Chaim Noll / 25.06.2022 / 06:15 / Foto: CEphoto/Uwe Aranas / 107 / Seite ausdrucken

Claudia Roth: Die gnädigste Lösung

Claudia Roth ist zunehmend im Wege. Sie erweist sich als Fossil verjährter grüner Ideologien, von denen sich die jüngeren Realpolitiker ihrer Partei emanzipieren müssen, um mit den harten Herausforderungen dieser Tage zurechtzukommen.

In der Jüdischen Allgemeinen hat Philipp Peyman Engel den Rücktritt von Claudia Roth gefordert, der bekannten grünen Galionsfigur und Staatsministerin für Kultur. Er erklärt sie für die Hauptschuldige am international beachteten Skandal um die diesjährige documenta, eine mit deutschen Steuergeldern bezahlte Schau, auf der mehrere akzentuiert anti-israelische Objekte ausgestellt wurden, die sich bekannter judenfeindlicher Bildmotive bedienten.

Die durch Fotomontage zusammengestückelte Guernica-Gaza-Serie des arabischen Aktivisten Mohammed Al-Hawajri, in der die israelische Luftwaffe mit der nazistischen Legion Condor gleichgestellt wird, hätten wir, abgehärtet wie wir inzwischen sind, vielleicht noch hingenommen. Doch die Rückkehr aus der NS-Zeit bekannter Bildsymbole trifft, vor allem in Deutschland, den schmerzhaften Punkt. Sie erinnern nicht nur an den millionenfachen Massenmord an Europas Juden, sondern auch an Deutschlands größte historische Katastrophe. Direkte Folge der Shoa war Deutschlands eigenes Desaster: zerbombte Städte, Millionen tote Deutsche, eine bis heute nicht kurierte Zerrüttung des deutschen Selbstgefühls. Deshalb trifft es nicht nur Juden, wenn die Symbole des Fiaskos in einer importierten Unschuld, über den Umweg ausländischer Akteure, wieder in der deutschen Öffentlichkeit auftauchen.

Genau das ist, trotz vorher ergangener Warnungen, auf der documenta geschehen. So zeigte die von indonesischen Teilnehmern fabrizierte Wandgestaltung People's Justice eine aggressiv vorwärts stürmende Figur mit Schweinekopf, die durch einen am Hals befestigten Davidstern gekennzeichnet war. Auch ein Mann mit krummer Nase, Schläfenlocken, blutunterlaufenen Augen und Vampirzähnen war zu sehen, dessen Borsalino – beliebte Kopfbedeckung ultraorthodoxer Juden – die SS-Runen zierten. Das Verwenden von Nazi-Symbolen zur Stigmatisierung der angeblich von Opfern zu Tätern mutierten Juden ist ein besonders beliebter Dreh des neueren Antisemitismus.

Bildmotive aus dem „Stürmer“ oder anderen Medien der Goebbels-Propaganda lösen in Deutschland gottlob noch immer Schockwellen aus, da sie sowohl für Juden wie Deutsche Traumatisches assoziieren. Daher die theatralische Reaktion, das Wandbild zunächst mit schwarzem Tuch zu verhängen. Die zwanzig Meter lange, mit schwarzem Stoff bespannte Wand ist jedoch ihrerseits in Kassel ein auffälliges Objekt – so zu sehen auf dem von der New York Times veröffentlichten Foto – und in seiner stumpfen Schwärze ein symbolisches Bild: für deutsche Verbots- und Schwärzungskultur, in diesem Fall ausgelöst durch jüdische Proteste. So dass auch diese Maßnahme – ihrerseits ein Stück Aktionskunst – wiederum auf die Juden zurückfällt, sie als Spielverderber und Gesinnungswächter darstellt und ihrer Situation in Deutschland schadet.

Roth versucht eine Pirouette – ohne Eleganz und ohne Erfolg

Die schwarze Verhängung erfolgte auf Druck von Claudia Roth, die sich dadurch selbst entlasten will. Sie versucht – ohne Eleganz und ohne Erfolg – eine Pirouette zwischen ihrer Position vor der Eröffnung und danach: Hatte sie noch in den Tagen vor der Ausstellung unter Berufung auf „künstlerische Freiheit“ und „vielfältige Stimmen“ jede Warnung vor einem zu befürchtenden, von den hinlänglich bekannten Dritte-Welt-Aktivisten importierten Skandal in den Wind geschlagen, äußert sie jetzt starke Worte der Verurteilung. Sie überzeugen niemanden. Peyman Engel versteht Claudias Drehungen „als politisches Manöver“ und fragt: „Für wie naiv hält Roth die jüdische Öffentlichkeit?“

