Cora Stephan / 31.10.2024 / 14:00 / Foto: SP Newspilot Archive / 15 / Seite ausdrucken

Toxische Weis(s)heit: Im Osten wird das kommende Erdbeben gemessen

Kann es sein, dass der Osten bereits auf den Ostbeauftragten abgefärbt hat? Das wäre Grund zur Freude. Vielleicht sollte man den Posten auf „Vom Osten lernen“-Beauftragter umbenennen? Oder gar einen Westbeauftragten ernennen?

Ich gestehe, dass ich die Frage nur schwer beantworten kann, wer in dieser Regierung verzichtbar ist. Alle, klar. Aber wer besonders? Fangen wir doch mal klein an: Verzichten wir auf einen „Ostbeauftragten“. Denn dass das Amt nötig sei, dass man also in „Dunkeldeutschland“ besonderer Hilfe bedürfe, um in Gesamtdeutschland „anzukommen“, ist anmaßend, ganz nach Besserwessi Art. 

Wofür brauchen wir ein derartiges Amt also, 34 Jahre nach der Wiedervereinigung? Der jetzige mit Auftrag heißt Carsten Schneider und ist von der SPD. Wir wollen Herrn Schneider selbst natürlich nicht unrecht tun, er sagt ja auch kluge Sachen, etwa: „In Deutschland bestimmen eher städtische Eliten die öffentlichen Debatten“, die Menschen haben das Gefühl, „dass ein bestimmtes Meinungsklima die Debatten bestimmt und ihre Meinung nicht vorkommt.“  Richtig. Doch das gilt nicht nur für den Osten. Auch im Westen hat man es satt, mit allen möglichen Demokratieförderungsmaßnahmen auf Linie gebracht zu werden. Allerdings hat man im Osten ein feineres Gespür für offene oder verdeckte Zensur, viele erinnern sich noch an die Meinungsdiktatur in der DDR. 

Vielleicht sollte man den Posten des Ostbeauftragten in „Vom Osten lernen“-Beauftragter umbenennen? Oder gar einen Westbeauftragten ernennen?

Der Gletscher, von dem die AfD kalbte

Der gute Eindruck vom derzeitigen Ostbeauftragten verflüchtigt sich allerdings, wenn man seine Ausführungen zu den jüngsten Landtagswahlen liest. Das klingt doch schon wieder eher westdeutsch elitär, auch wenn der Beauftragte aus dem Osten stammt: „Auch 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution fühlen sich viele Ostdeutsche als Bürger zweiter Klasse.“ Hm. Wissen die, wer oder was die erste Klasse ist? Die siedelt doch sicher nicht in einem Westdeutschland, das sich eine sowohl ideologisch verbohrte als auch mit Unfähigkeit brillierende Regierung gefallen lässt, ganz im Unterschied zu den protestierenden Ossis? Doch Carsten Schneider ahnt etwas: „Ostdeutschland sei hier kein Sonderfall, sondern Seismograph für Entwicklungen.“ Genau. Und das will man im Westen nicht wahrhaben.

Ja, es ist seismographisch, was im „Osten“ passiert. Dort wird das kommende Erdbeben gemessen. Deutschland wird unregierbar sein, wenn sich die „demokratischen“ Parteien nicht langsam darauf einstellen, dass sie nicht mehr allein sind. Da ist die AfD, die der CDU immer näher rückt. Aber die ist pfui. Bleibt das BSW, der neue Sammelort der Linken. PDS 2.0, sozusagen. Und die sich selbst verzwergende SPD.

Offenbar will man sich mit der Wundertüte beziehungsweise dem Mogelpaket BSW vor der Erkenntnis der Lage schützen: Die Millionen, die AfD wählen, wählen damit die anderen Parteien ab. Nur nicht die CDU, von der offenbar viele noch glauben, sie könne eine Wende vollziehen – und die im Übrigen der Gletscher ist, von dem die AfD kalbte. Es wäre naheliegend, sie würde sich mit jener Partei zusammentun, die in zwei Landtagen die stärkste Kraft stellt und im sächsischen Landtag gerade mal einen Sitz weniger hat als die CDU.

Nach sieben Verhandlungsrunden wissen wir mehr

Doch nein: man will sich mit der „Verlustmasse der SPD“ (Klaus-Rüdiger Mai) und dem BSW zusammentun, wobei die SPD schon wieder beleidigt ist, weil ein paar Abgeordnete des BSW es gewagt hatten, mit der AfD zu stimmen. Die AfD hatte einen Untersuchungsausschuss zu Corona beantragt, und so eine Untersuchung würde natürlich die SPD-Spitzenfrau Köpping treffen, die damals in sowjetischer Manier Menschen, die sich häuslicher Quarantäne verweigerten, in die Psychiatrie stecken wollte. 22 Zimmer waren dafür schon freigeräumt. Wer lässt sich daran schon gern erinnern?

