Der Artikel dokumentiert die Entwicklung der berechenbaren Zukünfte im Spiegel der 1960er Jahre bis heute und analysiert die Rolle der Computermodelle als wissenschaftliche Erkenntnis und Prognoseinstrumente sowie als Erschließungsinstrumente neuer Themenbereiche für die Medien.
Darüber hinaus wird als ein aktueller Transformationsprozess die epistemische Diskrepanz zwischen der Wissensproduktion der „Computational Sciences“, der öffentlichen Wissenschaftskommunikation und den Erwartungen der Öffentlichkeit an die Wissenschaften untersucht. Es wird argumentiert, dass dieser Transformationsprozess einen „epistemical lag“ der Medien und der Öffentlichkeit offen legt, der in der Unkenntnis der immanenten Folgen der Computerisierung der Wissensproduktion verortet wird.
[...] Zwischen 1975 bis 1995 steigert sich die Dramatisierung des anthropogenen Treibhauseffektes – die Eiszeit gerät in Vergessenheit – zur apokalyptischen Katastrophe, wie die Studie „Von der Hypothese zur Katastrophe“ belegt. Die Wende in der Berichterstattung wird von den Autoren in dem 1986er Artikel „Tod im Treibhaus“ (Spiegel, 4/1986) gesehen, der laut Studie erstmals die Katastrophenmetapher verwendet.
„Dieser Begriff soll den Mediendiskurs bis zum Ende des Untersuchungszeitraums prägen. Die zuerst in der Wissenschaft formulierte Metapher bot den Medien die Möglichkeit, ihre an Sensationalisierung, Negativität und Eindeutigkeit ausgerichtete Berichterstattung gleichermaßen auf einen Begriff und einen Bezugspunkt zuzuspitzen.“
Die Lektüre früherer Spiegel Artikel zeigt jedoch, dass die Katastrophenmetapher im Zusammenhang mit Klima vor 1986 öfters verwendet wurde, z.B. „Katastrophe auf Raten“ (Spiegel, 3/1974) oder „Klima für Dinosaurier. … mit katastrophalen Folgen für alle Bewohner des Planeten.“ (Spiegel, 35/1977). Bereits zuvor ist die Katastrophenmetapher im
Zusammenhang futurologischer Szenarien allgegenwärtig.
Typische Artikel jener Katastrophenstimmung sind „Tod im Treibhaus“ (Spiegel, 9/1979), „Defekt in der Klimamaschine Ozean?“ (Spiegel, 38/1983), „Tod im Treibhaus“ (Spiegel, 4/1986), „Die Zeit läuft uns davon“ (Spiegel, 45/1988), „Spurensuche im Klima-Labyrinth (Spiegel, 32/1989), „Der Globus ist angenagt“ (Spiegel, 10/1990) etc. Drei Titel und Titelgeschichten widmet der Spiegel in diesen Jahren dem Thema: „Die Klima-Katastrophe“ (Titel) und „Das Weltklima gerät aus den Fugen“ (Titelgeschichte, Spiegel, 33/1986), „Das Ozonloch“ (Titel) und „Ozonschicht: Leck im Raumschiff Erde“ (Titelgeschichte, Spiegel, 49/1987), „Wer rettet die Erde?“ (Titel) und „Der geschundene Planet“ (Titelgeschichte, Spiegel, 29/1989). Den Höhepunkt journalistischer Inszenierung stellt jedoch die Spiegel-Ausgabe Mitte 1986 dar: Titelbild (Kölner Dom von Fluten umspült), Titel („Die Klima-Katastrophe“) und Titelgeschichte („Das Weltklima gerät aus den Fugen“) entfalten eine futurologisches Katastrophendrama à la Hollywood. [...]
Die Logik der Medien fordert von den Klimaforschern immer katastrophalere Statements, während die wissenschaftliche Entwicklung durch die stetige Verbesserungen der Modelle den gegenteiligen Effekt produziert: Die Resultate fallen weniger „katastrophal“ aus als noch vor etlichen Jahren dank höherer Rechenauflösung, verbesserter Parametrisierung und Evaluierung sowie zunehmender Standardisierung der Simulationsmethoden. Der Effekt ist für die Wissenschaftskommunikation ein doppelt negativer: Zum einen kann sie die Medien nicht mehr so einfach mit spektakulären Berechnungen bedienen, zum anderen schlagen die Verbesserungen der Modelle und ihre nach unten korrigierten Ergebnisse in Enttäuschung seitens der Medien um, die sich nach dem katastrophenhype „betrogen“ fühlen. Die Logik der Medien (Sensationssteigerung, wahr/falsch-Logik der Bilder/ Metaphern) und die Logik der Wissenschaft (Verbesserung der Erkenntnisinstrumente, stabilere Ergebnisse, Wahrscheinlichkeiten) sind in diesem Falle negativ korreliert. http://www.ccp-online.org/docs/artikel/02_Forschung_Gramelsberger_final.pdf