Cora Stephan / 17.03.2022 / 12:00 / Foto: Maasak / 58 / Seite ausdrucken

Cora Stephan: Können wir uns noch selbst helfen?

Haben die hilfsbereiten Deutschen mittlerweile verlernt, sich selbst zu helfen? Könnten sie sich im Falle einer größeren Katastrophe schützen? Gäbe es genug Zivilschutzanlagen, Lebensmittel und Energievorräte? Wir wissen mittlerweile: Da ist nichts.

In Deutschland ist die Freiheit der höchste Wert, hier liebt man seine Heimat und ist bereit, Volk und Vaterland bis auf den letzten Blutstropfen zu verteidigen.

April, April! Wir würden solche Begriffe natürlich nie benutzen oder gar das, wofür sie stehen, weshalb wir lieber fremde Fahnen als die eigenen hissen. Derzeit die der Ukraine. Ersatzweise bewundern Deutsche die Menschen in der Ukraine dafür, dass sie heldenhaften Widerstand gegen den russischen Überfall leisten. Für die Freiheit, für die Heimat, für das Volk, für das Vaterland.

Als ob viele ein wenig Sehnsucht nach all dem hätten, was die Deutschen sich selbst seit Jahren ausgetrieben haben. Sehnsucht auch nach männlichen Helden, nach Führerfiguren wie Selenskij? Nach dem uralten Normal, dem überkommenen Pakt zwischen Mann und Frau, der da heißt: Frauen und Kinder in Sicherheit bringen, die Männer bleiben im Land und fechten die Sache aus?

Und dennoch – irgendetwas ist an der flammenden Anteilnahme am Schicksal der Ukraine schräg. Es ist schließlich noch nicht lange her, dass das Land auch in unseren Qualitätsmedien als Hort von Korruption und Rechtlosigkeit beschrieben wurde, „korrupt wie eh und je“, auch unter Selenskij. „Würden in der Ukraine nicht Milliarden geklaut, bräuchte das Land keine Kreditmilliarden aus dem Westen“, hieß es noch vor einem Jahr in der Süddeutschen Zeitung. Weitere Beispiele erspare ich mir, sie rechtfertigen nicht im geringsten Putins Aggression – muss ich das dazu sagen? Sie geben höchstens einen Hinweis darauf, dass sich womöglich noch ganz andere Sehnsüchte mit der Solidarität für die Ukraine verbinden. Sehnsucht nach Freiheit, vielleicht, nach zwei erschöpfenden Coronajahren, eine Sehnsucht, die sich anders nicht ausdrücken kann?

Ebenso trostlos wie skandalös

Doch was tun für die Solidarität? Wir haben nichts in der Hand. Dass seine Regierungen insbesondere unter Angela Merkel Deutschland seit Jahren in eine Lage gebracht haben, in der das Land gänzlich abhängig ist von anderen – keineswegs nur von Putin –, ist ein Skandal. Doch seine Bürger gleichen das aus mit einer schier überfließenden Hilfsbereitschaft.

Aus ganzem Herzen: Insbesondere das private Engagement ist bewundernswert. Es ist verlässlicher als alle anderen Institutionen, die dafür zuständig sein müssten. Umso sorgsamer sollte man damit umgehen.

Nun kommen ja tatsächlich, anders als 2015/16, überwiegend Frauen und Kinder, die sich vor dem Krieg in Deutschland in Sicherheit bringen. Bedient das männlichen Sexismus, wie die schrille Margarete Stokowski behauptet? Und ist es Rassismus, zu fordern, die Ukraineflüchtlinge nicht in Sammelunterkünften mit anderen Asylbewerbern unterzubringen? Offenbar ist eine junge Frau aus der Ukraine von diesen „anderen“ Asylbewerbern vergewaltigt worden, der eine Tunesier, der andere aus Nigeria. Sie hat sich jetzt nach Polen in Sicherheit gebracht.

