Christian Drostens zunehmend gereizter Tonfall und die dünnhäutige Reaktion auf kritische Veröffentlichungen und Reaktionen auf "X" zeigen, wie sehr die Unantastbarkeit des Corona-Hohepriesters schwindet.
Blickt man zur Frage der Corona-Aufarbeitung in Deutschland auf 2024 zurück, sind die RKI-Protokolle – zunächst in geschwärzter Fassung und unvollständig, dann dank eines Leaks nicht nur ungeschwärzt und vollständig, sondern mit Zusatzmaterial und internem wie externem E-Mail-Verkehr – wohl das Thema des Jahres gewesen.
Zum einen haben diese – hier indirekt und nur andeutungsweise, da explizit und umfänglich – als auch RKI-internes Wissen bestätigt, was Kritikern von Anfang an klar war, weil es sich stets mit offiziellen bis amtlichen Quellen belegen ließ:
Erstens: Soweit mit Corona überhaupt ein reales Krankheitsgeschehen assoziiert war, so entsprach es lediglich einem Anteil an den jährlich üblichen Erkältungswellen. Damals wie heute ging und geht dies ohne jeden Zweifel aus den seit jeher öffentlich zugänglichen RKI-Influenza-Wochenberichten sowie den Epidemiologischen Bulletins hervor. In einem Dokument aus dem Herbst 2020 hatte das RKI sogar zugegeben, dass Corona mit den Mitteln der traditionellen Seuchenüberwachung auf Bevölkerungsebene überhaupt nicht wahrnehmbar ist. (Siehe: hier und hier.)
Zweitens: „Wahrnehmbar“ wurde Corona überhaupt erst durch die anlasslose Massentestung gesunder Personen mit dem überaus schlechten Drosten-PCR-Test, dadurch, dass gesunde, aber positiv getestete Menschen RKI- und WHO-konform als „Corona-Fälle“ gezählt wurden, was sich mit Drostens folgenreicher Schnapsidee von der „asymptomatischen Erkrankung“ rechtfertigte. Es lässt sich problemlos zeigen, dass das, was das RKI in seinem Epidemiologischen Lexikon als „Pseudoepidemie“ definiert und Drosten in seinem WirtschaftsWoche-Interview von 2014 am Beispiel von MERS kritisch durchdekliniert, bei Corona 2020 ff. Schritt für Schritt – wie nach Drehbuch – genauso von RKI und Drosten durchexerziert wurde: eine sich mit einem realen Seuchen-Geschehen verwechselnde Test- bzw. Laborpandemie.
Drittens: Angesichts eines realen Erkältungsgeschehens und einer irrealen Pseudopandemie können die grundrechtsverletzenden Maßnahmen (Lockdowns, Maskenpflichten, Ausgangssperren, Schulschließungen, Isolation der Alten, einrichtungsbezogene Impfpflichten und indirekter Impfzwang per 3G, 2G und 1G usw.) nicht nötig, nicht erforderlich, nicht zielführend und nicht verhältnismäßig gewesen sein. Abgesehen von den massiven „Kollateralschäden“ für die Bürgerrechte oder die Rechtsstaatlichkeit schlechthin, den negativen Auswirkungen aufs zwischenmenschliche Zusammenleben und die Psyche großer Bevölkerungsteile dürften die meisten Maßnahmen auch hinsichtlich der physischen Gesundheit weitaus mehr Schaden als Nutzen angerichtet haben.
Zum anderen hat sich das RKI in den geleakten Protokollen als eine Behörde gezeigt, deren offizielle Verlautbarungen politischen Weisungen auch dann folgten, wenn diese den internen wissenschaftlichen Erkenntnissen zuwiderliefen. Das mag für sich zwar kein Skandal sein, denn – so die Beschwichtigungsversuche des publizierenden und politischen Mainstreams –, dass das Gesundheitsministeriums dem RKI gegenüber weisungsbefugt ist, sei doch immer klar gewesen. Nur löst sich damit der Skandal ja nicht auf, dass die Amts- und Verwaltungsgerichte sowie das Bundesverfassungsgericht Verlautbarungen des RKI in ihren Verfahren immer so behandelt haben, als handelte es sich bei ihnen um die Gutachten unabhängiger sachverständiger Dritter. In der Konsequenz haben die Gerichte die jeweiligen Corona-Maßnahmen des Staates also nicht überprüft, sondern durchgewunken, was gemessen am Selbstverständnis bürgerlicher Rechtsstaatlichkeit dann sehr wohl ein aufarbeitungswürdiger Skandal ist. Die angemessene Resonanz blieb freilich bisher aus.
