Ulrike Stockmann / 13.06.2023 / 13:00 / Foto: Deutscher Bundestag / 12 / Seite ausdrucken

Christian Lindner will plötzlich keine Sondervermögen mehr

Christian Lindner hatte für das Jahr 2023 Sondervermögen für die Energiepreisbremse sowie die Bundeswehr angemeldet. Bei den Planungen für 2024 will er nun von neuerlichen Sondervermögen für das Militär nichts mehr wissen. Schulden seien gleich Schulden.

Finanzminister Christian Lindner hatte bei seiner Aufstellung des Haushaltes von 2023 den Einsatz von Sondervermögen verteidigt – also Geldern, die „wirtschaftlich getrennt vom übrigen Bundesvermögen verwaltet und abgerechnet“ werden. Sie können aus Mitteln des Haushaltes oder mit gesonderten Krediten finanziert werden. Somit werden sie schnell zu „Sonderschulden“, wie es die Berliner Zeitung treffend bezeichnete. Sondervermögen hatte es 2023 für die Bewältigung der Strom- und Gaspreisbremse sowie für den Verteidigungshaushalt gegeben. Letzterer wird mithilfe von Schulden in Höhe von 100 Milliarden Euro finanziert, das somit erschaffene Sondervermögen wurde durch Olaf Scholz sogar im Grundgesetz verankert – in erster Linie, um diese Kredite an der Schuldenbremse vorbei aufnehmen zu können. Die Energiepreisbremse ist Teil des „Wirtschaftlichen Abwehrschirms gegen die Folgen des russischen Angriffskriegs“, welcher durch zusätzliche Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro (dem berühmten „Doppel-Wumms“) finanziert wird. Dazu wurde der „Zweck des bestehenden Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erweitert“. Und ebenfalls die Schuldenbremse umgangen.

Lindner bezeichnete am Ende des letzten Jahres seine Pläne für den Bundeshaushalt 2023 als „solide“. Er rechtfertigte die weiteren Sondervermögen mit dem Verzicht auf eine Steuererhöhung für Besserverdienende. So oder so werden diese enormen Ausgaben natürlich von Steuergeldern bezahlt. Unions-Vizefraktionschef Mathias Middelberg (CDU) nannte Lindner damals einen „Schuldenbremsen-Umgehungsminister“. Lindner hatte sich damit verteidigt, dass in Zeiten größter wirtschaftlicher Unsicherheit der Staat „in enormer Weise fiskalische Stärke“ zeigen müsse. Es gehe darum, „dass erhalten bleibt, was wir uns über Jahrzehnte erarbeitet haben“.

Bei den Planungen für den Haushalt 2024 erklingen nun ganz andere Töne. Christian Lindner ist plötzlich gegen eine haushaltstechnische Sonderbehandlung von Verteidigungsausgaben. Er sei „noch nicht davon überzeugt, dass wir für Verteidigungsausgaben Ausnahmen von den Fiskalregeln brauchen“, sagte er der dpa. Meint er damit vielleicht, er sei „nicht mehr“ überzeugt? Vor rund einem Jahr hatte er das Sondervermögen für die Verteidigungsausgaben noch damit verteidigt, dass die Alternativen wirtschaftlich in dieser kritischen Phase schlechter seien.

Nun sieht Lindner „eine Ausnahme von Militärausgaben von den Regeln skeptisch, weil die Kapitalmärkte nicht zwischen den Motiven für die Aufnahme von Schulden unterschieden: ‚Für die Kapitalmärkte sind Schulden gleich Schulden, und zu hohe Schulden führen zu Instabilität.‘“ Sie heizten möglicherweise die Inflation an und verringerten die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

Wie merkwürdig! Warum ist ihm das bei der Planung des letzten Haushaltes nicht bereits eingefallen? Hatte er es einfach vergessen? Wusste er es damals noch nicht? Tagespolitik kann mitunter ziemlich mysteriös sein.

 

Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.

Foto: Deutscher Bundestag

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Leserpost

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W. Renner / 13.06.2023

Lindner, ist das der aus Sansibar?

Anna Hegewald / 13.06.2023

So jemand gibt bei uns den „Finanzminister“ - der 100 Milliarden Euro Schulden zusammen mit den anderen Minister- und Kanzler-Darstellern als „SONDERVERMÖGEN“ deklariert! Und ein reichliches Jahr später fällt ihm ein - ach, das sind ja DOCH nichts anderes als Schulden! Na, welches Glück auch, dass dafür nur die steuerzahlenden Leistungsträger im Land gerade stehen müssen und nicht die Regierung! Der Dilettantismus unserer Führungsriege - leider auf unsere Kosten - ist schlichtweg kaum noch zu überbieten.

Jens Hofmann / 13.06.2023

Rückt da etwa die Offenbarung näher, daß es um die deutschen Finanzen deutlich schlechter bestellt ist, als man uns bisher weismachte?

Klaus Keller / 13.06.2023

Menschen und Politiker haben hin und wieder seltsame Einfälle. Am besten ist es, wenn man eine gewisse Zeit abwartet, mindestens eine Nacht, um dann zu prüfen ob der Erregungszustand noch anhält. Oft haben dann neue Impulse dafür gesorgt das der Betreffende gar nicht mehr weiß von was er gestern gesprochen hat. Vgl Doku bei Arte über Henry Kissinger. Abschnitt über Richard Nixon. Damals wurde viel Unheil angerichtet wenn man den Präsidenten spontan beim Wort nahm. Herr Kissinger beschreibt das sehr schön und hat die interessante Fähigkeit hinterher schlauer zu sein und eigentlich immer die Überzeugung keinen Blödsinn empfohlen zu haben. Er macht das so eindringlich, das man meinen könnte das er sich selber glaubt. Das kann Lindner noch nicht so gut darstellen.

Georg Dobler / 13.06.2023

Eigentlich ganz einfach. Die Wähler müssen nur dafür sorgen dass diese Wählerverräterpartei mit ihrem merkwürdigen unrasierten Personal unter 5 Prozent bleibt. Oder ist das jetzt Delegitimierung von Staatsorganen? Dann formuliere ich um: Wähler*Innen-Verarscher-Partei. (Der Klonovsky hat eine Vorladung zur Kripo-Staatsschutz bekommen, weil er geschrieben hatte, dass Gott in eine Krippe kotzen könnte… ernsthaft, die haben diese Anzeige entgegengenommen, Beleidigung)

Thomas Szabó / 13.06.2023

Auch Politiker haben manchmal ihre unkontrollierten Anfälle von Ehrlichkeit.

Jürgen Fischer / 13.06.2023

Bei der Planung des letzten Haushaltes hatte die AfD noch keine 19 Prozent in den Umfragen ...

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