Gastautor / 05.01.2023 / 14:00 / Foto: Raimond Spekking / 19 / Seite ausdrucken

Corona als Kirchenspaltung

Von Klaus Buchenau.

Was passiert, wenn sich Gesellschaften spalten, und wie können sie sich dann weiterentwickeln? Ein Historiker betrachtet unsere durch Corona-Politik gespaltene Gesellschaft im Spiegel eines historischen Beispiels, des russischen raskól.

Funktionierende Demokratien basieren auf einem kulturellen Schatz, der sich nicht käuflich erwerben lässt – dem Vertrauen in Institutionen. Wo diese kontinuierlich entstanden sind, die Gesellschaft auf ihre Entwicklung Einfluss nehmen konnte und sich mit ihnen identifiziert, gelten Regeln als legitim und werden auch ohne Zwang befolgt. Hier kann sich der Rechtsstaat etablieren, in dem demokratisch erlassene Regeln die Herrschenden ebenso binden wie die Beherrschten. (1) Notstandsregularien belasten, wie wir in der Coronakrise gesehen haben, das Institutionenvertrauen stark, weil der Dialog über die Formulierung und Durchführung von Regeln zwischen Gesellschaft und Staat leidet.

Rigorose, intransparente und großenteils ohne Mitwirkung der gewählten Volksvertreter getroffene Entscheidungen nagen an den Grundlagen des Sozialvertrags; der autoritär handelnde Staat sucht einen Ausweg aus dem Dilemma, indem er per Katastrophenrhetorik statt Bürgern jetzt „Gläubige“ anspricht, die auch die radikalsten und rechtlich zweifelhaftesten Schritte mitzugehen bereit sind, nachdem ihnen ein einziges, maximale Angst einflößendes Narrativ der Krise als „wahr“, alle anderen dagegen als „fake“ präsentiert wurden. Doch in einer an demokratische Freiheiten gewöhnten Gesellschaft finden sich immer Menschen, die ihren eigenen Kopf behalten wollen. Der im Katastrophismus gefangene Staat sieht sich außerstande, die Gläubigen und die Distanzierten gleichzeitig zu bedienen, verfemt die Distanzierten und spricht nur noch zu den Gläubigen – und schon ist die Spaltung da.

Unsere Gesellschaft steht in dieser Entwicklung noch ganz am Anfang, schließlich haben wir bislang „nur“ zwei Jahre im pandemi(sti)schen Ausnahmezustand gelebt. Allerdings wird die Spaltung, die hier ihren Lauf genommen hat, mit dem „Ende der Pandemie“ möglicherweise nicht aufhören. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Frontstellung zwischen den Vertrauenden und den Misstrauischen auf andere Themen übertragen wird, etwa auf außenpolitische oder kulturelle Fragen. Auch im Debattenfeld Medizin wird die Spaltung wohl weitergehen. Denn der Hinauswurf abweichender medizinischer Stimmen durch die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht dürfte scheitern, wenn sich die vielen, nur unter massivem Druck oder nur zum Schein Geimpften für das gefühlte Unrecht rächen. Außerdem gibt es auch noch uns, die Patienten, die wir sicherlich nicht über Nacht alle zu Anhängern der neuen „experimentierfreudigen“ und dabei autoritären Schulmedizin geworden sind. Glücklicherweise können wir in die Geschichte schauen, um anhand längst vergangener Beispiele besser zu verstehen, wie sich gesellschaftliche Spaltung langfristig auswirken kann.

Und damit wären wir beim raskól – das Wort bedeutet im Russischen nichts anderes als „Spaltung“. Als historischer Terminus bezieht es sich auf eine Spaltung der Russisch-Orthodoxen Kirche, die Mitte des 17. Jahrhunderts aufbrach und bis heute nicht überwunden ist. Bei diesem frühneuzeitlichen Glaubenskampf ging es um Dinge, für die heute nur wenige Leib und Leben riskieren würden. Patriarch Nikon, das Oberhaupt des Moskauer Patriarchats, beschloss 1653 eine umfangreiche Überprüfung der liturgischen Bücher und der gottesdienstlichen Praxis – seine Begründung waren vermeintliche Abweichungen vom byzantinischen Original, welche sich über die Jahrhunderte durch Unachtsamkeit, mangelnde Bildung und Abschreibefehler in der russischen Praxis ergeben hätten. Ein Abgleich mit der griechischen Überlieferung, wie sie das Patriarchat von Konstantinopel hütete, sollte hier Abhilfe schaffen und die Kirche ad fontes zurückführen. Ganz nebenbei wollte Nikon mit seiner Reform auch seine eigene Bedeutung unterstreichen und sich als kraftvolle Persönlichkeit neben dem russischen Zaren Aleksej Michailovič profilieren. (2)

Es ging anscheinend um Kleinigkeiten

Für säkulare Menschen, aber auch Angehörige der westlichen Kirchen ist nicht leicht nachzuvollziehen, wie aus den sogenannten Nikonianischen Reformen eine nicht nur religiöse, sondern auch gesellschaftliche Spaltung werden konnte. Es ging anscheinend um Kleinigkeiten, etwa darum, ob man sich besser mit zwei oder mit drei Fingern bekreuzigen sollte. Patriarch Nikon erteilte der russischen Sitte, dies mit zwei Fingern zu tun (womit die duale göttlich-menschliche Natur Jesu repräsentiert werden sollte), eine Absage. Wie bei den Griechen müssten es drei Finger sein, um damit die heilige Dreifaltigkeit zu symbolisieren. Der Name Jesu müsse fortan (wie bei den Griechen) mit zwei I Iisus geschrieben werden und nicht wie bisher mit einem (Isus). Zu kleineren Änderungen am liturgischen Text kamen auch performative Anweisungen, etwa das Verbot, sich wie bislang bei Verbeugungen mit dem ganzen Körper niederzuwerfen. (3)