Die Rücktrittsforderung durch die Jüdische Allgemeine ist erstaunlich, denn diese Zeitung wird vom Zentralrat der Juden in Deutschland finanziert, der wiederum jährlich 13 Millionen Euro Subventionen von der Bundesregierung erhält. Bisher hat die Jüdische Allgemeine als regierungstreues Blatt funktioniert. Ein Akt des Ungehorsams? Oder der Verzweiflung? Der Zentralrat scheint zu begreifen, dass er trotz aller Schweigegelder nicht mehr umhin kann, sich einem linken, als „Anti-Imperialismus“ und „Israel-Kritik“ getarnten Antisemitismus entgegenzustellen, der das jüdische Leben in Deutschland zunehmend bedroht. Durch Aktionen wie jüngst auf der documenta werden antisemitische Haltungen und Übergriffe mehr und mehr zum happening, damit zur Bagatelle. Man gewöhnt sich daran. Ein Klima der Verachtung gegenüber den Juden – als einer allzu hinnahmebereiten Gruppe – wird alltäglich.

Die Situation der Juden in Deutschland hat sich seit 2015 drastisch verschlechtert, und ihr Horizont verdüstert sich weiter. Philipp Peyman Engel gilt als der mutigste Redakteur der Jüdischen Allgemeinen, dennoch ist unwahrscheinlich, dass seine Rücktrittsforderung ohne Absegnung durch den Zentralrat erscheinen konnte. Und damit möglicherweise heimliches Einverständnis durch bestimmte Kreise der Bundesregierung. Womöglich auch aus Claudia Roths eigener Partei. Der die laute, schrill gekleidete, blondierte Veteranin langsam zur beschwerlichen Altlast wird.

So wie sich Claudia Roth in der ganzen Affäre aufführt, scheint sie nicht intelligent genug, um überhaupt zu begreifen, was sie angerichtet hat. Durchblick durch komplexe Sachverhalte war nie ihre Stärke, sie lebt im seligen Zustand einer von Ideologemen und Stereotypen bestimmten gutmenschlichen Selbstgerechtigkeit. Sie ist mit sich im Reinen, wenn sie alles richtig macht im Sinn der seit ihrer fernen Jugend unerschütterlichen Vorgaben: Es muss „progressiv“ und „anti-imperialistisch“ sein, möglichst auch anti-deutsch, und da Israel zu den „Vasallen des US-Monopolkapitals“ gehört, auch anti-israelisch. Damit hatte sie früher in ihrer Partei keine Probleme, noch ihre Sympathie mit der 2019 vom Bundestag verurteilten Israel-Boykott-Bewegung BDS wurde augenzwinkernd akzeptiert. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Grünen sind Regierungspartei und müssen in anderen Dimensionen denken als bisher.

Ohnehin das Rentenalter erreicht

Der jetzigen Bundesregierung liegt wie kaum einer früheren an guten Beziehungen zu Israel. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet die traditionell anti-israelischen Parteien SPD und Grüne müssen sich darum bemühen. Neben Hightech-Waffensystemen, auf die Israel spezialisiert ist und die Deutschland und andere EU-Staaten zur Verteidigung gegen ihren zunehmend aggressiven östlichen Nachbarn benötigen, geht es zunehmend um die Gas-Versorgung

„As a result of Russia's war against Ukraine“, schrieb die israelische Tageszeitung Israel HaYom am 20.6., „the EU (…) has left its energy supplies seriously depleted. Until the war, Russia was supplying some 40% of the gas that Europe consumes. Now that Israel has emerged as a major player in the energy market, the EU is desperate to import Israeli gas to keep the lights on this coming winter. This week, it signed a deal that will see Israeli gas sent (...) to Europe.“

Claudia Roth ist zunehmend im Wege. Sie erweist sich als Fossil verjährter grüner Ideologien, von denen sich die jüngeren Realpolitiker ihrer Partei emanzipieren müssen, um mit den harten Herausforderungen dieser Tage zurechtzukommen. Diese Politikerin hat zu ihrer Zeit viel Lärm gemacht und durch ihre bunten Kleider Aufsehen erregt, sie hat mehr erreicht, als bei ihren fehlenden Fähigkeiten zu erwarten war. Sie ist von ihrer Partei noch abschließend zur Staatsministerin für Kultur lanciert worden, nun zeigt sich, wie eigentlich zu erwarten war, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen ist. Diesen überflüssigen, dummen Skandal kann Deutschland gerade jetzt nicht gebrauchen. Da Claudia Roth ohnehin das Rentenalter erreicht hat, wäre schnellstmögliche Pensionierung die für alle Seiten gnädigste Lösung.

Foto: CEphoto/Uwe Aranas CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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S. Marek / 25.06.2022

Die sollte man als Aktivistin “letzte Generation” an einer Hauptkreuzung vor dem Reichstag für immer, als Mahnung, aufkleben.

