahl die absolute Zahl der Veröffentlichungen, bei denen die betreffende Person „Primärautor" war, also an erster Stelle als Autor genannt wird.

Mehrjährige Lücken bei Lauterbach

Für die Beurteilung der Kreativität eines Wissenschaftlers darf man nicht auf die schiere Anzahl der Schreibbeteiligungen schauen, sondern muss das Verhältnis von Beteiligungen zu Primärautorschaft beachten. Sind beide Zahlen hoch, handelt es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um einen kreativen Kopf, der etwas mitzuteilen hat und andere ansteckt und inspiriert. Hat die betreffende Person an vielen Aufsätzen zwar mitgewirkt, aber prozentual nur wenige als Primärautor verantwortet, handelt es sich wohl eher um einen Wissenschaftsmanager, dessen Kreativität vorzüglich darin besteht, bei anderen Kreativen mitzumachen und von ihnen zu profitieren.

Erfasst wird im WoS auch der sogenannte "Hirsch-Index" (H-Index), der nach seinem Erfinder Jorge E. Hirsch benannt ist. Wir müssen hier nicht die Berechnung dieser Zahl erklären, es genügt für unsere Zwecke zu wissen, dass ein Wissenschaftler als um so erfolgreicher gilt und einen um so höheren Status hat, je höher diese Zahl ist. Um Ihnen eine etwas präzisere Einschätzung dieser trockenen Ziffer zu ermöglichen, setze ich eine Erklärung aus der Wikipedia hierher:

"Laut Hirsch sei ein H-Index von 20 nach 20 Jahren Forschungsaktivität das Zeichen eines erfolgreichen Wissenschaftlers. Ein H-Index von 40 nach 20 Jahren Forschungsaktivität zeige den außergewöhnlichen Wissenschaftler an, der wahrscheinlich nur in Top-Universitäten und großen Forschungslabors gefunden werden könne. Einen H-Index von 60 und höher nach 20 Jahren Forschungsaktivität wiesen laut Hirsch nur einzigartige Persönlichkeiten auf."

Da die Berechnung des H-Index eines Wissenschaftlers nicht nur von der Anzahl seiner Veröffentlichungen abhängt, sondern vor allem davon, wie oft seine Arbeiten von anderen Wissenschaftlern zitiert wurden, gibt das WoS auch die Anzahl dieser Zitate als Summe über alle Jahre an, in denen Arbeiten des betreffenden Wissenschaftlers in der Datenbank verzeichnet wurden. Je häufiger jemand zitiert wird und also als Referenzpunkt für andere Wissenschaftler dient, desto höher ist seine Reputation. Aber Vorsicht: Das bezieht sich immer auf die von Autorenkollektiven verfassten Publikationen, steht daher nicht in direkter Korrelation zu dem, was ein Wissenschaftler in seinem Fach originär geleistet hat. Sie finden in der Liste diese Summe der Zitierungen unter dem Eintrag „Von wievielen Artikeln zitiert“.

Natürlich ist es für die Einschätzung einer wissenschaftlichen Karriere durchaus auch relevant, wie lange schon und wie kontinuierlich jemand als Wissenschaftler publiziert. Ich gebe daher ebenfalls an, in welchem Jahr im WoS zum ersten Mal eine Publikation der betreffenden Person nachgewiesen wurde. Und ich nenne auch das letzte Jahr, in dem die betreffende Person lt. WoS einen wissenschaftlichen Beitrag veröffentlicht hat (in Klammern finden Sie die Anzahl der Publikationen aus dem genannten letzten Publikationsjahr). Auf diese Weise lässt sich sehr leicht sehen, was an dem Vorwurf dran ist, die Gruppe der Wissenschaftshäretiker bestünde nur aus Minderleistern und akademischen Pensionären, die fachwissenschaftliche längst abgeschrieben seien.

An dieser Stelle ist eine kleine Ergänzung zu Karl Lauterbach nötig. Die letzte im WoS von Lauterbach nachgewiesene Publikation stammt aus dem Jahr 2019. Davor gibt es aber mehrjährige Lücken, d.h. man muss in die Jahre 2014 und 2011 zurückgehen, um in diesen beiden Jahren jeweils eine Publikation von Lauterbach zu finden. Seine wissenschaftlich produktive Phase fällt daher in die Jahre von 2000 bis 2010. Seit dieser Zeit, so sagt es uns das WoS, ist es wissenschaftlich still um ihn geworden.

Und nun die Liste der Kandidaten, exemplarisch nach H-Index (abfallend) geordnet:

 

• Ioannidis, John P.A.