Es ist ebenso trostlos wie skandalös. Die Hilfsbereitschaft der Bürger scheint, ganz so wie 2015/16, von Trittbrettfahrern ausgenutzt zu werden – und das mit Billigung der Regierung. Innenministerin Nancy Faeser möchte alle aufnehmen, die da kommen, egal, wer sie sind. So etwa? „Hier reist der halbe Balkan an“, meint ein Berliner Bundespolizist. Berliner Kriminalbeamte finden es „unabdingbar“, dass alle Menschen aus der Ukraine erkennungsdienstlich behandelt werden, schließlich könne es zur russischen Kriegsführung gehören, auch Gefährder einsickern zu lassen. Unplausibel? Ganz gewiss nicht. Doch die Berliner Verwaltung spielt nicht mit – aus ideologischen Gründen, meint der Bund Deutscher Kriminalbeamter.

Wer seine Grenzen nicht kontrolliert, kann auch Bedürftige nicht schützen. Überdies ist das ein Schlag ins Gesicht der Hilfsbereiten – zumal, wenn zugleich gemahnt wird, sich nicht so anzustellen als Deutscher, wenn man sich mal so ein bisschen einschränken muss, Frieren für die Freiheit, etwa.

Mal andersherum gefragt: Haben die hilfsbereiten Deutschen womöglich mittlerweile verlernt, sich selbst zu helfen? Könnten sie sich im Falle einer größeren Katastrophe schützen? Gäbe es genug Unterkünfte, Zivilschutzanlagen, genug an Lebensmitteln, medizinischer Grundversorgung, und, ja, Energievorräten? Wir wissen mittlerweile: Da ist nichts.

„Wer an seinen Grenzen wegschaut, hat auch auf die Verhältnisse im Innern einen unscharfen Blick“, schreibt Alexander Kissler in der NZZ. Es sieht ganz so aus, als ob viel zu viele in Politik und Medien sich die Augen fest zuhalten.

 

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Jürgen Knittel / 17.03.2022

Wenn alle genug gefroren und gehungert haben und die Überlebenden aus den Ruinen gekrochen sind, wird es wieder besser werden! Alle werden nun wissen, was wirklich zählt! Erfahrung ist die bitterste aller Lernmethoden!

Boris Kotchoubey / 17.03.2022

“schließlich könne es zur russischen Kriegsführung gehören, auch Gefährder einsickern zu lassen” // Liebe Frau Stephan, mindestens EINE MILLION (arabische Zahl: 1 000 000) der sogenannten Russlanddeutschen fordern bereits JETZT den militärischen Eingriff der russichen Armee auf Deutschland und die Beseitigung der deutschen Regierung (wobei man im 2.Teil der Forderung vielleicht sogar einen Sinn finden könnte…) Wie viele “Gefärder” braucht man noch?

H. Adel / 17.03.2022

H. Adel/17.03.2022 - Heute im Bundestag eine Debatte zu den Verbrechen des SED-Regimes der DDR, Enquete-Kommission zur Aufarbeitung von SED-Unrecht, ausgerechnet eröffnet durch Bundestags-Vize, Petra Pau (ehemals SED). Möchte mal wissen, wie die sich vorgekommen ist, oder besser, mit welcher Unverfrohenheit ehemalige Genossen im BuTag sitzen. Aber Merkel hat es ja in 16 Jahren geschafft, die DDR 2.0 zumindest in Teilen wieder zu errichten. Zum Glück gab es einige Redner, die darauf hingewiesen haben, dass es DDR-Bürger waren, die die Wende herbeigeführt haben. Jetzt zahlen wir ALLE gemeinsam diesen leichtsinnigen Anschluss, mit totaler Enteignung, an ein jetzt ausgehöltes Grundgesetz. Soll ja immer noch Leute geben, die nach über 30 Jahren nicht wissen, dass auch der “gemeine” Ossi den Soli bezahlt hat. Ob unsere Nachkommen auch so eine Kommission gründen werden? Befreit von Eigentum, von Mehl, Speiseöl, Benzin und Diesel, Gesundheit, ....aber daran ist ja der Russe schuld. HA

Christian Feider / 17.03.2022

Frau Stephan tief unter der Asche,trotz all dem “wir sind bunt” Geblöke der linken,gibt es uns wehrhaften deutschen Männer natürlich noch,selbst nach dreissig Jahren Umerziehung(die fing ja 1991 mit dem “Kampf gegen Rechts” an) aber wieso sich in ein Feer stellen,wenn die “Haltung” des naechsten deutschen mehr als unklar ist? Konservativ denkenden Deutschen ist es mit Sicherheit mehr als einmal passiert,das man sich etwas freier ässerte und dafür dann hinterrücks diffamiert wurde vom Gegenüber… nee,dieses Land muss grundgereinigt werden!