Während Patriarch und Zar die Reform autoritär von oben durchsetzten, wehrte sich eine nicht unbedeutende Minderheit von Priestern und Gläubigen, die verlangten, alles beim Alten zu lassen. Aus diesem Grund nannten Sie sich selbst „Altgläubige“ (starovery), also diejenigen, die am Original festhielten. Die Gegenseite, d.h. Amtskirche und Staat, verunglimpften die Widerständler dagegen als „Abgespaltene“ (raskolniki). Im Rückblick überrascht die Ablehnung der Reform wenig. Symbole, Formen und rituelle Wendungen gelten im orthodoxen Christentum keineswegs als beliebig, vielmehr geht man häufig von einer festen Verbindung von Zeichen und Inhalt aus, weshalb ein Wechsel auf der Zeichenebene schnell als Verfälschung des Inhalts verdächtigt wird. (4) Die Änderungen waren, in der Sprache der Coronazeit ausgedrückt, für die Widerständigen eben kein „kleiner Pieks“, sondern ein überhasteter Riesenschritt mit unübersehbaren Folgen.

Der Patriarch nahm für sich das Kriterium „wissenschaftlicher“, d.h. hier: theologisch-philologischer Exaktheit in Anspruch. Die Altgläubigen akzeptierten dies nicht und behaupteten (wie sich später herausstellte, mit gutem Grund), es seien die Griechen gewesen, die in der Zwischenzeit die Formulierungen geändert hätten – Russland habe dagegen die von Byzanz geerbten Formen exakt weitergegeben, aber die griechischen Lehrer stünden nicht mehr zu dem, was sie selbst einst gelehrt hätten. Die Altgläubigen verdächtigten Patriarch Nikon auch, der westlichen Verirrung gefolgt zu sein, nach der immer neue, präzisere Formulierungen zur Annäherung an das Göttliche nötig waren – die katholische Kirche, aus russischer Sicht der „Hauptfeind“ im christlichen Lager, hatte eben diese Wandelbarkeit in ihrer Formulierung der Dogmen gezeigt. (5)

Ringen um die Wahrheit

An dieser Stelle möchte ich kurz innehalten und darauf eingehen, ob diese Geschichte sich überhaupt sinnvoll in einen Zusammenhang mit „Corona“ stellen lässt. Wie kann ein theologischer Streit aus dem 17. Jahrhundert vergleichbar sein mit einem epidemiologischen aus dem 21. Jahrhundert? Zunächst einmal wäre dazu zu sagen, dass Theologie in Mittelalter und Früher Neuzeit als das wahrgenommen wurden, worum es heute in der Wissenschaft geht: als Ringen um die Wahrheit. Heute wie damals gab es auf beiden Seiten der Barrikaden eine intellektuelle Elite – eine Wissenschaft, welche sich aber gespalten hatte. Dabei genoss nur eines der Lager die Unterstützung des Staates und nutzte diese dafür, die andere Seite als rückständig und unwissenschaftlich zu diffamieren.

Was heute das Bündnis zwischen Christian Drosten und der Bundesregierung ist, war damals jenes zwischen Patriarch Nikon und Zar Aleksej Michailovič. Wo wir heute Wolfgang Wodarg oder Sucharit Bhakdi sehen, standen damals die Prediger der Altgläubigen wie Erzpriester Avvakum. Dazwischen stehen (und standen damals) viele Unentschiedene, deren Positionen wir hier aus Platzgründen weglassen. Auf der Seite der offiziellen „Hohepriester“ war die Innovation – bei Nikon die neuen liturgischen Formen, die als urkirchlich behauptet wurden; bei Christian Drosten oder Karl Lauterbach waren es Instrumente wie PCR-Tests (die ein neuartiges Verständnis von gesund und krank etablierten) und neuartige Impfungen (mit denen der massenhafte Einstieg in medizinische Gentechnik begonnen wurde).

Wodarg und Bhakdi wirken dagegen wie Altgläubige, weil sie wie Avvakum den älteren state of the art repräsentierten. Ihre Altgläubigkeit wird mit Händen greifbar, wo sich Wodarg immer wieder darauf beruft, was man gegen Corona mit den Instrumenten der älteren Epidemiologie getan hätte (ohne PCR und Masken), oder wenn Bakhdi darauf besteht, dass es gegen Atemwegsviren keine sterile Immunität durch Impfung geben könne. (6) Wie im 17. Jahrhundert, so ist auch im 21. diese Altgläubigkeit nicht unbedingt mit „veraltetem Wissen“ gleichzusetzen. Wodargs konservativer Abwehrreflex gegen die neuen Impfstoffe beinhaltete zwar Falschannahmen (etwa die Angst, die Impfung könne unfruchtbar machen), sah aber dennoch richtig voraus, dass die Nebenwirkungen dieser Impfung nur schwer kalkulierbar sind. (7) Bakhdi unterschätzte zwar das krankmachende Potenzial des SARS-CoV-2-Virus, lag aber richtig mit der Annahme, dass Impfstoffe die Ausbreitung des Virus nicht stoppen würden. (8)

Damals wie heute, so könnte man sagen, gab es auf beiden Seiten der Barrikaden Teilwahrheiten. Allerdings hatten die Zeitgenossen damals wie heute kaum eine Chance, das zu erkennen. Denn die staatliche Einmischung in den wissenschaftlichen Streit sorgte dafür, dass die eine Seite direkten Einfluss auf die Grenzen des öffentlich Sagbaren und auf das verbindliche Regelwerk erhielt, während die andere Seite zum Objekt öffentlicher Ächtung und zum Teil auch staatlicher Verfolgung wurde. Als die Gegensätze unüberbrückbar wurden, zog sich in beiden Fällen die Minderheit in den eigenen Informationsraum zurück, so dass die „Aufklärungskampagne“ der offiziellen Seite nichts mehr fruchtete – Informationen der jeweiligen Gegenseite wurden schlichtweg nicht mehr geglaubt, ihr Wahrheitsgehalt nicht abgewogen, sondern an der jeweiligen Herkunft festgemacht. Damit war automatisch alles falsch, was die Gegenseite behauptete.

