Wenn, wie neulich, der SPIEGEL einen Titelbericht über arabische Großfamilien-Clans veröffentlicht, die in einigen Großstädten Deutschlands wie Berlin, Essen oder Bremen in zum Teil mafiosen Strukturen leben, dann kommt ein solcher Bericht nicht am intimsten Kenner dieser Szene vorbei.
Der Berliner Politologe, Migrationswissenschaftler und Publizist Ralph Ghadban ist ein gefragter Fachmann auf einem hochaktuellen Spezialgebiet der Kriminalistik. Vor einem halben Jahr veröffentlichte er sein Buch „Arabische Clans – Die unterschätzte Gefahr" (ECON). Reaktionen aus der von ihm detailliert als Bedrohung für den gesellschaftlichen Frieden beschrieben Szene: keine. Das war nicht etwa ihrer ungewöhnlich friedfertigen Großzügigkeit zu verdanken. Es war schlicht Ausdruck der Tatsache, dass man in den Clans kaum Bücher anfasst, sondern lieber Geld, Waffen und schnelle Autos. Das Buch war ihnen schlicht entgangen.
Jetzt ist die Ruhe für den Autor dahin, seitdem vor ein paar Tagen das libanesische Fernsehen über Ghadban und sein Werk berichtete – in jenem Land also, aus dem er selbst vor Jahrzehnten eingewandert war, woher aber auch die Mehrzahl der Clan-Mitglieder stammt. Über Satellit und durch Telefonanrufe aus den Reihen der verstörten, im Libanon zurückgebliebenen Verwandtschaft erfuhren die Großfamilien in Deutschland, was man seit Monaten schon in jeder Buchhandlung auf dem Rückumschlag von Ghadbans Buch lesen kann: dass die "kriminellen Clans inzwischen so stark sind, dass sie zum Angriff auf die Staatsgewalt übergehen".
Seit dem TV-Bericht sind zahlreiche Drohungen gegen Ghadban aus den Kreisen der Clans bei ihm eingegangen, darunter blumig umschriebene, aber ernstzunehmende Morddrohungen per Handy-Video und mit vollem Gesicht der Clans-Männer.
Ghadban, ein Mitglied der vor Kurzem gegründeten „Initiative Säkularer Islam" (ISI), gehört nun neben Seyran Ates, Ahmad Mansour und Hamad Abdel-Samad zu jenen ISI-Gründern, die Tag und Nacht unter Polizeischutz stehen. Man hat ihm dringend geraten, zunächst bis auf Weiteres unterzutauchen.
Als erste Zeitung berichtete am 2. Mai abends die WAZ über die Hass-Botschaften gegen Ghadban – aus Essen, einem "Hot Spot" des Clan-Unwesens in Deutschland: „Wir werden auf deinen Kopf treten“. Clan-Insider, die sich schon vor dem Hintergrund der eigenen Einwanderungsgeschichte für die Integration von Flüchtlingen interessieren, propagieren hierfür jetzt das Ghadban-Bashing als Ertüchtigungsmittel, berichtet die Zeitung: „Sogar Flüchtlinge werden aufgefordert, Videos zu veröffentlichen, die Ralph Ghadban beleidigen und bedrohen."