Karsten Dörre / 17.03.2022

@Peter Holschke, “Es macht schon einen Unterschied ob wir eine friedliebende Regierung unterstützen oder eine Bande von Kleptokraten und Gaunern…” - Wenn Sie so Krieg verstehen, kann jedes Mittel recht sein, Völker zu überfallen und ganze Landstriche unbewohnbar zu machen. Hoffentlich erwischt es Sie nicht als Zivilist, weil wer feststellt, irgendeine Regierung woanders gefällt nicht, “wir werden mal das dortige Volk per Überfall, Annexion und Krieg bestrafen.” Sicherlich fand das früher schon statt, z.B. im Mittleren Osten (mit und gegen Saddam Hussein). Aber auch das rechtfertigt keine Fortsetzungen solcher Handlungen durch andere.

S. Wietzke / 17.03.2022

Da ist er wieder, der Gefühlskitsch über den ach so netten Normalo. Und was sind sie wieder alle hilfsbereit und was haben sie wieder alle gespendet. Für mich liest sich das eher wie die Beschreibung infantiler, aber dafür selbstgerechter Deppen. “Sehnsucht auch nach männlichen Helden, nach Führerfiguren wie Selenskij? Nach dem uralten Normal, dem überkommenen Pakt zwischen Mann und Frau, der da heißt: Frauen und Kinder in Sicherheit bringen, die Männer bleiben im Land und fechten die Sache aus?” Ist das Rosamunde Pilcher für Arme? “Sehnsucht nach Freiheit?” Der Satireeinschub ist gelungen. Für den gemeinen Deutschen ist Freiheit keine Verheißung sondern eine existentielle Bedrohung. Aber dann schlägt doch wieder die kognitive Dissonanz mit voller Härte durch: “Doch seine Bürger gleichen das aus mit einer schier überfließenden Hilfsbereitschaft.” Völlig falsch. Sie gleichen das aus mit schier unbegrenzter Dummheit. So stützen sie auch diesmal das System bis zum Endsieg. Der Ausgang wird ähnlich sein. Zumindest was die Schadensbilanz angeht. Und deshalb kann die Regierung, die sich die Bewohner zwischen Rhein und Oder wirklich redlich verdient haben, ja auch problemlos mit Einführung der Zwangsspritzung in den offenen Staatsterror übergehen. Der Jubel der Massen ist ihr gewiss.  

Gus Schiller / 17.03.2022

““Führerfigur Selenskij??”” Mitnichten. Er ist ein Büttel der Oligarchen, die die Ukraine fest im Griff haben und wahrscheinlich am Krieg gut mitverdienen. Er ist eine Marionette, nur eben nicht von Wladimir.  ++ Dass Nancy “Kuckucksheim” Faeser jeden aufnehmen will, ist ja kein Geheimnis mehr. Hereinspaziert, die Sondervermögen (vulgo = Schulden) sind unerschöpflich. ++ Im Ahrtal sitzen immer noch Menschen auf ihren Trümmern, weil die Bananenrepublik D nicht zügig die Ansprüche klären kann. Aber das sind ja alte, weisse Deppen, die haben es nicht besser verdient. +++ Eins ist klar, wenn es morgen hier eine große Katastrophe gäbe, kein Land würde auch nur einen Finger krumm machen um uns zu helfen. Schon gar nicht welche, die 2000 km weit entfernt sind. Die würden sich ans Knie p.. vor Schadenfreude.

Ridley Banks / 17.03.2022

Texas ist schoen, und echt republikanisch…

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