Da alsbald Diskriminierungen und Verfolgungen der Minderheit einsetzten (die im 17. Jahrhundert allerdings Folter, Verbrennen auf dem Scheiterhaufen und ähnliches einschlossen), begann ein ausgeprägtes informelles Geschehen: Wie russische Altgläubige begannen, sich von Verfolgungen durch Schmiergelder an Beamte freizukaufen, so besorgen sich heute manche Impfgegner falsche Zertifikate, um Zugangsbeschränkungen zu entgehen. (9) Für Russland im 17. Jahrhundert war das eher ein gradueller Wandel, denn Patronage, Geschenke und „Korruption“ waren ohnehin ständige Begleiterscheinungen frühmoderner Gesellschaften. Für unsere moderne Wirklichkeit, die durch Corona aus einem verbreiteten Institutionenvertrauen in Spaltung und Misstrauen zurückgeworfen wurde, lässt sich dagegen von einem dramatischen Umbruch sprechen, der nichts anderes bedeutet als die massive Rückkehr zu einer überwunden geglaubten Alltagskorruption.

Sie verloren jegliche Hoffnung

Das wäre im Großen und Ganzen die vergleichende Geschichte, wie sie bis jetzt erzählt werden kann. Hier beginnt der explorative Teil, der für die Corona-Spaltung teils noch in der Zukunft liegt, im Falle der Altgläubigen aber bekannt und gut untersucht ist. Diese Fortsetzung mag uns helfen, mögliche Entwicklungswege (und Stolperfallen) der Corona-Opposition zu erkennen.

Als die russischen Altgläubigen erkannten, dass sich der Zar durch ihre Proteste (darunter auch etliche Selbstverbrennungen) nicht umstimmen ließ, kamen sie zu dem Schluss, die Herrschaft des Antichristen sei angebrochen. Sie verloren also jegliche Hoffnung auf die Wiederherstellung einer „gerechten Ordnung“ und begannen, an die Ränder des Reiches oder darüber hinaus zu wandern, um ein Leben nach ihren Vorstellungen leben zu können (10) – ein Vorgeschmack auf mögliche Auswanderungswellen von Corona-Oppositionellen, die gerade erst begonnen haben. Die Altgläubigen fingen an, sich mit anderen Unzufriedenen zu Koalitionen zusammenzutun, um die russische Ordnung zu bekämpfen, so finden wir sie etwa Seite an Seite mit dem frühsozialistischen Bauernaufstand des Stenka Razin wieder, später mit polnischen Revolutionären, die sich gegen das Zarenreich auflehnten. (11) Dies erinnert durchaus an die heutige Nähe von Querdenkern zu populistischen Parteien oder etwa dem Putin-Regime. Bei den Altgläubigen wissen wir, dass ihre Bündnisse mit anderen Gegnern des Zarismus schwach und temporär blieben, weil sich die Gemeinsamkeiten in Grenzen hielten. Bei den Gegnern der Coronapolitik ist diese Frage bislang offen, obwohl die offizielle Erzählung auf eine weitgehende Gleichsetzung mit rechten Systemfeinden hinausläuft. (12)

Nicht alle russischen Altgläubigen wollten ihr ganzes Leben dem Kampf opfern – vielmehr spalteten sie sich in gemäßigtere und radikalere Richtungen. Nach dem Ausschluss aus der Amtskirche konnten keine Sakramente wie Taufe und Eheschließung mehr gespendet werden, was für gläubige Christen ein großes Problem war (und noch ist). Dennoch bildete sich eine radikale Richtung der „Priesterlosen“ (bezpopovcy). Sie beharrte auf der Ansicht, dass es nach dem Übergang des Moskauer Patriarchats zum Lager des „Antichristen“ keinen legitimen Klerus mehr geben könne und ging entweder den Weg in die asketische Ehelosigkeit oder aber in die „wilde Ehe“. Dies stellte eine enorme Belastung dar – wegen des Widerspruchs zum Streben nach einer religiös-moralischen Lebensführung, aber auch weil die in solchen Verbindungen geborenen Kinder staatlicherseits als illegitim galten und den priesterlosen Familien jederzeit weggenommen werden konnten. Diesem Dilemma entzogen sich die „Bepriesterten“ (popovcy), indem sie immer wieder Kleriker von der orthodoxen Amtskirche abwarben und aus eigenen Mitteln bezahlten. Auf diese Weise entwickelten sich eine gemäßigte, besser in die Strukturen der russischen Gesellschaft integrierte Strömung der Altgläubigen, eine Art Brückenphänomen zur Amtskirche, welches Hoffnung auf eine Überwindung der Spaltung machte. (13)

