Cora Stephan / 20.05.2021 / 10:00 / Foto: Pixabay / 18 / Seite ausdrucken

Cora Stephan: Die Stimme der Provinz – im Wechselbad

Seit ich vor vielen Jahren an einem selbstredend lauen Sommerabend auf der Terrasse eines uralten französischen Steinhauses saß, mit Blick auf ein wild bebuschtes Tal, habe ich gewisse, wenn auch natürlich nur geringfügige Vorbehalte gegen William Shakespeare. Gewiss, es gibt dichterische Freiheit. Aber hier wäre es doch angebracht gewesen, realistisch zu sein? „Es ist die Nachtigall und nicht die Lerche“, beschwört Julia ihren Romeo – was soll uns das sagen? Dass die Lerche ein Frühaufsteher ist und die Nachtigall beim ersten Sonnenstrahl vampirgleich entfleucht? Dass es also noch Nacht ist und die Preußen nicht kommen?

Nichts da. Die Nachtigall hat einen irreführenden Namen. Die ist tags UND nachts unterwegs. Ein anderer Dichter sah da schon klarer: „Wem die Nachtigall schlägt“ – schrieb solches nicht Hemingway? Denn dieser Vogel ist bei Tag wie bei Nacht alles andere als friedlich-freundlich. Auf ein heftiges Tackern folgt ein eindringliches Zicken, gern auch Glucksen oder Pfeifen, um den Hund zu verwirren, bevor irgendetwas erklingt, das Gesang zu nennen wäre. „Mit einem Schallpegel von über 90 Dezibel, gemessen in einem Meter Entfernung, erzeugt die Nachtigall einen Lärm, der nach Europäischer Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz eigentlich verboten ist“, meint ein Kenner der Materie. Besonders hübsch in diesem ganzen formidablen Getöse ist ein eindringliches „Schwarzschwarzschwarz“ oder „Stopstopstop“ – und genau darum geht es. Es johlen nur die Männchen – und was sie damit beabsichtigen, liegt nahe: Weiber anlocken und Konkurrenten vertreiben. Am erfolgreichsten sind, hier wie anderswo, die aggressiveren Kerle, die ihren Konkurrenten ins Wort fallen – und jene Softies, die besonders oft „schluchzen“, also mit langsam lauter werdenden Flötentönen beginnen. Kommt uns bekannt vor, gell?

Ja, die Natur. Auch wenn sie so heimelig daherkommt, ist sie immer wieder für Überraschungen gut. Deshalb ist das Landvolk durch kaum etwas irgendwie Natürliches nachhaltig zu erschüttern. Alle erdenklichen Katastrophen und Weltuntergänge haben wir schon durch, wir, die wir schon länger leben. Weshalb wir allen finalen Aussagen misstrauen, die da sind „nimmt immer mehr zu“ (Hitze) oder „wird immer weniger“ (Artensterben). 

Jetzt lauern sie auf die Wiederauferstehung 

Es wechselt, ist mal so, mal so. Auf den Klimasommer 2019, der, so meinte damals next canclerette Annalena Baerbock, schuld sei an den auffälligen Zitteranfällen der Kanzlerin, folgt nun der Klimafrühling 2021, der ebenfalls zum Zittern verleitet mit exzeptionell viel Nässe und Kälte. Sieht ganz so aus, als ob es auch im uns bevorstehenden Sommer nicht viel besser wird. Das Landvolk sieht‘s gelassen: Für Flüsse und Seen und das Grundwasser ist das prima. Man kann daraus nichts ableiten – kein Kanzlerzittern und keine Vergletscherung, wie ja auch 2019 kein Beweis für den baldigen Hitzetod war.

Auch was das Artensterben betrifft, gibt es kein immer weiter so dem Ende zu. Müsste der gemeine Haussperling nicht längst ausgestorben sein? Ist er nicht, er hat ein Comeback, selbst die im letzten Jahr noch von einem Bakterium bedrohte Blaumeisenpopulation hat sich erholt. Auch, was das Insektensterben betrifft, gibt es Konjunkturen – und vielleicht übersehen wir ja manches, wenn wir Verluste beklagen? So ward etwa eine gemeine Zikade in den USA jahrelang nicht gesehen. Ein Lockdown, der sich gewaschen hat, wo unsereins schon nach einem Jahr mosert! „Seit exakt 17 Jahren sitzen die Zikaden der sogenannten Brut X im Untergrund, ohne Netflix, Sauerteigbrot und Video-Calls.“

Aber jetzt! Jetzt lauern sie auf die Wiederauferstehung. Nach 17 Jahren im Larvenstadium erheben sie sich, sobald es wärmer wird, eine Invasion, vor der es kein Entkommen gibt, gigantische Schwärme werden sich über Washington erheben – und vor allem entsetzlichen Krach machen. Wg. Sex. Also ganz wie die Nachtigallen oder Ihre Nachbarin. 

