Cora Stephan / 25.08.2022 / 12:00 / Foto: Pixabay / 37 / Seite ausdrucken

Cora Stephan: Die Stimme der Provinz. Wir Abhängigen.

Was wären wir ohne den Welthandel? Arm dran. Was sind wir, dank ungebremster Globalisierung? Arm, weil abhängig.

Von Energie, von Lebensmitteln, von elektronischen Kleinteilen, ohne die keine avancierte Maschine läuft, sofern hierzulande noch welche gebaut werden. Was die Energie betrifft, wissen es mittlerweile auch jene, die es nicht wissen wollen: Wir haben uns absichtsvoll und ohne Not vollständig von anderen abhängig gemacht, vor allem von Russland, dessen Gaslieferungen erst die Illusion von der Möglichkeit einer „Energiewende“ mit Sonne und Wind erlaubt haben.

Souverän ist, wer über Energie verfügt. Wir sind es schon lange nicht mehr. Mehr noch: Deutschland kann auch in anderer Hinsicht für sich selbst nicht sorgen. Ich weiß, ich weiß: wer das Wort „Autarkie“ benutzt, macht sich naziverdächtig. Und es ist ja richtig: es gibt sie nicht, wovon übrigens auch Adolf Hitler ausging. Doch ein kurzer Blick zurück in die deutsche Geschichte zeigt drastisch, was den Wunsch nach Selbstversorgung einst befeuerte.

Seine Kriegsgegner haben dem Kaiserreich im und nach dem Ersten Weltkrieg unmissverständlich klar gemacht, dass es sich mit Lebensnotwendigem nicht selbst versorgen konnte. Direkt nach Kriegsbeginn 1914 verbot Großbritannien den Handel mit dem exportabhängigen Deutschland und blockierte die Handelswege zwischen den Shetland-Inseln und Südnorwegen und im Ärmelkanal durch Minen und Patrouillenschiffe. Bei hochwertigen Metallen wie Wolfram, Chrom, Nickel, Aluminium, Zinn und Mangan war Deutschland vollständig auf Importe angewiesen. Die chemische Industrie hing von der Einfuhr von Salpeter, Schwefel, Kautschuk und Rohöl ab. Das alles fiel nun weg.

„Die Herkulesaufgabe der nächsten Monate“

Die Landwirtschaft wiederum litt unter dem Entzug von Pferden und Dünger und dem Fehlen männlicher Arbeitskräfte, die folgende Lebensmittelknappheit bescherte den Deutschen Hungerkrawalle und angesichts fehlender Kartoffeln den „Kohlrübenwinter“. Schätzungsweise 750.000 Menschen starben an Unterernährung und deren Folgen. Und selbst nach dem Waffenstillstand im November 1918 ging das Elend noch monatelang weiter. Die Handelsblockade verstieß zwar gegen das Völkerrecht, aber so what? Sie funktionierte.

Das Trauma saß tief und ist doch heute vergessen. Jedenfalls bei unseren Politikern. Die neue Durchhalteparole lautet „Frieren für die Freiheit“ und findet womöglich bald Ergänzung durch „Hungern gegen die Despotie“. Denn die Ideologen an der Macht verweigern sich jedem Versuch, wenigstens in Sachen Energie wieder eine gewisse Souveränität herzustellen. Wir brauchen kein Schiefergas aus Kanada oder den USA, wir hätten selbst genug davon. Wir könnten die Kernkraftwerke weiterlaufen lassen, wenn sich die Politik endlich dazu entscheiden würde. Wir verfügen über Kohle, reichlich davon.

Und ja, wir könnten Nordstream 2 anzapfen, und sei es nur, wie der listige Herr Kubicki meint, um herauszufinden, ob Putin zweifelsfrei „die planvolle Schwächung unserer Volkswirtschaft“ betreibt. „Wenn aber Gas fließt, machen wir unsere Speicher voll und konzentrieren uns auf die Herkulesaufgabe der nächsten Monate: die schnellstmögliche Unabhängigkeit von russischem Gas. Und dann können wir alle Leitungen dichtmachen.“

Bauern sehen sich im Zangengriff von Discountern

Doch die Ideologen an der Macht riskieren nicht nur Dunkelflaute mit Blackout im kommenden Winter. Auch der Lebensmittelversorgung durch einheimische Produkte geht es systematisch an den Kragen. Nicht nur die Bauern der Niederlande protestieren und blockieren mit schwerem Gerät die Straßen, seit ihre Regierung das Landvolk dezimieren will. Wahrscheinlich wegen der Methanrülpser der vielen Rinder, die bekanntlich das Klima kaputt machen.