Flucht in Gebiete mit stark verdünnter Staatlichkeit

In der heutigen Corona-Spaltung zeigen sich bereits ähnliche Brückenphänomene. Die heutigen bespopovcy wären dann die Ungeimpften, die (Stand Februar 2022) starker Diskriminierung unterliegen und entsprechend misstrauisch sowie schlecht in den Mainstream integriert sind. Den popovcy entsprächen ein- oder zweimal Geimpfte, die durch ihre Impfung dem sozialen Ausschluss zuvorgekommen sind, aber dennoch der Coronapolitik ablehnend gegenüberstehen. Auch die Sorge um die Integrität der Familie ist eine auffallende Parallele: Wie die bespopovcy vor der Gefahr zitterten, ihre Entschlossenheit mit dem Verlust ihrer Kinder bezahlen zu müssen (14), so lebten auch Corona-Oppositionelle zeitweise in der Angst, durch den Kampf gegen Masken-, Test- und eine spätere eventuelle Impfpflicht an Schulen eine verheerende Intervention des Jugendamtes zu provozieren. Der „Kampf um die Kinder“ führte in beiden Fällen zu ähnlichen Antworten der Minderheit – die bespopovcy flohen in Gebiete ohne oder mit „stark verdünnter“ Staatlichkeit, um dem staatlichen Zugriff wie auch den „falschen Werten“ der Mehrheit zu entgehen; 15 Gegner der Coronapolitik versuchten, im ländlichen Raum Alternativschulen ohne Coronaregeln aufzubauen. Anders als ihre frühneuzeitlichen Vorläufer scheiterten sie allerdings, denn das dicht besiedelte und durchherrschte moderne Deutschland bietet schlichtweg keine staatsfreien Räume, so dass ihre Versuche schnell von der Polizei beendet wurden. (16)

Nachdem die Altgläubigen die harten Verfolgungen der Anfangszeit überstanden hatten, schien sich der russische Staat mit ihrer dauerhaften Existenz abzufinden. Wenige Jahrzehnte nach dem raskol erklomm Peter der Große den Zarenthron und stieß, wie es schön, aber historisch vereinfachend heißt, Russlands „Fenster nach Westen“ auf. Interessiert vor allem an technologisch-militärischer Verwestlichung, die sein Land zur Großmacht machen sollte, war sein Ansatz gegenüber der Kirche zutiefst utilitaristisch. Ihn interessierte nicht, ob Neu- oder Altgläubige theologisch recht hatten, vielmehr instrumentalisierte er beide Seiten für seine Zwecke. Die ohnehin schon politisch durchsetzte Mehrheitskirche verwandelte er in einen Annex der Staatsbürokratie, um die Bevölkerung auch über geistliche Strukturen präzise kontrollieren zu können; die unterdrückte Stellung der Altgläubigen nutzte er aus, um ihnen eine verdoppelte Steuerzahlung aufzudrücken und so die Staatskasse zu füllen. Darüber hinaus schien der Zar, der sich jetzt westlich „Imperator“ nannte, kein Verfolgungsinteresse mehr zu haben.(17) Diese Herrschaftssituation ähnelt der im Bundestag durchgefallenen, aber immer noch im Raum stehenden allgemeinen Impfpflicht bei gleichzeitigem Ende der Coronamaßnahmen im Alltag – tägliche Regelungen mit 2G und 3G laufen aus, und es wird die Möglichkeit eröffnet, sich vom Übertritt zur „Mehrheitskirche“ der Geimpften durch eine happige Geldzahlung freizukaufen. (18)

Nach Peter dem Großen erlebte die staatliche Politik gegenüber den Altgläubigen noch mehrere Wendungen: Unter Katharina der Großen wurde mehr Toleranz geübt, aber schon unter Nikolaus I. kehrten harsche Repressionen zurück, die auf eine vollständige „Rückführung“ der Altgläubigen in das Moskauer Patriarchat abzielten. Da diese Zwangsmaßnahmen nichts fruchteten, versuchte es der Reformzar Alexander II. wieder mit Toleranz; erst die Revolution von 1905 gab den Altgläubigen einen halbwegs abgesicherten Rechtsstatus, wobei die „Neugläubigkeit“ bis zum Ende des Russischen Reiches Staatsreligion blieb. (19) Unter dem Strich lässt sich trotz des Schlingerkurses konstatieren, dass sich das Russische Reich im Laufe der Zeit mit der Existenz der Altgläubigen abfand. Für die Corona-Opposition ergibt sich daraus die einfache Lehre, dass man nur ausdauernd genug widerstehen muss, um sich in der Gesellschaft halten zu können. Dies gilt auch dann, wenn der Staat offensichtlich nicht wohlgesonnen ist und rechtsstaatliche Garantien nicht zur Verfügung stehen.

Dabei ist die Feststellung, dass die Altgläubigen sich „halten konnten“, viel zu vorsichtig formuliert. Wegen oder trotz immer wieder anhebender Verfolgungen erreichten sie eine große Vitalität und im 19. Jahrhundert sogar ein beeindruckendes Wachstum, d.h. die Entwicklung verlief keineswegs im Sinne der Regierung. (20) Um dies zu erklären, müssen wir zunächst einen Blick auf das Schicksal der „Neugläubigen“ werfen. Entstanden aus vermachteter theologischer Wissenschaft unter dem Schutz staatlicher Bayonette, haftete ihnen von Beginn das Odium eines politischen Instruments der Autokratie an. Dies verschärfte sich durch die Reformen Peters des Großen, der die Neugläubigen ihrer kanonischen Kirchenleitung beraubte und anstelle des Patriarchen eine bürokratische Struktur, den „Heiligsten Regierenden Synod“ einsetzte. Das Durchregieren wurde jetzt noch einfacher und radikaler, weil auch andere Strukturen mittelalterlicher „Mitbestimmung“ geschwächt und in eine pyramidal-absolutistische Struktur hineingepresst wurden. Das Prestige der Neugläubigen litt immens unter diesen Veränderungen, denn immer wieder (und im 19. Jahrhundert ganz massiv) erklang der Vorwurf, die Russisch-Orthodoxe Kirche habe sich einem Diktat unterworfen, sei nicht mehr in der Lage, aus freier Überzeugung ihre Vorstellungen zu formulieren und zu verteidigen.

