Cora Stephan / 28.01.2021 / 10:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 24 / Seite ausdrucken

Cora Stephan: Die Provinz schlägt zurück

Nein, üblicherweise schießen meine Nachbarn hier nicht mit dem Vorderlader die Äpfel vom Baum.* Das schließt nicht aus, dass in der einen oder anderen Scheune ein Schießprügel in der Ecke steht, das kann auch ein so antikes Gerät wie der Vorderlader sein, man ist hier traditionsbewusst und ehrt die Vorfahren. Jedenfalls ist der Landmensch wehrhaft und mitnichten so nett wie die lieben Mutterkühe mit ihren süßen Kälbchen, die das im übrigen auch nicht sind .

Die Provinz kann zurückschlagen, wenn sie den Einheimischen krumm kommen, die Invasoren aus den Städten. Und niemals waren die Gelegenheiten dafür so günstig wie heute. Die Furcht, dass Städter üble Sitten und Gebräuche mitbringen, mit denen sie die unschuldigen rotbackigen Landkinder verderben, hat sich zwar längst erledigt, nichts kann das Landvolk mehr verderben, was es nicht schon lange via Internet erlebt und erlitten hat. Doch jetzt kommt Covid-19 ff. ins Spiel, und schon ist der Wunsch wieder da, sich abzuschotten vom Sündenpfuhl Großstadt, wo ein virusaffines Gedränge herrscht, das wir, verdammt noch eins, hier nicht haben und auch nicht brauchen. Virusschleudern mögen uns vom Leibe bleiben! Insofern ist jetzt nicht die günstigste Zeit, sich um einen Zweitwohnsitz auf dem Land zu bewerben. 

Wie man hört, ist die Stimmung mancherorts schon ein bisschen so wie im zweiten Weltkrieg, als die ausgemergelten Städter in Trupps aufs Land zogen, um etwas Nahrhaftes zu ergattern oder zu erbetteln oder gar zu stehlen. Oder so wie nach dem Krieg, als Flüchtlinge, Vertriebene und andere Unbehauste auf den Bauernhöfen einquartiert werden wollten. Damals hatte die ländliche Bevölkerung die eindeutig besseren Karten und ließ das die Fremden hier und da durchaus spüren. Zur Strafe durfte sie sich als fremdenfeindlich und verhockt beschimpfen lassen. Nun – jetzt ist die Zeit der Rache gekommen.

Ein Schwein schlachten oder jagen gehen

Der Vorzug der Städte ist in Krisenzeiten ihre Achillesferse: Stadtluft macht nur solange frei, wie der Nachschub stimmt – solange man die Abhängigkeit nicht spürt von all denen, die produzieren, was man essen will. Autarkie ist nazi, wir haben schließlich den Weltmarkt? Solange wir ihn haben. Im ersten Weltkrieg etwa gelang es den Briten, Deutschland weitgehend vom Welthandel abzuschneiden. Was wurde da gehungert. In den Städten. Auf dem Land konnte und kann man immer noch den Garten bestellen, ein Schwein schlachten oder jagen gehen, es gibt auch tauglichere Waffen als einen Vorderlader. 

Noch sind wir global und lassen die Heidelbeeren im Winter aus Peru einfliegen. Die Panikpandemie allerdings hat ihren Schatten über die sonst gepriesene Weltoffenheit geworfen. Selbst Frau Kanzler denkt nun laut darüber nach, die Grenzen zu schließen. Gegen ein Virus. Hat sie nicht 2015 davon gesprochen, dass man Grenzen (gegen weit größere Entitäten wie etwa Menschen) nicht schließen könne? Hat sie sich nicht jüngst wieder entschieden gegen kleinlichen Impfnationalismus verwahrt? Sind wir doch alle gemeinsam Europa, solidarisch selbst im Versagen. Und jetzt soll der Schlagbaum wieder heruntergehen?

Mag sein, dass hier der Mantel der Geschichte eingegriffen hat. Niemand von denen da oben hat einen Grund gesehen, 150 Jahre Deutsches Reich zu feiern. So ärgerlich widerspenstige Landesfürsten für die Kanzlerin auch sein mögen – immerhin ist seine Kleinstaaterei den Deutschen und allen anderen weit besser bekommen. Was lehrt uns das? Small is beautiful. Mecklenburg-Vorpommern hat es begriffen. 

So kann sie aussehen, die Rache der Provinz

Man erinnere sich: Bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres wollte man die Schriftstellerin Monika Maron expedieren, die in Berlin den Haupt- und in einem Kaff an der Grenze zu Polen einen Zweitwohnsitz hat. Die potenzielle Virusträgerin möge in ihren Sündenpfuhl zurückkehren, dekretierte man. In diesem Sinne sind auch jetzt die offenbar unausgelasteten Behörden des Landkreises Vorpommern-Greifswalds wieder tätig geworden. Angeordnet ist hiermit: Auch in tiefster Einöde darf man zwischen 21 und 6 Uhr sein Grundstück nicht verlassen, solange sich die sogenannte Inzidenz nicht irgendwie Richtung ZeroCovid bewegt. Und schon gar nicht darf man einfach so seine Zweitbehausung ansteuern, das sei, steht in der achtseitigen Fleißarbeit, kein triftiger Grund

Vorbildlich – sofern nicht wieder irgendein Verwaltungsgericht dem Landkreis in die Quere kommt. So kann sie aussehen, die Rache der Provinz: Wenn ihr starker Arm es will, stehen alle Zweitwohnungsbesitzer still. Auch das ist Frieden schaffen ganz ohne Waffen. Nicht nur die Bundesregierung versteht es, aus so einer Panikpandemie alles herauszuholen. Ob sie den Besen irgendwann wieder in den Schrank kriegt?