Marc Jenal / 25.06.2022

Leider muss man den linksradikalen Idioten inkl. Roth Recht geben. So lange Deutschland/Europa (Ungarn war als einziges Land dagegen) gerne der UNRWA weiterhin jährlich zwei- bis dreistellige Millionenbeträge überweist, mit denen unter Anderem Kinderbücher finanziert werden, die das Töten von Juden verherrlichen, mit denen Belohnungen/Renten gezahlt werden an Familien von Terroristen, die Juden töten, usw., so lange passen diese stürmer-würdigen Bilder leider perfekt(!) zu uns. Roth und die Documenta waren einfach ehrlich. Die meisten schweigen einfach jedes Jahr darüber und zahlen die Dschizya/Schutzgeld an die Radikalen über ihre Steuern mit.

Sascha Hill / 25.06.2022

Nun, die Documenta ist zu dem geworden, wovor man gewarnt hat. Die Warnungen wurden in den Wind geschlagen, das übliche Gebrabbel ala künstlerische Freiheit, eine Absage würde Wasser auf den Mühlen der Rechten sein etc wurden abgeseiert. Das Ende vom Lied wie immer, das hat keiner in dieser Dimension ahnen können und natürlich in die Opferrolle schlüpfen. Wie auch immer. Ich würde gerne noch erwähnen, das man die Jüdische Allgemeine und insbesonders den Zentralrat der Juden, seit 2015 am warnen ist, das die Zustände in Deutschland immer schlimmer werden. Die Warnungen wurden immer in den Wind geschlagen, die Warner und Mahner in die rechtsextreme Ecke gestellt. Das Spiel kommt einen irgendwie bekannt vor…

Michael Anton / 25.06.2022

In dem Buch: „Für Prophet und Führer“ (David Motadel) wird die NS-Kulturpolitik im Nahen Osten ausgeleuchtet. Man produzierte Bonbons, eingewickelt in Suren, Sammelbilder und Radioprogramme. Man rekrutierte rhetorisch begabte Imame und die Orientinstitute halfen, das diese Saat regional angepasst wurde. Chomenei soll es gehört haben, die Intensität dieser Ausbreitung ist wenig erforscht- es ist das erste Standardwerk in diesem Gebiet. Hier fand ein Anreicherungsprozess statt, der heute vielfach zur Kernschmelze führte und obwohl beinahe alle Aspekte der NS Herrschaft bekannt sind, kann der Schutz von Minderheiten staatlich nicht gewährleistet werden, wenn Politiker diese Beeinflussung nahezu unbekannt ist, sie ignorieren, oder schlimmer noch, wenn sie Leute hofieren, die sie einwickeln, die den Grundkonsens des „Nie Wieder!“ gar nicht billigen.

Bernhard Piosczyk / 25.06.2022

@ Gidon.David. Rio Reiser hat nach TSS seine beste Zeit gehabt. Seine Balladen sind bis heute unerreichbar. Frau Roth ging zu den Grünen. Rio ist Legende.

Gerald Schwetlik / 25.06.2022

Wie konnte sich ein so dermaßen dummer Mensch so lange an den Näpfen der Macht halten? Ganz so verblödet, wie hier einige Schreiben, scheint sie nicht zu sein. Obwohl das Hirn, dass sie vom Himmel auf böse rächte Demonstranten regnen lassen wollte, sie auch meiner Meinung nach, besser selber getroffen hätte. Aber was soll man zu einer Partei sagen, die einen Mann mit schäbiger Langhaar Perücke und angeklebten Brüsten über die Frauenquote in den Bundestag wählt. Ich warte immer noch auf die empörte Grüne, die mich vom Frauen Parkplatz vertreiben will, wenn wieder mal der weibliche Teil meiner Identität sich den Weg bahnt und ich sofort dem Drang nachkommen möchte, meine Wunschvulva zu Töpfern. All diesen Unsinn verdanken wir Claudia und Konsorten. Merken werden die Leute hoffentlich was, wenn sie nächsten Winter frieren und ihr Job plötzlich weg ist. Claudia sitzt dann in ökologischen Klamotten in der Türkei und stopft sich mit Döner, Salaten und fladenbrot voll.

sybille eden / 25.06.2022

Die Gleichsetzung der Israelischen Luftwaffe mit der Legion Condor hätte ich niemals hingenommen ! Wissen sie nicht , daß es ohne die “Mirage - Force” Israel nicht mehr geben würde ?

Thorsten Gutmann / 25.06.2022

Wenn das jetzt auch nur ein Geschmacksurteil von mir ist, aber ich finde schon, daß ihr Sackkleider noch am besten stehen, und zwar deshalb, weil sie dem drinsteckenden Knüppel noch am ehesten zu seinem Optimum verhelfen. Aber mit Ihren grundsätzlichen Gedanken haben Sie schon recht, lieber Herr Noll, beim Blick auf the german CR kann man nicht, konnte man nicht und wird man auch fürderhin nicht anders können, als schwarzsehen. Fazit: Nicht nur das Objekt sollte man verhängen.

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