Mainstream unterliegt einer kapillaren Durchherrschung

Als Säule fest in den Zarismus eingebaut, ohne eigene Stimme, wurde sie selbstverständlich für alle negativen Seiten der zaristischen Ordnung mitverantwortlich gemacht, etwa für die soziale und politische Ungleichheit oder die Unterdrückung der Nichtrussen. (21) Die neugläubigen Gemeinden, die zur Annahme der Liturgiereform ebenso gezwungen worden waren wie der Klerus, wirkten oft blutleer; sie praktizierten die aufgezwungenen Formen, ohne sie verinnerlicht zu haben und ohne für sie einzustehen. Die Pfarreien und Bistümer, eingebunden in die bürokratische Machtvertikale, waren eher Verwaltungseinheiten als funktionierende Gemeinschaften. Es fehlte an Vertrauen, an echtem Dialog zwischen Hierarchie und Gläubigen; auch das Beichtgeheimnis war nicht gesichert, weil der Staat den durchbürokratisierten Klerus zwang, verdächtige Beichtinhalte zu melden. (22)

Wir wissen heute nicht, welche Zukunft den Nachkommen der coronistischen „Hauptkirche“ von heute bevorsteht. Allerdings ähnelt sie in manchen Zügen derjenigen der Neugläubigen, der etablierten russischen Orthodoxie seit dem 17. Jahrhundert. Auch der heutige Mainstream unterliegt einer kapillaren Durchherrschung von oben, die wir bis vor kurzem dann spüren (konnten), wenn wir im Restaurant die Maske aufsetzten, nur um die drei Meter bis zur Toilette „legal“ überwinden zu dürfen. Das Regelwerk des Coronismus kann vor allem deshalb aufrechterhalten werden, weil wir uns alle gegenseitig kontrollieren. Natürlich, diese unfreie Wirklichkeit wird, wie schon bei den Neugläubigen im Zarenreich, begrifflich beschönigt. Damals wurde den so traktierten Menschen gesagt, nur sie seien Teil der einzig wahren Gemeinschaft, außerhalb derer es keine Rettung gäbe. Heute wird der coronistischen Mehrheit erklärt, nur sie sei wahrhaft solidarisch. Das ändert aber nichts daran, dass derartige Gemeinschaften nicht durch horizontale Bindungen zwischen den Menschen zusammengehalten werden, sondern durch vertikale Kontrolle, welche echtes Vertrauen erschwert. Die russischen neugläubigen Gemeinden des 19. Jahrhunderts versagten denn auch in elementaren Punkten. Sie konnten – zumindest aus Sicht der Altgläubigen – das Abgleiten ihrer Mitglieder oft nicht verhindern, sei es in den Alkoholismus, den Atheismus oder einfach nur in die Gleichgültigkeit, welche letztlich auch der Oktoberrevolution und damit der Marginalisierung der Kirche selbst in die Hände spielte. (23)

Die Altgläubigen wurden dagegen immer stärker, je älter das Zarenreich wurde. In den verfolgten Gemeinden wussten alle, dass man sich aufeinander verlassen muss. Während Neugläubige auf ein Netz staatlicher bzw. offiziell-kirchlicher Institutionen angewiesen waren, orientierten sich Altgläubige an einem informellen Netz Gleichgesinnter. Dieses speiste sich aus einem gemeinsamen Schutzbedürfnis – und natürlich aus der Vorstellung, man habe im liturgischen Streit des 17. Jahrhunderts auf der einzig wahren Seite gestanden. Um sich dessen immer wieder zu vergewissern, lasen Altgläubige, anders als Neugläubige, zuhause intensiv theologische Literatur. Das trieb, schon lange vor der Entwicklung eines staatlichen Elementarschulwesens, die Alphabetisierungsrate der Altgläubigen nach oben, auch bei den Mädchen und Frauen.(24)

Weil die Altgläubigen sich zum Erhalt ihrer Gemeinden nicht auf den Staat stützen konnten, sondern ihre Gotteshäuser selbst finanzieren mussten, entwickelte sich eine ausgeprägte Spendenbereitschaft und ein Interesse, Kapital anzuhäufen, welches dann zum weiteren Ausbau der eigenen Gemeinschaft verwendet werden konnte. Es entstand eine altgläubige Kaufmannschaft, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts weite Teile von (vor-)industrieller Produktion und Handel im Russischen Reich dominierte. Diese Entwicklung ging auf religiös angeleitete Askese und Arbeitsethos zurück, und natürlich auf die altgläubigen Netzwerke, die dem reisenden Kaufmann eine Infrastruktur und Möglichkeiten der Kreditbeschaffung eröffneten. (25)

Corona-Opposition irgendwann als „gemeinwohlfördernd“ anerkannt?

