Ulrike Stockmann / 16.11.2020 / 13:04 / 100 / Seite ausdrucken

Corona adé, Propaganda tut weh

Die Bundesregierung hat eine Durchhalte-Video-Reihe zur Corona-Ermahnung junger Leute herausgebracht. An den veröffentlichten Clips ist so vieles falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich mit meiner Kritik anfangen soll. Ich fasse mich daher kurz. Das Erhellendste ist sowieso, sich die Videos selbst anzusehen – vorausgesetzt, man verfügt über eine gewisse Schmerzunempfindlichkeit und genug Humor, um das ganze mit Gelassenheit zu (er)tragen.

Das Konzept der Clips ist so einfach wie radikal: In einer Opa-erzählt-vom-Krieg-Manier werden ältere Leute interviewt, die 2020 jung waren und in der Zukunft von ihrem Einsatz zur Corona-Zeit erzählen – der lediglich darin bestand, dass sie brav zu Hause blieben. Einmal geht es um einen ehemaligen Zocker, der schon vor Corona immer zu Hause war, plötzlich jedoch mit seinem Verhalten zum Helden wurde und eine Medaille bekam. Obwohl er – hihi – ja gar nichts an seinem Lebensstil verändern musste.

Zwei weitere Videos drehen sich um ein älteres Ehepaar. Wie man erfährt, waren beide 2020 Studenten Anfang 20 und hatten sich gerade kennengelernt – und dann kam Corona. Stolz blicken sie auf ihre Leistung zurück, die darin bestand, dass sie – hihi – todesmutig während der Pandemie zu Hause blieben. Was wirklich hart war – passend dazu sieht man sie als junges Paar gemütlich im Bett liegen und Fastfood essen. Hier hört man ihre Perspektive und hier erfährt man seine.

Videos wirken wie eine einzige Provokation

Während die Interviewten also rückblickend von ihrer Disziplin und der Härte der Quarantäne sprechen, wird die Belastung der Isolation – die ohnehin stark beschönigend dargestellt wird – der Lächerlichkeit preisgegeben.

Die Bagatellisierung des monatelangen Abstandhaltens, Maskentragens und starken Einschränkens des öffentlichen Lebens ist an sich schon eine Unverschämtheit. Hier wird sich über die Befindlichkeit der gesamten Bevölkerung – denn alle Altersgruppen leiden unter den genannten Einschränkungen – erhoben und lustig gemacht. Wenn man dann noch hinzuzählt, welche Dimensionen der zu erwartende wirtschaftliche Schaden haben wird, mit welchen Auswirkungen der einzelne zu rechnen haben wird – Bankrott, Pleite, Arbeitslosigkeit, Inflation – dann wirken die Videos der Bundesregierung wie eine einzige Provokation.

Und nicht zuletzt: Die Protagonisten der drei Videos sind wohl nicht umsonst Studenten beziehungsweise ohne erkennbaren Beruf, damit suggeriert werden kann: Och, ihr arbeitet doch noch gar nicht, ihr habt doch eh nichts zu verlieren. Dass eine womögliche künftige Depression vor allem die jungen Leute treffen wird, deren Eintritt ins Arbeitsleben damit in eine wirtschaftliche Krisenzeit katapultiert wird, steht jedoch außer Frage. Und somit wäre selbst die respektlose Kriegskinder-Analogie gar nicht mehr so sehr aus der Luft gegriffen. Denn dann wäre es an den Jungen, den (wirtschaftlichen) Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen und die Trümmer aufzubauen.

Foto: Ulrike Stockmann

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Leserpost

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Thomas Kache / 16.11.2020

Oh mein Gott. Eine Regierung die solche Machwerke in Auftrag, und dafür auch noch Steuergeld gibt, ist wahrlich nicht mal mehr ‘nen Schuß Pulver wert. Liebe Leute, wir sind dem Untergang geweiht. Gute Nacht allerseits

Ivan Melnik / 16.11.2020

auf dem Klaas Heufer-Umlauf Twitter Kanal werden jetzt regelmäßig weitere Versionen dieses Spots veröffentlicht. Auffällig ist die martialisch/militärische Rhetorik und die wiederkehrende naive Pointe (Faulheit und Passivität ist unser Heldenbeitrag). Genau das Gegenteil ist aber jetzt wichtig! Friedliche aktive Demoteilnahme und Kritik an dieser unseligen Gesellschaftstransformation sind die Schlüsselqualitäten der wahren Helden!