„Aufarbeitung“ a la Buyx und Lauterbach
Für Täter wie Karl Lauterbach und Alena Buyx heißt „Aufarbeitung der Corona-Zeit“, nach und nach zuzugeben, dass zwar die eine oder andere Maßnahme im Nachhinein vielleicht überzogen war, sich gleichzeitig aber damit zu rechtfertigen, dass man „hinterher immer schlauer“ sei, es daher nicht um gegenseitige Schuldzuweisungen ginge, sondern darum, Wunden zu heilen und für die Zukunft zu lernen. Alle Pandemie-Akteure hätten es sich auf der Basis je unvollkommenen Wissens innerhalb eines dynamischen Geschehens mit dem Abwägen des Für und Wider dieser oder jener Maßnahme nie leicht gemacht, weshalb die einzige wirkliche (Selbst-)Kritik (und damit dann doch eine Schuldverschiebung auf andere) den Versäumnissen der Datenerhebung zu gelten hätte.
Dem wäre nicht nur unmissverständlich entgegenzuhalten, dass man zu jeder Zeit sehr wohl alles Nötige hätte wissen können und bestimmte Formen der Datenerhebung von den Verantwortlichen (Beispiel: Paul-Ehrlich-Institut) ja gerade bewusst und systematisch hintertrieben wurden (siehe z.B. mein Buch: „Was man wann wissen konnte“), sondern auch – ebenso schwerwiegend und folgenreich –, dass sich Politik, Wissenschaft, Medien und Justiz offenbar auf eine Umkehr der traditionellen Beweislast verständigt hatten: Denn mit der nun als Rechtfertigung vorgebrachten damaligen Unwissenheit oder Datenunsicherheit zur Gefährlichkeit des Virus oder der erwartbaren Wirksamkeit einer Maßnahme hätte man solche gar nicht erst beschließen, gar gerichtlich durchwinken dürfen. Evidenz hätte gerichtlich nicht gegen, sondern für die Maßnahmen vorliegen oder vorgebracht werden müssen. Wenn etwas Schadenspotenzial hat – und das wurde von den Befürwortern nie bestritten –, muss das Überwiegen eines erwartbaren Nutzens außer Zweifel stehen und entsprechend akribisch nachgewiesen sein. Aber nicht einmal im Nachhinein war ja der vom Bundestag zwecks Maßnahmenevaluation eigens eingerichtete Expertenrat in der Lage, auch nur für eine einzige Maßnahme die Evidenz ihrer Wirksamkeit nachzuweisen (hier der entsprechende Bericht vom 30.6.2022).
Nochmals: Ursprünglich hatte der Gesetzgeber hohe Hürden der Beweispflicht vorgesehen, um Grundrechte (als zu schützendes Gut) einschränken zu können. Wer sich damit herausredet, es nicht besser gewusst zu haben, gibt damit zu, Grundrechte auf Basis von Nicht-Wissen und Unsicherheit, und damit rechtswidrig, außer Kraft gesetzt zu haben.
Entweder ist man so „unhöflich“, Lauterbach und Buyx derart in die Enge zu treiben und nicht mehr herauszulassen – warum aber sollten Lauterbach und Buyx an einem solchen Setting freiwillig teilnehmen, sich einer peinlichen Befragung stellen? Oder man tritt ihnen bei runden Tischen und Bürgergesprächen höflich und respektvoll gegenüber – dann kommen sie und breiten ihre Ablenkungsmanöver und Ausreden aus, womit der „Austausch“ keinen Sinn mehr macht und das Zuhören und Zusehen für jeden, der bei Verstand ist, zur Qual wird (siehe die Hart-aber-fair-Sendung vom 18.11.24 mit Lauterbach und Buyx oder diesen „Runden Tisch“ vom 8.12.24 mit Buyx).