* Die Autorin dankt allen Lesern der vorangegangenen Kolumne für ihr Verständnis dafür, dass sie als gelernte Städterin einen Frontlader mit einer antiken Waffe verwechselt hat.  

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Kay Ströhmer / 28.01.2021

Kleiner Tipp an die Zweitwohnenden: Bleibt im Krisenfall zuhause, verstärkt die Haustüren, sichert die Fenster und wartet darauf, dass nach zehn Tagen “Spitzenglättung” wie versprochen Angelas Hilfskonvoi vor dem Haus steht. Wenn das so gut organisiert ist wie jetzt die Impfgeschichte, dann seid ihr da auf der sicheren Seite. Großes Ehrenwort.

Wilfried Cremer / 28.01.2021

Liebe Frau Stephan, den Vorderlader werden Sie jetzt nicht mehr los. Humor als Markenzeichen kann nicht schaden; es hätte schlimmer kommen können. Ich sag nur Schalke — 05.

Frances Johnson / 28.01.2021

CV hat genug von uns, der R-Wert liegt seit über einer Woche unter 1 und bildet das Geschehen vor fünf bis zehn Tagen ab, die Impfung der sehr alten und kranken Senioren dürfte demnächst abgeschlossen sein, es gibt keinen Grund, wenn alles so weiter geht, ab Mitte Februar nicht auf Normalität zu schalten. Dann werden die Landratten, zumindest ihre Gastronomen, die Stadtratten wieder brauchen, das ist sicher. Ein gravierenderes Problem ist die Übernahme von Physikern. Ich lasse mir nicht als Medizinerin von einer Physikerin namens Priesemann erklären, wie Krankheit und Gesundheit geht. Zu Gesundheit gehört ein Sozialleben und eine dadurch geförderte gute Immunität, die eine Perspektive und Optimismus braucht. Diese Frau ist ein Problem, wir Land- und Stadtkinder einigen uns schon irgendwie, und der ZW-Besitzer braucht MeckPom im Winter nicht wirklich. Ab März, wenn die wilden Schwäne über den Bodden fliegen, sieht das anders aus. Ansonsten empfehle ich den Erwerb einer Ferienwohnung zwischen Danzig und Litauen. Verkauft einfach. Zwischen Danzig und Memel, heute Klaipeda, ist es wilder und viel, viel schöner, nettere Leute. Schwäne, Birken, Haff und Nehrung, wunderbar, Heimat des Trakehners und der verstorbenen Gräfin Döhnhoff, “Ritt durch Masuren”.

H.Milde / 28.01.2021

Nun die, va von BioLimo saufenden BestGrünmenschen, verachtete “Landbevölkerung” hat ja schon diverse Male Plünderungen ua. überstanden, und die Devise “Der Krieg ernährt den Krieg. Geht der Bauer drauf, ei, so bekommt der Kaiser mehr Soldaten!”  hat man nicht vergessen, und ist wohl gut gewappnet. Mit Front- und Vorderlader. Massel tov.

Sirius Bellt / 28.01.2021

@Detlef Fiedler. Ihr idealisiertes Bild wie Wild heutzutage in Deutschland lebt, sagt viel über Sie aus. Schwarzwild, Rehwild, Damwild das “in Herden” lebt? Ist mir gänzlich neu. Passionierte und anständige Jäger können über soviel Nichtwissen nur den Kopf schütteln.

Hjalmar Kreutzer / 28.01.2021

Urlaub in MV? Mich als Schxx.-Berliner beschimpfen lassen, der ich nicht bin, oder Schxx-Touri? Nö, Denunziantenland ist abgebrannt! Ich habe gelernt, aus meiner Mietwohnung in einer märkischen Kleinstadt eine gemütliche Hobbithöhle zu machen. Wald, Wasser, Wiese haben wir in Fahrrad- oder kurzem Autoabstand vor der Tür. Wenn es wieder möglich wird, Dänemark oder Polen, wobei ich auf der Durchreise den Meckpommern, Holsteinern, Schleswigern gepflegt mit dem gestreckten Mittelfinger zuwinken kann.

H. Krautner / 28.01.2021

Und wenn die irrsinnige Coronahysterie wieder nachlässt, dann buhlen die Provinzen wieder miteinander (oder gegeneinander) um die Wette um die Städter, damit diese als Touristen kommen sollen und dort ihr Geld ausgeben sollen. („Auf nach MV“ rufen Bürgermeister und Touristen dann wieder).    -    Jetzt behandeln die Provinzler die Städter wie Aussätzige. Selbst Städter, die dort eine Zweitwohnung besitzen und hierfür dort sogar an die Gemeinden Steuern und Abgaben zahlen, werden in manchen Regionen ausgesperrt, dürfen nicht in ihrem Eigentum wohnen!    -  Wie schizophren sind denn die Provinzler?

Jörg Plath / 28.01.2021

Wenn ich mir die nun vorgeschriebenen Masken schon im Haus länger, als drei Minuten aufsetze, brauche ich gar keine Ausgangssperre mehr. Dann bin ich schon erstickt.

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