Die Parallelen zur Corona-Opposition sind auch hier offensichtlich. Aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen und teilweise – zumindest perspektivisch – durch Quasi-Impfzwang in der eigenen Existenz bedroht, entwickelten auch sie starke horizontale Bindungen, und das in einer Zeit, in der sich die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft in Homeoffice, Lockdowns und Quarantänen voneinander entfernten bzw. ihre physischen Bindungen durch wesentlich schwächere virtuelle Kontakte ersetzten. Der Zusammenhalt der Corona-Dissidenten wurde auch durch ihre diversen Regelbrüche und die dafür drohenden staatlichen Sanktionen gestärkt, denn gemeinsam geteilte „Geheimnisse“ führen auch zu Zusammenhalt, wie man aus der kriminologischen Forschung weiß. (26)

Starke Parallelen gibt es auch zum häuslichen Bildungswesen der Altgläubigen: In der Auseinandersetzung mit sogenannten Faktencheckern und einer negativ berichtenden Presse vertiefte sich die Corona-Opposition in Virologie und Epidemiologie, verbrachte Abende nicht mit der Litanei von Tagesschau-Inzidenzmeldungen, sondern mit Treffen und Zoom-Begegnungen Gleichgesinnter. Viele Menschen lernten sich in dieser Zeit erst kennen und fassten enorm schnell Vertrauen zueinander, das in Zukunft auch auf andere gesellschaftliche Aktionsbereiche übertragen werden könnte. Mit Schmerz verfolgten sie, wie kritische Berichterstattung und jegliche Auflehnung gegen das herrschende Narrativ, von der Masken- bis zur Impfpflicht, abgestraft wurde – bis hin zu Entlassungen.

Jedes dieser Ereignisse bestärkte sie, sich dem nicht zu ergeben. (27) So fanden sie ganz nebenbei, obwohl das anfangs überhaupt nicht das Ziel gewesen war, einen Lebenssinn, der sich als „für die eigenen Überzeugungen einstehen“ zusammenfassen lässt. Auf die Mitglieder der coronistischen „Mehrheitskirche“ schauten sie zunehmend nicht mehr mit Angst, sondern auch mit Mitleid, weil diese den Eindruck von (vertikal aufgehängten) Marionetten vermittelten, die sinnloserweise dem Versprechen geglaubt hatten, man „impfe sich in die Freiheit zurück“. Sie selbst nahmen die Impfpflicht stattdessen als eine „Praxis der Unfreiheit“ wahr. In ihrer Suche nach Beistand und Trost fanden nicht wenige zu einem tatsächlichen religiösen Glauben zurück (28), was die Distanz zur coronistischen Mehrheit noch einmal vergrößerte. Denn aus Sicht der Minderheit hatten sich diese „Armseligen“ zur Fortsetzung der eigenen Konsumexistenz, aus Karrierismus oder Angst auf alle Forderungen des Staates eingelassen.

Das Beispiel der russischen Altgläubigen lehrt aber, dass eine Spaltung auch wieder geringer werden kann. Nachdem die Minderheit ihre Vitalität bewiesen hatte, setzte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei den Neugläubigen immer mehr die Einsicht durch, dass die Altgläubigen einen großen Schatz beherbergten, der nützlich für das Gemeinwohl sein konnte. Fleiß, Disziplin, moralische Strenge waren willkommen in einer Gesellschaft, die ihre eigene Rückständigkeit gegenüber „Europa“ auf einen Mangel an derartigen Tugenden zurückführte. (29) Priester der Mehrheitskirche schauten mit Neid auf die gut gefüllten und funktionierenden Gemeinden der popovcy. Um an diesem Segen zu partizipieren, ohne gleichzeitig die eigene historische Rechthaberei aufgeben zu müssen, erfand der Heilige Regierende Synod das edinoverie („Einheitsglauben“), womit die popovcy wieder Teil der Amtskirche werden durften, ohne ihre liturgischen Eigentümlichkeiten aufgeben zu müssen. Der Erfolg dieser Maßnahme blieb begrenzt, denn die altgläubigen Netzwerke waren inzwischen stark genug, um außerhalb der offiziellen Strukturen dauerhaft überleben zu können. (30)

Für die Corona-Opposition ist das eigentlich die froheste Botschaft – dass es nämlich die Aussicht gibt, das eigene Verhalten irgendwann als „gemeinwohlfördernd“ anerkannt zu bekommen und auf diese Weise den Makel der „mangelnden Solidarität“ tilgen zu können. Weil sich in der Moderne viele Entwicklungszyklen beschleunigen, könnte das schneller eintreten als erwartet. Ohne Zweifel finden sich unter dem ungeimpften Personal in Medizin und Pflege, das in diesen Tagen von Massenentlassungen bedroht ist, viele Menschen mit wertvollen Eigenschaften: einem eigenen Kopf, einem kritischen Geist, einem Willen, sich der kapitalistischen Durchregulierung des medizinischen Alltags entgegenzustellen. (31) Unter ihnen sind viele, die es mit dem hippokratischen Eid sehr genau nehmen und nicht nur die eigene Impfung ablehnen, sondern auch Skrupel haben, diese jungen Menschen zu injizieren, weil sie den Nutzen für fragwürdig halten. Viele von ihnen waren entsetzt über Kontaktsperren, die dazu führten, dass alte Menschen alleine in Heimen und Kliniken starben; dass Ungeimpfte keinen Zugang zu Arztpraxen erhielten; dass der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient plötzlich als reine Dispositionsmasse des Infektionsschutzes erschien. Unter ihnen finden sich auch diejenigen, die sich die verschwindend gering bezahlte Mühe machen, Impfnebenwirkungen zu dokumentieren.

Mit einem Wort – dieses Personal kann ein großer ethischer Schatz für unsere heutige Gesellschaft sein, wie es auch die Altgläubigen für Russland im 19. Jahrhundert waren. Da mit einer Entlassungswelle auch eine dramatische Personalknappheit droht, wird man sich wohl schon bald an diesen Schatz erinnern: Er wird schmerzhaft vermisst werden, und man wird versuchen, wie Russland mit seinem Angebot des edinoverie, ihn zurückzuholen.

Auszug aus dem Buch „Pandemiepolitik. Freiheit unterm Rad?: Eine interdisziplinäre Essaysammlung“ hrsg. Von Sandra Kostner und Tanja Lieske. Bestellbar hier.