„Drosten besorgt“ (Tagesspiegel)
Viel mehr Freude bereitet dagegen, zu beobachten, welch rauer Wind Christian Drosten als einem der Hauptverantwortlichen für den Corona-Ausnahmezustand mittlerweile auf Twitter/X entgegenschlägt und wie dünnhäutig – möglicherweise geradezu ängstlich – der Starvirologe zunehmend agiert.
Drosten war im Juli 2022 auf Twitter/X abgetaucht. Ende November 2024 wurde der Account plötzlich wieder aktiviert. Hintergrund ist Trumps Wahlsieg Anfang November und die Nominierung von Robert F. Kennedy Jr. zum Gesundheitsminister der USA und Jay Bhattacharya zum Leiter des Nationalen Gesundheitsinstituts (NIH).
Die Journalistin Aya Velázquez, seinerzeit maßgeblich am RKI-Leak beteiligt, hat Trumps Nominierung von Jay Bhattacharya zum Anlass genommen, den deutschen Starvirologen und Maßnahmen-Hardliner Christian Drosten ein wenig aus der Reserve zu locken und ihr kürzlich geführtes Interview mit Bhattacharya zu teilen:
„Huhu @c_drosten, schon gesehen, wer in den USA zum neuen NIH-Direktor nominiert worden ist? Richtig – der Mann, den Sie als Lügner und Pseudoexperten verunglimpft haben. Ich habe Neuigkeiten für Sie: Das hat er nicht vergessen. Mein Interview mit @DrJBhattacharya vor zwei Monaten: …“ (hier)
Und Drosten ist tatsächlich darauf angesprungen, obwohl er auf Twitter/X zuvor ruhig geworden war und sonst eigentlich nicht mit Kritikern spricht, sondern die Auseinandersetzung mit Journalisten bevorzugt, die ihn anhimmeln – Indiz dafür, dass er die Nominierung von Bhattacharya durchaus ernst nimmt und es nicht für völlig abwegig hält, diese auf ihn zu beziehen. Drosten jedenfalls antwortet:
„Wissen Sie, es gibt so manche, die sich damals mit groben Fehleinschätzungen positioniert haben und es später nicht fertigbrachten, sich zu korrigieren. Das ist Psychologie. Diese Personalie ist Politik. Es ist aber nicht so, dass mich das irgendwie betrifft, falls Sie das hoffen.“
Dies wiederum provozierte nicht nur einen NIUS-Artikel, sondern auch unzählige „X“-Beiträge reichweitenstarker Accounts zu den leicht nachweisbaren „Irrtümern“ und Unwahrheiten, die Drosten bis heute nicht korrigierte. Auch nahm sich zum Beispiel Dr. Simon Goddek (über 950.000 Follower auf „X“) der Sache an, um in englischer Sprache Drostens Wirken auch international bekannter zu machen (was bei über eine Millionen Views für den folgenden Post durchaus gelang):
„Meet @c_drosten, the German virologist who not only labeled @DrJBhattacharya a “pseudo-expert” but without whom there almost certainly would have been no pandemic. Think Fauci is the most evil? Hold your beer—this man is much worse!“
Sogar der Tagesspiegel titelte am 29.11. in dem Zusammenhang: „Drosten besorgt über Nominierung: Trump macht Lockdown-Kritiker zum Gesundheitschef. […] Der hegt nicht nur einen Groll auf Christian Drosten – er möchte am liebsten sämtliche Pandemie-Verantwortlichen feuern.“
Schließlich schaltete sich auch Drostens Virologen-Kollege, der etwas moderatere Corona-Mitläufer Jonas Schmidt-Chanasit, in die Twitter/X-Diskussion um die Nachweise von Drostens Verfehlungen und seine heutigen Lügen über diese am Beispiel der Kinderimpfung ein.