Wiebke Ruschewski / 16.11.2020

Eines dieser Filmchen habe ich gestern schon gesehen. Propaganda wie aus dem Lehrbuch? Absoluter Blödsinn? Natürlich! Ich las auch viele Kommentare dazu auf Twitter. Viele überschlugen sich beinahe vor Begeisterung. Ich persönlich finde alle 3 Werke intelligenzbeleidigend! Ich glaube, selbst wenn ich “Zeuge Coronas” wäre, würde ich diese Werke einfach nur affig und blöde finden. Aber sie treffen den Zeitgeist. Ich bin letztes Jahr mal mit dem Bus gefahren, weil mein Auto in der Werkstatt war. Auf einem Bildschirm prangte: “Echte Helden fahren Bus” (oder so ähnlich). Am Wochenende trage ich Zeitungen aus. Während des Frühjahr-Lockdown entdeckte ich an einem Hauseingang einen Zettel, auf dem sinngemäß “Danke an unsere Alltagshelden” (gemeint waren Paketboten, Zeitungszusteller, Postboten usw.) stand. Einerseits fand ich es irgendwie rührend, andererseits fand ich es auch irritierend, weil ich mich eigentlich nicht heldenhaft fühlte, bloß weil ich eine Zeitung in einen Briefkasten quetsche. Und das, obwohl ich mich im Frühling kurzzeitig auch mal von der Corona-Angst habe anstecken lassen. Ich bin aber wohl schon ein paar Jahre zu alt, um mich von dieser Superhelden-Kacke angesprochen zu fühlen. Heute will irgendwie jeder ein Held sein, allerdings bitte ohne allzu viel heldenhafte Anstregungen. Die besagten Filmchen bedienen die Sehnsucht neurotischer Teens und Twens. Tatsächlich muss man beim Anschauen ein bisschen die Zähne zusammenbeißen, aber allzu sehr sollte man sich nicht darüber aufregen. Ich stelle mittlerweile generell eine wachsende Gelassenheit bei mir fest. Um es zeitgeistkonform zu formulieren: Viele Dinge, die mich vor einem Jahr noch erbost hätten, prallen heute an mir ab wie eine Gewehrkugel an Superman! Ich kann das auch nur empfehlen, anstatt wertvolle Restlebenszeit mit Sachen zu vergeuden, die offensichtlich für naive, junge und (noch) nicht berufstätige Leute konzipiert worden sind um sie von gemeinsamen Umtrieben abzuhalten.

Claudia Maack / 16.11.2020

Dass wir Bürger von unserer Regierung für saublöd gehalten werden, zeigt sich mal wieder anhand dieser unverschämten Propagandafilmchen. Eine widerwärtige Mischung aus Durchhalteparolen vom Winter 44, die wohl ironisch gespiegelt werden sollen mit Nichtstun als Heldentat.  Dazu Hühnerschenkel-Werfen und Multikulti-Poppen wie die alten Römer beim Festmahl.  Und als Krönung ist der Held ein Maschinenbauer aus Chemnitz. Gerade die Sorte Studenten, denen Politiker und Filmchenmacher wohl noch nie begegnet sind, denn dann wüssten sie, dass man dieses Studienfach mit Pennen, Bumsen und Fressen im Bett nicht schafft. Das reicht aber vermutlich, wenn man nur Politiker oder Filmemacher werden möchte. Da haben diese abgebrochenen Soziologen und Sozialarbeiter bei der studentischen Freizeitgestaltung mal wieder von sich auf andere geschlossen.

Mathias Hartmann / 16.11.2020

Der Film ist politisch nicht korrekt und zeigt eindeutig rechte Tendenzen. Ein alter weißer Mann geht schon mal gar nicht. Richtig wäre ein Transgender-Muslim, der nicht die Moschee besuchte. Und die Benachteiligung der Frau wird völlig ausgeblendet.  Wird Zeit, daß die Antifa dieser Produktionsfirma einen Besuch abstattet.

Sven Glende / 16.11.2020

Lasst ES uns doch machen. ALLE. Volkslockdown ab 1.1.2021 für einen Monat! ALLE. Damit wir später mal erzählen können, wie wir das Politpack rumbekommen haben.

Karl Neumann / 16.11.2020

Ich habe mich selbst überwunden und einem Helden zugehört, dem ob seiner Tapferkeit ein Orden verliehen wurde. Halt, ich muss mich korrigieren. Nach 5 Sekunden habe ich ausgeschaltet, der alte Mann sprach ein grauenhaftes Deutsch : “..... wurde mir damals umgehangen.” Ich weiß nicht, wer dieses Machwerk verfasst hat, des Deutschen scheint er nicht mächtig zu sein. Ich hoffe nur, der Intendant erfährt von diesem Lapsus nichts, es könnte dann sein, derjenige, dem dieses Trauerstück zuzuschreiben ist,  hat sich auch inzwischen aufgehangen.

Michael Stoll / 16.11.2020

Wer ist dümmer? Die Politiker, die diese lustigen Filme beauftragt haben oder die echten Helden, die tagein, tagaus in diesem Land und für dieses Land schuften, den ganzen Laden am Laufen halten und am Ende des Monats ein Dittel (oder mehr) ihres Gehalts brav beim Finanzamt abgeben? Für einen Politiker bin ich nicht verdorben genug, aber für einen Beamten im mittleren Dienst hätte es allemal gereicht. Ich Idiot, aber wie hätte ich vor 25 Jahren diesen Wahnsinn erahnen können? Macht weiter so und ich werde wieder Student und lege mich auch in die soziale Hängematte. PS: Ich beantrage, dass jeder Abgeordnete im Bundes- oder in den Landtagen mindestens 10 Jahre steuerpflichtige Tätigkeit in einem anständigen Beruf nachweisen muss, damit die dümmsten Nieten schon mal draußen bleiben. Und damit sie den Kontakt zur “normalen” Bevölkerung nicht verlieren, dürfen sie während ihres Mandats nur öffentliche Verkehrsmittel benutzen.

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