Medizin, Epidemiologie

Beteiligt an 552 Publikationen

Primärautor: 31 Prozent (171)

H-Index: 123

Von wievielen Artikeln zitiert: 88302

Erste Publikation erfasst: 1994

Letzte Publikation: 2021 (8)

 

• Drosten, Christian

Virologie

Beteiligt an 387 Publikationen

Primärautor: 5 Prozent (19)

H-Index: 81

Von wievielen Artikeln zitiert: 34311

Erste Publikation erfasst: 1999

Letzte Publikation: 2021 (7)

 

• Bhakdi, Sucharit

Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie

Beteiligt an 288 Publikationen

Primärautor: 31 Prozent (89)

H-Index: 67

Von wievielen Artikeln zitiert: 14095

Erste Publikation erfasst: 1969

Letzte Publikation: 2021 (1)

 

• Kulldorff, Martin

Medizin, Biostatistik

Beteiligt an 148 Publikationen

Primärautor: 15 Prozent (22)

H-Index: 55

Von wievielen Artikeln zitiert: 11871

Erste Publikation erfasst: 1993

Letzte Publikation: 2021 (5)

 

• Streeck, Hendrik

Virologie

Beteiligt an 127 Publikationen

Primärautor: 17 Prozent (21)

H-Index: 40

Von wievielen Artikeln zitiert: 6892

Erste Publikation erfasst: 2005

Letzte Publikation: 2021 (3)

 

• Reiß, Karina

Biochemie

Beteiligt an 65 Publikationen

Primärautor: 14 Prozent (9)

H-Index: 37

Von wievielen Artikeln zitiert: 6097

Erste Publikation erfasst: 2002

Letzte Publikation: 2021 (1)

 

• Schmidt-Chanasit, Jonas

Virologie

Beteiligt an 184 Publikationen

Primärautor: 9 Prozent (16)

H-Index: 36

Von wievielen Artikeln zitiert: 5578

Erste Publikation erfasst: 2007

Letzte Publikation: 2021 (4)

 

• Bhahattacharya, Jay

Medizin

Beteiligt an 118 Publikationen

Primärautor: 10 Prozent (12)

H-Index: 26

Von wievielen Artikeln zitiert: 2009

Erste Publikation erfasst: 2006

Letzte Publikation: 2021 (3)

 

• Meyer-Hermann, Michael

Infektiologie

Beteiligt an 104 Publikationen

Primärautor: 15 Prozent (15)

H-Index: 25

Von wievielen Artikeln zitiert: 2507

Erste Publikation erfasst: 2006

Letzte Publikation: 2021 (8)

 

• Betsch, Cornelia

Psychologie

Beteiligt an 69 Publikationen

Primärautor: 51 Prozent (35)

H-Index: 23

Von wievielen Artikeln zitiert: 1845

Erste Publikation erfasst: 2006

Letzte Publikation: 2021 (4)

 

• Brinkmann, Melanie

Virologie

Beteiligt an 59 Publikationen

Primärautor: 14 Prozent (8)

H-Index: 22

Von wievielen Artikeln zitiert: 2697

Erste Publikation erfasst: 1999

Letzte Publikation: 2021 (4)

 

• Gupta, Sunetra

Epidemiologie

Beteiligt an 83 Publikationen

Primärautor: 5 Prozent (4)

H-Index: 20

Von wievielen Artikeln zitiert: 1732

Erste Publikation erfasst: 2004

Letzte Publikation: 2021 (3)

 

• Lauterbach, Karl

Gesundheitsökonomie, Epidemiologie

Beteiligt an 111 Publikationen

Primärautor: 16 Prozent (17)

H-Index: 19

Von wievielen Artikeln zitiert: 1718

Erste Publikation erfasst: 1988

Letzte Publikation: 2019 (1)

 

• Priesemann, Viola

Physik

Beteiligt an 35 Publikationen

Primärautor: 20 Prozent (7)

H-Index: 17

Von wievielen Artikeln zitiert: 1275

Erste Publikation erfasst: 2009

Letzte Publikation: 2021 (4)

 

• Kekulé, Alexander S.

Mikrobiologie, Virologie

Beteiligt an 49 Publikationen

Primärautor: 18 Prozent (8)

H-Index: 14

Von wievielen Artikeln zitiert: 1262

Erste Publikation erfasst: 1989

Letzte Publikation: 2017 (2)

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Klaus Müller / 17.04.2021

Sie vergleichen hier Äpfel mit Birnen. Praktizierende Ärzte (z.B. Frau Brinkmann) oder Politiker (z.B. Herr Lauterbach) mit Vollzeitforschern zu vergleichen ergibt nicht all zu viel Sinn.

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