Auch bei uns rollen wieder Trecker, auch gen Berlin, zu jener Regierungszentrale, die die größte der Welt sein wird, wenn ihr Ausbau nicht gestoppt wird, wozu es nicht kommen wird, sparen müssen schließlich immer die anderen. Bauern sehen sich im Zangengriff von Discountern, die die Erzeugerpreise drücken, und Ideologen an der Regierung, die lieber Windgiganten in den Wald betonieren lassen als sich einer vernünftigen Agrarpolitik zu befleißigen, die den Erzeugern ein gutes Überleben ermöglicht und die Lebensmittelversorgung sichert.

Aber wir haben ja den Weltmarkt, gell? Während man einheimische Produzenten mit strengen Vorschriften kujoniert, fragt niemand, unter welchen Umständen das „Bio“-Zeugs produziert wurde, das wir aus China importieren. Jedenfalls solange Chinas Führung uns damit noch versorgen will.

Denn auf die Gutwilligkeit von Despoten soll man sich nicht verlassen. Und, wer weiß, womöglich trägt auch die Solidarität von „Freunden“ nicht weit, wenn es hart auf hart kommt. Abhängigkeit ist nicht nur bei Drogensüchtigen gesundheitsschädlich. Die Handelsblockade, die auch nach der Kapitulation noch anhielt, forderte unzählig viele Todesopfer in der Zivilbevölkerung.

Foto: Pixabay

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S. Busche / 25.08.2022

Adolf’s Schergen haben damals Grundstücke in einer Größe zugewiesen, die die Selbstversorgung einer Familie ermöglichten. Nationalistisch und sozialistisch! Schlimm, wenn dem Staat bei sowas die Steuern und die Kontrolle entgeht. Selbstversorgung, ein Risiko von Tauschgeschäften und Schwarzmarkt: Kartoffeln gegen Möhren oder Erdbeeren! Ein Huhn, ein Ei ein Schinken. Hausschlachtung… Upps! Viel zu viel Bio. Das geht viel zu weit! Ab morgen wird Kleinvieh besser konfisziert, eigenes Gemüse wegen irgendwas virus-idiotischem vernichtet, Feuer verboten und die Luft rationiert. Aus nationalem Interesse zur Wahrung der sozialen Sicherheit. Nicht kapiert? Liebe Stadtmenschen: Bald könnt ihr auf dem Schwarzmarkt die grün- goldenen Parteiabzeichen gegen Brotreste eintauschen. Endstation Realität!

Dirk Jungnickel / 25.08.2022

“Während man einheimische Produzenten mit strengen Vorschriften kujoniert, fragt niemand, unter welchen Umständen das „Bio“-Zeugs produziert wurde, das wir aus China importieren.“Wie wahr ! Und nicht zu vergessen:  Ohne China würden wir natürlich dem Hungertode entgegen taumeln. Dieses “Ex - Entwicklungsland”  kassierte bis 2010 noch reichlich Entwicklungshilfe und klaute frech unser Know How. Hier mal Auszüge auf eine Anfrage zum Thema im Internet:  “Wegen seiner Bedeutung beim Schutz und bei der Bereitstellung globaler öffentlicher Güter und seiner Mitwirkung an internationalen Prozessen kommt China eine Schlüsselrolle zu…. Bei der Lösung globaler Zukunftsfragen wie Klima und Umwelt etwa. Beispielsweise beträgt der weltweite Anteil des CO2-Ausstoßes von Deutschland rund 2 Prozent, der von China dagegen knapp 30 Prozent. Das heißt, ohne China kann der Klimawandel nicht effektiv bekämpft werden…..Seit der Einstellung der klassischen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit erfolgt die Kooperation in der finanziellen Zusammenarbeit über sogenannte Förderkredite. Bestehende Verpflichtungen, die der Volksrepublik China bis zum Jahr 2009 völkerrechtlich verbindlich zugesagt wurden – oft im Sinne von Programmen mit mehrjähriger Laufzeit – wurden und werden planmäßig bis zum vorgesehenen Abschluss umgesetzt..…” (BWZ, gekürzt) NOCH FRAGEN, BITTE.