Und während Drosten in seiner Antwort auf Velázquez noch um zur Schau gestellte Gelassenheit bemüht war, spricht aus seiner Reaktion auf Schmidt-Chanasit eine Nervosität, die man vom ihm so bisher kaum kennt:
„Es tut mir leid, aber es geht so nicht mehr. Ihr Verhalten muss hier jetzt einfach einmal kommentiert werden. Weder ich noch die Leopoldina-Kollegen haben sich gegen die Stiko gestellt, auch wenn Sie das noch so gern behaupten wollen. […] Sie konstruieren hier am Schreibtisch mit drei Jahren Zeitabstand einen Vorwurf, der keinerlei Grundlage hat. Ihre Claqueure, die Sie dank der jahrelangen Stichelei und den Algorithmen auf dieser Plattform um sich versammelt haben, verschaffen Ihnen sicherlich ein Gefühl der Bestätigung. Aber machen auch Sie sich klar: diese Plattform ist nicht die Wirklichkeit. Ihr Verhalten ist hinterhältig, nicht nur den Kolleginnen, sondern insbesondere auch der Öffentlichkeit gegenüber. […] Und unterlassen Sie es bitte in Zukunft, meine Aussagen zu simplifizieren und zu verfälschen.“
Getroffene Hunde bellen – Es ist nicht nur der gereizte Tonfall, sondern auch die Beschwörung der Banalität, dass X nicht die Welt sei, während man zugleich selber von X nicht lassen kann und die Verschwörungstheorie von den ominösen Twitter/X-Algorithmen bemüht, über die Julian Reichelt kürzlich alles gesagt hat, worin sich zeigt, wie sehr Drosten – auch seiner eigenen Wahrnehmung nach – jene öffentliche Unantastbarkeit verloren hat, an der er sich so lange laben konnte.
Dies ist zumindest eine kleine Freude, während Deutschland im Ganzen bis auf Weiteres ein Corona-Tollhaus bleibt: Als hätte man sich in Sachsen-Anhalt einen Song der deutschen Punkband Slime („Legal, illegal, scheißegal“) zum Motto genommen, verlängern die Regierenden dort am 19.12. die „Corona-Notlage“ für 2025. „In NRW ist wegen einer Affenpocken-Infektion eine Schule geschlossen worden. Die Kinder erhalten digitalen Unterricht.“ (Berliner Zeitung, 16.12.24) „ 22 Monate für Dr. Walter Weber“, weil er versuchte, Patienten vor der Impfung zu bewahren (9.12.24).
Dies & Das
Beenden wir diesen Ticker mit einer losen (und unvollständigen) Auflistung dessen, was sich in Sachen „Aufarbeitung der Coronakrise“ in den letzten Wochen noch so zugetragen hat:
Mehrheit für Aufarbeitung: Laut einer Umfrage der ZEIT in Kooperation mit dem Meinungsforschungsinstitut Infas (19.12.) spricht sich eine Mehrheit der Bevölkerung (55 Prozent) dafür aus, „die Coronapandemie besser auf[zu]arbeiten". Während 62 Prozent der Arbeiter für eine Aufarbeitung sind, halten 82 Prozent der Akademiker eine solche für überflüssig.
Untersuchungsausschuss: Am 4.12. publizierte das US-amerikanische Repräsentantenhaus seinen Bericht zum Corona-Untersuchungsausschuss, der mit Maßnahmen wie Lockdowns und Maskenpflichten abrechnet. Wiewohl die Impfung darin viel zu gut wegkommt, stimmt im Großen und Ganzen, was Die Welt dazu am 5.12. schreibt: „Das Papier ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Vernunft – und zeigt, wie falsch Wissenschaftler wie Drosten lagen.“
Impfchargen-Roulette: „Wie der Anwalt Tobias Ulbrich auf seinem X-Account vor kurzem als Erster berichtete, hat das Paul-Ehrlich-Institut, kurz PEI, Ende November nun klammheimlich und für alle überraschend einen riesigen Datensatz zu den gemeldeten Nebenwirkungen der „Corona-Impfstoffe“einschließlich der jeweils zugehörigen Chargennummern veröffentlicht.“ Der Datensatz bestätig die angebliche Verschwörungstheorie vom „Impfchargen-Roulette“. (Andreas Zimmermann auf Achgut)
Zur Verurteilung des Weimarer Familienrichter Christian Dettmar hat Milosz Matuschek am 1.12. einen lesenswerten Artikel geschrieben, der zur Lektüre empfohlen sei: hier.
Thomas Maul ist Autor des Buches „Was man wann wissen konnte. Hinweise zur Aufarbeitung der Corona-Verbrechen“ (Amazon | Buchkomplizen).