In Brandenburg hat der SPD-Mann Woidke die Friedensvorstellungen des BSW halbwegs übernommen, aber was macht das schon, von Brandenburg wird es nicht abhängen, ob in Deutschland Mittelstreckenraketen stationiert werden.

In Thüringen, wo die AfD (32,8 Prozent) weit vor der CDU liegt (23,6), die hingegen mit SPD und BSW koalieren will, obwohl allen dreien zusammen die Mehrheit im Parlament fehlt, geht es insofern munter zu, als die Landeschefin des BSW sich von Wagenknecht nichts sagen lassen will. Nach sieben Verhandlungsrunden wissen wir mehr. Oder wissen wir es nicht jetzt schon?

An einem vernünftigen Verhältnis zur AfD führt auf Dauer kein Weg vorbei. Es muss ja nicht gleich eine Koalitionsregierung sein. Und einen Ostbeauftragten brauchen wir dann auch nicht mehr. 

 

Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.

Foto: SP Newspilot Archive

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Leserpost

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F. Michael / 01.11.2024

Die BRiD hat ein größeres Parlament wie das weiße Haus, größer ist nur das in China, was ein Wahnsinn. Schrumpfen auf das nötigste also 2/3 kann weg, von den Clowns.

Dietmar Blum / 31.10.2024

Unter dem Schutzschild der US-Army zu Zeiten einer tatsächlichen Bedrohung des Warschauer Paktes bis 1989,  @ Gerd Maar / 31.10.2024, ließ sich aber das “Vasallendasein” aber gut aushalten, oder?

armin wacker / 31.10.2024

Stimme mit ihnen überein Frau Stephan. Frau Weidel sieht 2029 die Zeit gekommen. Schade zwar, aber sie hat wahrscheinlich Recht. Eins ist jedenfalls klar, sie wird eine Ruine übernehmen.Ob Russland gegen die Ukraine gewinnt, ist noch nicht sicher, aber Deutschland ist schon besiegt. Frau Merkel meinte ja. wenn der EURO verliert, dann verliert die EU. Sie hätte Deutschland sagen sollen.

Peter Zinga / 31.10.2024

Was spricht dagegen, BSW als CIA-Projekt nennen?!  “Geführte” (geregelte) Opposition?” Spalte und hersche…

Günter Schaumburg / 31.10.2024

Gerd Maar@: Und was ist mit dem Erstklässler Klein-Olaf, der dreinschaute wie Klein-Fritzchen, weil die Erna ihm einen Korb gab, als der Direktor Joe ihm klarmachte, daß kein Gas durch Nord- stream fließen wird? Oder der wackere Biden lädt mir nichts Dir nichts nach Ramstein zu einer Kriegskonferenz ein - Ramstein liegt meines Wissens immer noch in Germanistan? Auch sei an die Abschiedsrede vom früheren US-Botschafter Grenell erinnert, der sagte:“Deutschland war, ist und bleibt US-amerikanisches Protektorat!” Und immer noch befinden sich 30 000 US-Solda- ten auf deutschem Gebiet, jedoch einen Russen sucht man vergebens! Noch mehr Beispiele für die deutsche “Souveränität” gefällig? Ihnen ist sicher auch bekannt, daß der 2plus4-Vertrag von 1990 gewisse Geheimklauseln enthält? Die USA sind bei vielen Deutschen immer noch der fried- liebende Unschuldsengel. Geschichtskenntnisse waren noch nie eine Stärke der Deutschen.

Helmut Driesel / 31.10.2024

  Die CDU als Partei der Christen ist ja eigentlich von Hause aus auf die Verteidigung gegen die dunklen Künste getrimmt. Wenn der Höcke jetzt käme und würde sagen “Ihr wollt es doch auch” - dann kann das nur als diabolische Attacke verstanden werden. Die lockere oder sporadische Zusammenarbeit würde der AfD den Schneid und der CDU die Wähler kosten. Und eigentlich haben wir auch nicht die Zeit für listige Spielchen und parteipolitische Egoismen. Weiter herumwursteln kann im Prinzip jeder. Große Aufgaben kann man so nicht bewältigen.

Uta Buhr / 31.10.2024

Aber sowas von pfui, liebe Autorin. Wer auch nur andeutet, mit der Wahlsiegerin AFD kungeln zu wollen, gehört in den Knast. Für mindestens fünf Jahre. Ironie aus. Danke, danke, für Ihren kurzen und knackigen Artikel,  Frau Stephan. Genau so, wie Sie schreiben, isses.

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