 

Dr. Klaus Buchenau ist seit 2013 Professor für Geschichte Südost- und Osteuropas an der Universität Regensburg. Seit der Finanzkrise 2008 forscht er vor allem zur Ressourcenverteilung, zum Staatsmisstrauen und der Geschichte der Korruption. Er veröffentlichte u.a. (zusammen mit Ulf Brunnbauer) das Buch Geschichte Südosteuropas (Reclam 2018).


Anmerkungen:

(1) Christian Giordano und Dobrinka Kostova, „The Social Production of Mistrust“, in Chris Hann (Hrsg.), Postsocialism. Ideals, ideologies and practices in Eurasia (London, New York: Routledge, 2002), S. 74–91; Alina Mungiu-Pippidi, „Becoming Denmark. Historical Designs of Corruption Control“, Social Research 80, 4 (2013), S. 1259–1286.

(2) Die Literatur zum raskol ist äußerst reichhaltig und reicht von Einbettungen in den Gesamtkontext der russischen Geschichte (z.B. Manfred Hildermeier, Geschichte Russlands (München: C.H. Beck, 22013), S. 389–394), Gesamtdarstellungen (z.B. Peter Hauptmann, Rußlands Altgläubige (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2005); Roy R. Robson, Old Believers in Modern Russia (DeKalb, IL: Northern Illinois University Press, 1995) bis hin zu Spezialstudien mit engeren räumlichen, thematischen oder zeitlichen Bezügen. Dabei ist die russischsprachige Literatur am detailliertesten. Deren Forschungsstand wird zusammengefasst im zweibändigen Werk von Sergej Taranec, Staroobrjadčestvo v Rossijskoj Imperii (konec XVII-načalo XX veka. Bd. 1: Vzaimootnošenija staroobrjadčeskich soobščestv s gosudarstvom i oficial’noj Cerkov’ju (Kiev: Nacional’naja akademija nauk Ukrainy, 2012). Bd. 2: Staroobrjadčestvo v sociokul’turnom kontekste (Kiev: Nacional’naja akademija nauk Ukrainy, 2013).

(3) Hauptmann, Russlands Altgläubige, S. 25-29; Robson, Old Believers, S. 49f.

(4) Hauptmann, Russlands Altgläubige, S. 26.

(5) Ebd., S. 28f.

(6) Wolfgang Wodarg, Falsche Pandemien. Argumente gegen die Herrschaft der Angst (München: Rubikon, 2021), S. 152–156 und 164–194; Karina Reiss und Sucharit Bhakdi, Corona unmasked. Neue Zahlen, Daten, Hintergründe (Wien: Goldegg Verlag, 2021), S. 116–121.

(7) Wodarg selbst hat diese Befürchtung, die er zunächst im Corona-Ausschuss äußerte, in seiner Monographie „Falsche Pandemien“ (München: Rubikon, 2021) zumindest nicht wiederholt; Autorengruppe, „Erfasste und unerfasste Nebenwirkungen der Covid-19 Impfstoffe“: https://7argumente.de/anlage-4/.

(8) Erich Freisleben, Ansichten eines Hausarztes. Wege aus dem Corona-Dilemma (Engerwitzdorf: Freya, 2021), S. 143.

(9) Taranec, Staroobrjadčestvo, Bd. 1, S. 278–281 und S. 346–365. „Mehr als 12.000 Verfahren zu gefälschten Impfpässen eingeleitet“, Spiegel online, 19. Januar 2022: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/coronagefaelschte-impfpaesse-bundesweit-mehr-als-12-000-verfahren-a-82b0bdb3-f367-46ab-a6b3-a218bec5bac8.

(10) Robson, Old Believers, S. 23.

(11) Georg Bernhard Michels, At war with the church. Religious Dissent in Seventeenth-Century Russia (Stanford: Stanford University Press, 1999), S. 184; Taranec, Staroobrjadčestvo, Bd. 1, S. 307–314.

(12) Vgl. z.B. Heike Kleffner und Matthias Meisner (Hrsg.), Fehlender Mindestabstand. Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde (Freiburg: Herder, 2021).

(13) Tatsächlich sind die Verästelungen des Altgläubigentums noch weitaus komplexer als hier dargestellt. Vgl. die konzise Übersicht bei Hauptmann, Russlands Altgläubige, S. 124–269.

(14) Heiko Schmidt, Glaubenstoleranz und Schisma im Russländischen Imperium. Die staatliche Politik gegenüber den Altgläubigen in Livland, 1850–1906 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), S. 78–84.

(15) Robson, Old Believers, S. 22f.

(16) „Erneut illegale Schule geschlossen – diesmal in Unterfranken“, BR24, 9. Dezember 2021: https://www.br.de/nachrichten/bayern/erneutillegale-schule-geschlossen-diesmal-in-unterfranken,Sr6qwyY.

(17) Taranec, Staroobrjadčestvo, Bd. 1, S. 281ff.

(18) „Erster Antrag für Impfpflicht – Bußgeld für Ungeimpfte ab Oktober?“, web.de, 11. Februar 2022: https://web.de/magazine/news/coronavirus/antrag-impfpflicht-bussgeld-ungeimpfte-oktober-36598146.

(19) Taranec, Staroobrjadčestvo, Bd. 1, S. 287–305.

(20) Nach einer statistischen Auswertung aus dem Jahr 1863 machten die (allerdings notorisch schwer zu zählenden) Altgläubigen etwa ein Sechstel der orthodoxen Bevölkerung im Russischen Reich aus (Robson, Old Believers, S. 21).

