Cora Stephan / 03.06.2021 / 10:00 / Foto: Pixabay / 21 / Seite ausdrucken

Cora Stephan: Die Stimme der Provinz. Abstand halten!

Wenn es eines gibt, das es verdient, die Panikpandemie zu überdauern, dann ist es Abstand halten. Mag ja sein, dass ich eine besonders große Zone um mich herum brauche, in der mir niemand auf die Pelle rückt. Egal. Bleibt mir vom Leibe! Alle! Bis auf die wenigen, die ich gern umarme, natürlich. Und das habe ich auch in den letzten Monaten nicht durch diese supernetten Ellenbogenknuffs ersetzt.

Abstand ist in jeder Hinsicht gut. Mit Abstand nimmt man besser wahr, gern auf Augenhöhe, aber so, dass man noch das ganze Bild erkennen kann. Aug‘ in Aug‘ ist Aggression. Mit Abstand wird man auch die letzten Monate besser einschätzen können – als politikinduzierte Phase partiellen Wahnsinns, vermute ich mal. Ich freue mich jetzt schon auf den Abstand zu 16 Jahre Merkelregiment, möge sein Ende lieber früher als später eintreten.

Bei uns in der Provinz ist der Abstand sozusagen eingebaut. Man denke nur an die ginstergelbglühende norddeutsche Tiefebene, wo außer regensatten Wolken nichts allzu nah ist. Zwischen Meierhof und den dazugehörigen Kotten für die Landarbeiter gibt es genug Abstand, nicht nur den sozialen zwischen Herrschaft und Gesinde. Von einem Dorfkern kann keine Rede sein, wenn man Glück hat, gibt es an der Kreuzung ein paar Kilometer weiter eine Kneipe, die „Zum Timpen“ heißt. Oder so ähnlich.

Dörfliche Enge ist dem vorbehalten, was der Fachkundige als südwestdeutsche Gemengelage erkennt. Das ist da, wo sich Häuser, Scheunen, Tiere und Menschen aneinanderkuscheln, was nicht immer Freude stiftet. Vor oder hinter dem Altbau wird oft noch ein neues Gehäuse hochgezogen, für die Kinder oder Enkel. Bebaubarer Boden ist knapp. Und doch: lieber hier leben als in den großstädtischen Kasernen, auch wenn sie Balkon haben und untenherum Straßengrün.

Distanz, um das Leben in diesem Land zu ertragen

Berlin, etwa. Dort ist Abstand noch schwerer zu haben als in einem oberhessischen Dorf, selbst zu einer Zeit, in der das Shoppinggedränge noch immer nicht den Vorkriegsstand erreicht hat. Was will der Berliner? Raus aus der Stadt.

Meinetwegen mit Badehose an den Wannsee. Noch besser hat man es auf einem Hausboot. Wir haben das ausprobiert. Vom Spandauer See bis zum Nieder-Neuendorfer See braucht man ein paar Stündchen, schneller tuckert das Boot mit seinen beiden Yamaha-Motoren (je 7 PS) nicht. Aber dann! In einer Nische rechts vom Havelkanal die Anker versenken, dem Sonnenuntergang zuschauen, den Fröschen lauschen und den Wasservögeln, wenn Enten zanken und Schwäne sich mit viel Getöse aus dem Wasser heben. Seerosen schwimmen um einen herum, der eine oder andere Paddler grüßt von ferne – kurz: alles auf Abstand. Dass die Zivilisation dennoch nah ist, merkt man am durchdringenden Sound einer Motorsense. Wir sprechen ja auch nicht von Menschenseelenalleinsamkeit, nur von dem kleinen bisschen Distanz, die man manchmal braucht, um das Leben in diesem unserem Land zu ertragen.

Abstand von Radio und Fernseher mit den immer gleichen Botschaften: Zahlen, die explodieren oder auch nicht, Werte, die steigen oder sinken, Wellen, die kommen und gehen. Das einzige, was uns nah kommt, sind die Wellen, die unser Hausboot in Bewegung setzen, etwa wenn auf dem benachbarten Havelkanal ein Lastschiff vorbeiprescht oder sich eine schnittige Yacht unserem Ankerplatz nähert. Doch alle, die auf diesem Gewässer unterwegs sind, wollen das Gleiche: Abstand.

Ich schließe mal kurz: Offenbar gibt es davon in unseren Städten nicht genug. Vielleicht machen deshalb so viele das Paniktheater mit und wollen auch künftig nicht ohne Maske aus dem Haus gehen? Weil ihnen viel zu viele und viel zu vieles auf die Pelle rückt? Weil der private Raum, in den eigentlich niemand hineinzuregieren hat, seit Jahren schrumpft? Sozialdemokraten wollen die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern und Grüne möchten darüber bestimmen, wann wir abends das Licht auszumachen haben. Und Freiheiten werden uns entzogen und gewährt, ganz, wie Frau Bundeskanzler es befiehlt.

Alles rückt nah, die Weltlage macht sich auf zu uns, zu Wasser und zu See, reklamiert nicht nur unser Mitgefühl, will mehr, will alles. Noch die Sünden der Vorväter haben sich auf unseren Schultern niedergelassen, selbsterklärte Opfer fordern Vergeltung. Dagegen hilft nur eines: Abstand.

Foto: Pixabay

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Heiko Stadler / 03.06.2021

Es muss Ende der 70er Jahre gewesen sein, als eine Schülerin in unserer Schülerzeitung geschrieben hat, dass sie es toll findet, dass sich Freunde neuerdings zur Begrüßung umarmen. Ich war irritiert und gleichzeitig froh, dass mich damals niemand umarmte (mit Ausnahme einer älteren Tante, die es einfach nicht lassen konnte). Das Umarmen breitete sich pandemisch aus, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn. Politiker aller Parteien und aller Länder umarmten sich (die AfD gab es damals noch nicht). Auch Politiker und Journalisten umarmten sich. Das Ergebnis ist bekannt. Das kritiklose Umarmen der Einen entspricht dem alternativlosen Ausgrenzen der Anderen. Politik, Journalismus, Wissenschaft und Justiz benötigen Distanz, aber niemals Umarmung oder Ausgrenzung. Distanz bedeutet Sachlichkeit, Fairness, Ergebnisoffenheit und Umarmung bedeutet Voreingenommenheit.

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