Und so warten wir jedes Jahr auf das Ende, auf welches auch immer. Natur kann so hinterhältig sein.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Thomas Taterka / 20.05.2021

@Hermine Mut- Im nächsten Leben werden Sie reich sein , auf dem echten Land leben , der nächste Nachbar wird weit weg sein und Sie werden im Garten sitzen und Henry Purcell hören , ohne gestört zu werden . - Ich auch . Allerdings wird mein Hund meinen mitsingenden Bariton begleiten durch Mitheulen . Da muß er durch , wenn ich gute Laune habe.

Manni Meier / 20.05.2021

Lerche oder Nachtigall, was kümmert’s mich. Es ist der Kuckuck auf den’s ankommt “wenn’s um’s Geld geht”. Nach altem Landvolkbrauch soll man dreimal auf seine Geldbörse schlagen, wenn man den Kuckucksruf erstmalig im Frühling hört und das ganze Jahr wird finanziell erfolgreich verlaufen. Nun habe ich den Schrei dieses Schicksalsvogels diese Jahr schon zweimal vernommen. Beim ersten Mal hatte ich kein Geld dabei und beim zweiten Mals saß ich auf dem Klo. Kurz darauf wurde Annalena zur Kazlerkandidatin ausgerufen.

Ralf Weinreich / 20.05.2021

Am schlechten Wetter wird wohl die AfD schuld sein – schuld sein müssen, – denn wie hieß es doch so schön in der DDR: “Die Sonne scheint, der Himmel lacht, dass hat die SED gemacht”. Und das waren ja die Guten – oder auch nicht – je nachdem aus welcher Himmelsrichtung man die Sache betrachtete. Und heute ?

Peter Volgnandt / 20.05.2021

Hab heute meinen Spinat geerntet. Soviel hatte ich noch nie. Wird eigefroren für später, weil wir nicht alles auf einmal essen können. Ach ja und die berühmten Primzahlenzikaden wollen durch den Primzahlencyclus so ihren Räubern entkommen, die sich in kürzeren Abständen vermehren. Klappt meist, aber nicht immer.

Chr. Kühn / 20.05.2021

Gibt eine uralte teutsche Bauernregel: “Ein Ostpreuße nach alter Art trägt seinen Pelz bis Himmelfahrt. Und in der Woche nach Johann zieht er ihn wieder an.” Läßt sich so oder ähnlich auch auf andere teutsche Gaue übertr….OH MEIN GOTT, ER HAT GAUE GESAGT!!!1!!! Soll heißen: Obsternte fällt dieses Jahr aus, die ersten Blüten hat der Frost gemordet, an die zweiten sind die Bienen durch’s Kaltnaßwetter nicht hingekommen und so etwas wie aquatische Bestäubung gibt’s wohl net. Daher…guat, daß mer s’letschd Joahr zimftig M’rmalad einkocht hend. ;-)

Andreas Hofer / 20.05.2021

@Hermine Mut: Nach dem Laubbläser kam der Laubhäcksler. Man muss nicht auf dem Land leben, um die Erfinder und Nutzer dieser Dinge die Pest an den Hals zu wünschen…

Hans-Peter Dollhopf / 20.05.2021

Frau Mut, Provinz klingt doch nicht ohne Grund nach provozieren.

Anton Weigl / 20.05.2021

Ich würde jetzt auch gerne das Gras silieren. aber das Wetter ist etwas zu unbeständig. Ich will nicht die Wiesen zerstören. Aber ich tröste mich. Dieses Wetter hilft gegen die Grünen. Eine andere Bäuerin jammerte meiner Frau vor , daß es viel zu kalt sei. Sie sagte : Meinetwegen frieren wir uns bis zum September den Arsch weg. Hauptsache es hilft gegen die Grünen.

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