Helmut Driesel / 25.08.2022

  “Arm dran” ist nicht die richtige Schlussfolgerung. Abhängig sein ist vielmehr der Normalzustand, alle lebenden Systeme sind abhängig von etwas. Kein Einzeller existiert, wenn sich nicht die richtigen Substanzen außerhalb seiner Grenzflächenmembranen befinden. Viren brauchen ihren spezifischen Wirtsorganismus, Pflanzen und Tiere brauchen Wasser, Nährstoffe, Futter, Platz und ein geeignetes Klima. Menschen brauchen Gesellschaft, Organisation und Arbeitsteilung, Wissen und Religion eventuell, Frieden ist günstig. Auch Hierarchie und Führung, zumindest, wenn sie in Massen auftreten. Das Klima ist nicht egal, aber auch nicht ultimativ. Städter sind abhängig vom Land und seinen Bauern. Firmen sind abhängig von Verkehrsanbindung und Versorgung. Alle, die gern Fisch essen, bedürfen derer, die bei Sturm und Sauwetter zur See unterwegs sind. Solche Berufe wie Fischer, Bergmann, Bauer, Soldat, Polizist, Arzt oder Zahnarzt u.a. erfordern ein Überzeugungsgefüge, das aus den Abhängigkeiten der Mitmenschen Selbstwertgefühl erzeugt. Man ist nicht “arm dran”, weil man zum Zahnarzt oder Urologen muss, sondern man wäre es dann, wenn keiner zu erreichen ist. Oder wenn sich niemand berufen fühlt, sowas zu studieren. Unser Leben ist voll von Abhängigkeiten. Unser Gehirn ist auch gut geeignet, sie zu managen. Darauf kommt es an. Das Wissen darum stiftet Optimismus. Doch Optimismus alleine löst kein Problem. Ich glaube, wir haben alle ein Problem mit dem Rückzug, besser das neudeutsche Downgrading, privat und auch gesellschaftlich. Manchmal ist es nötig, Schritte zurück zu gehen.

Carlo Stronzo di Contadino / 25.08.2022

“Wir haben uns absichtsvoll und ohne Not vollständig von anderen abhängig gemacht, vor allem von Russland, dessen Gaslieferungen erst die Illusion von der Möglichkeit einer „Energiewende“ mit Sonne und Wind erlaubt haben.” Sehr geehrte Frau Stephan, spätestens hier muss ich Ihnen widersprechen. Deutschland war noch nie und wird auch noch nie ein Rohstoff- oder Energielieferant sein oder werden. Wir haben uns durch unsere Ingenieursdienstleistungen und den Maschinenbau etc. diese Rohstoffe kaufen können. Damit waren wir immer von anderen Ländern abhängig, aber so etwas kann man mit vernünftigen Verträgen regeln, gerade mit Russland seit weit über 100 Jahren . Leider haben wir uns vom Ingenieursstand verabschiedet und produzieren nur noch Diplom-Sozial-Pädagogen und importieren Sozialfälle und Anspruchsdenkende. Das ist dumm gelaufen, die Dipl.-Sozial-Pädagogen braucht nämlich fast niemand und die Sozialfälle will niemand, der rational denken kann.

Klaus-Peter Buesing / 25.08.2022

“Wir” sind also nicht souverän weil “wir” nicht über eigene Energiequellen verfügen. Dann müssen “wir” also andere Möglichkeiten nutzen. Dazu gehört aber auch, dass man sich dann in Abhängigkeiten begibt. Um den “Laden”  also am Laufen zu halten kann man nicht auf eventuell andere Gesellschaftsformen o. politische Verhältnisse Rücksicht nehmen.

Boris Kotchoubey / 25.08.2022

Wie man das Scheindilemma “Autarkie oder Abhängigkeit” lösst, wusste noch der alte Bismarck: Man muss von Vielen ein bisschen abhängig sein, aber nie von einem Einzigen. It’s elementary, Watson - zumindest in der Theorie.

Gerhard Schäfer / 25.08.2022

Im Nachgang zu meinem Kommentar: Der Artikel “Die Gefahren des freien Handels” aus Spektrum der Wissenschaft 1992 ist im Internet noch auffindbar. (Unter “Die Gefahren des freien Handels Spektrum der Wissenschaft” googlen!)

Christel Beltermann / 25.08.2022

Liebe Frau Stephan, seien es nun Dummheit, Opportunismus oder pure Absicht, um dieses Land zu marginalisieren. Eines sollte viel mehr in den Vordergrund gerückt werden: wenn die monetären Ressourcen erschöpft sind, kann D nichts mehr für die so sehr ‘bedürftigen’ EU-Staaten zahlen. Und die , die sich hierzulande monatlich 5-stellig am Steuergeld bedienen - wir wissen schon, wer das in erster Linie ist - können den Gürtel dann auch mal enger schnallen. Ich weiß, das sind Wunschträume. Zuvor bringen sie sich in Sicherheit, ganz fern oder wie einst die Helden vom Majakowskiring bzw. Wandlitz.

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