(21) Zu den innerkirchlichen Reaktionen auf diese Missstände vgl. z.B. Edward E. Roslof, Red Priests. Renovationism, Russian Orthodoxy, and Revolution, 1905–1946 (Bloomington & Indianapolis: Indiana University Press, 2002).

(22) Nadieszda Kizenko, Good for the souls. A history of confession in the Russian Empire (Oxford: Oxford University Press, 2021), S. 59–89.

(23) Taranec, Staroobrjadčestvo, Bd. 2, S. 59–66.

(24) Ebd., S. 89ff.

(25) Andreas Buss, The Russian-Orthodox tradition and modernity (Leiden: Brill, 2003), S. 61–72.

(26) Diego Gambetta, Codes of the Underworld. How Criminals Communicate (Princeton: Princeton University Press, 2011), S. 72.

(27) Ein Indiz hierfür ist das Ergebnis einer repräsentativen Allensbach-Umfrage, wonach nur zwei Prozent der befragten Ungeimpften vorhatten, sich im Falle einer Impfpflicht tatsächlich impfen zu lassen: „Nur zwei Prozent der Ungeimpften würden sich bei Impfpflicht impfen lassen“, Welt.de, 19. März 2022: https://www.welt.de/politik/
deutschland/article237632863/Impfpflicht-Nur-zwei-Prozentder-Ungeimpften-wuerden-sich-bei-Impfpflicht-immunisieren-lassen.html
.

(28) Auch die Gegenseite erkennt diesen Zusammenhang an, wenn auch – natürlich – negativ ausgedrückt als Zusammenhang von Religiosität, Marginalisierung und Verschwörungsglaube. Vgl. Julian Scharbert et al., „Predicting emotional, behavioral, and evaluative outcomes during the COVID-19 pandemicby political orientation, religiosity, and perceived societal marginalization – Preliminary analyses and result“, Preprint: https://osf.io/5az36/.

(29) Taranec, Staroobrjadčestvo, Bd. 2, S. 121.

(30) Hauptmann, Rußlands Altgläubige, S. 82–86.

(31) Vgl. Nadine Frey und Oliver Nachtwey, Quellen des ‚Querdenkertums‘. Eine politische Soziologie der Corona-Proteste in Baden-Württemberg: https://www.boell-bw.de/sites/default/files/2021-11/Studie_Quellen%20des%20Querdenkertums.pdf. Trotz der eher kritischen Rahmung ergibt sich aus dieser bekannten Studie doch, dass die Querdenker des deutschen Südwestens ein überdurchschnittliches Gesundheitsbewusstsein haben, welches sich auf den gesamten Lebensstil bezieht.

Foto: Raimond Spekking CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Wilfried Cremer / 05.01.2023

Sehr geehrter Herr Dr. Buchenau, das Problem ist erstens die Entwertung des Begriffs der Solidarität. Das Problem ist zweitens eine heuchlerische Solidarität, die aufdringliche Nähe solidarisch nennt. Und das Problem ist drittens das Entweichen eines aufdringlichen Geistes aus dem Raum der Sexualität in das gesamtgesellschaftliche Leben.

Donatus Kamps / 05.01.2023

Auf der einen Seite ist der Vergleich interessant, da Corona auch religiöse Aspekte aufweist, auf der anderen Seite hinkt er aber. Denn beim Raskol ging es nur um Glaubensfragen und Ritus, wohingegen Corona neben vielen religionsartigen Mustern auch einen Wirklichkeitsbezug hat - zum Beispiel in der Frage der Kosten und des Nutzens des Impfens oder in der Frage der wirtschaftlichen Überlegenheit von Planwirtschaft oder Marktwirtschaft. Bei Fragen, die über Glauben, Lebensweise und Riten hinausgehen und die einen Wirklichkeitsbezug haben, führt die Wirklichkeit letztlich und häufig ziemlich schnell durch einen harten Eingriff zu einer Klarstellung, wer recht und wer gewonnen hat.

Johannes Goldmann / 05.01.2023

Ein großartiger Text! Nur eine Ergänzung: in meiner Wahrnehmung ist Corona zwar die bislang stärkste, aber nicht die erste Spaltung. Die Spaltung tritt auf, wenn der politisch-mediale Komplex utopische Projekte verfolgt und Zweifler an diesem Kurs ausgrenzt. Vor Corona waren es die Euroeinführung, die Eurorettungsmaßnahmen, die Klimapolitik und die Politik der offenen Grenzen.

Hans Kowalski / 05.01.2023

Auf youtube gibts ein neues Video mit Bhakdi.Das wichtigste:Es sind Papiere aufgetaucht die belegen das die Hersteller überhaupt keine Tierversuche gemacht haben so wie sie es versprochen hatten.Normalerweise muss es die ja immer geben,aber weil alles schnell gehen musste sagten die H. das sie das noch machen werden…. Und in einer anngesehnen Fachzeitschrift wurde ein Tierversuche mur mit den puren Nanolipiden gemacht,Fazit-führt zu Entzündungen.In die Nase von Mäusen getröpfelt führte es zum Tod. Auf tkp kann man lesen(Quelle auch hier Papiere der Hersteller)das die Dosis der Brühe für unter 55 jährige viel zu hoch war,der Treppenwitz,bei weniger war der Antikörpertiter sogar höher!Wobei man auch wissen sollte das viele Experten sagen das dies nicht viel aussagt aber das wird halt gemessen.Spritzt man aber mehr sind die Nebenwirkungen grösser…Sie wussen es also!Warum dann eine höhre Dosis?Anscheinend weil man dann mehr verdienen kann…

Vera Meißner / 05.01.2023

Ich werfe einen weiteren Faktor in den Ring: die Impfschäden, die in den kommenden Jahren wesentlich deutlicher werden.

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