Halb sitze ich, halb liege ich in Cornwall an einer einsamen Bucht und schaue aufs Meer. Die Sonne scheint, es ist warm, aber ein erfrischender Wind weht. Und was geschieht? Nach wenigen Tagen in diesem elegischen Zustand, ist mir die deutsche Politik so was von schnuppe, dass mir die Worte fehlen, mein Gefühl der Gleichgültigkeit zu beschreiben.
Angela Merkel hat wieder einen wichtigen Mitarbeiter verloren? Ich schaue aufs Meer und versuche mein Bestes, aber ich kann mich über diese vermutlich gigantische Regierungstragödie einfach nicht erregen. Sie lässt mich so kalt wie der Wind warm ist, der mir über den Bauch streicht.
Der Euro immer noch in Not? Erzählt mir was Neues. In meinen Coop in St. Just zahle ich mit Pfund und mit einer Euro-Münze, wenn ich mir einen vermutlich importierten Einkaufswagen nehmen will. Das hat doch Symbolcharakter: Der Euro als Münze für den Einkaufswagenbetrieb. Und das Pfund? Wunderbar unabhängig, aber die Pfundbevölkerung hat die gleichen Sorgen wie die Eurobevölkerung. Es sei denn man sitzt, wie ich es jetzt der Abwechslung halber tue, vor dem Pub „King’s Arms“, trinkt ein Pint „Tribute“ und schaut auf die anderen politisch offenbar völlig gleichgültigen Genießer in der Sonne.
Es ist erst ein paar Tage her, da hat in London ein durchgeknallter Islamist einen britischen Soldaten mit der Machete umgebracht. Daraufhin hat der Premierminister beschlossen, energischer gegen Hassprediger vorzugehen. Eine brillante Idee, die einem auch schon hätte kommen können, bevor ein harmloser junger Mann geköpft wurde.
Am Tag als diese Nachricht kam, sprach ich mit einem jungen Mann türkischer Abstammung, der sich darauf freute, Vater zu werden. Sohn oder Tochter ist egal. Beide will er gleich frei erziehen, wie es hier, in seiner türkeifernen Heimat die Sitte ist.
Zwei Welten des Islam in Europa. Ach, würden die vielen klugen und modernen Moslems doch öfter das Maul aufreißen, um den brutalen Fanatikern ihres Glaubens das Maul zu stopfen. Wenn die es nicht tun, muss es eben die Polizei tun, und wenn die Schönredner noch so schreien.
Aber ich sitze in Cornwall und komme auf solche Gedanken nur, weil ich ein paar Zeilen für Achgut schreiben will. Die meiste Zeit ist das alles weit, weit weg.
Der Zufall will es, dass mir das Pirräus-Lied von Melina Mercouri ans Ohr dringt. Kein original cornisches Lied, zugegeben, aber es passt in seiner entspannten, halb traurigen Lebenssehnsucht irgendwie doch. Ich höre es und muss beim Gedanken, Melina und ihre Landsleute zu strammen Preußen zu machen, in mein Ale lachen. Der Gedanke ist so absurd, als würde man von Angela Merkel verlangen, Sirtaki zu tanzen. Aber vielleicht würde sie es ja tun, wenn ihr das bei der Wiederwahl helfen würde.
Also was tun mit dem Euro? Die vielen Professoren, die Deutschland alternativ aufmischen wollen, wissen es ganz genau: Raus aus dem Euro und rein in was anderes; und zwar sollen entweder die einen raus und die anderen rein oder die anderen raus und die einen rein. Es muss nur noch geklärt werden, was das andere ist, in das die rein sollen, die aus dem Euro raus sollen.
Ja, ich sitze hier in der Sonne vor dem Pub und finde das, was die ganz klugen Köpfe wissen, immerhin unterhaltsamer als das, was die anderen sagen, die es auch nicht wissen. Nun gut, mein Pint ist getrunken. Bestell ich mir noch eins oder geh ich und leg mich wieder in die Sonne? Vielleicht kann man ja hier bleiben, wenn mit dem Euro etwas passiert.
Oder anderswo hingehen, wo auch im Winter die Sonne scheint. An die türkische Riviera vielleicht? Die Türkei ist ja ein neuer Tiger. Aufstrebend und immer noch billig. Trotz Islam und trotz der Horden deutscher Senioren, die sich dort schon tummeln und die sich unter den aus Deutschland heimgekehrten Türken sauwohl fühlen.
Schauen wir mal. In Cornwall fängt der Sommer gerade erst an. Ich hab noch ein paar Pfund in der Tasche und eine Euro-Münze für den Einkaufswagen. Nach sorgfältiger Abwägung aller Möglichkeiten habe ich einen Entschluss gefasst, der zwar nicht alternativlos ist, den ich aber knallhart durchziehe. Ich bestell mir kein zweites Ale sondern geh in den Coop und kauf mir eins und leg mich damit wieder am Meer in die Sonne. Allerdings ziehen am Horizont ein paar Wolken auf. Ist mein Plan vielleicht doch nicht alternativlos? Egal. Ich zieh ihn durch.