Ralf Schuler / 25.03.2019 / 10:30 / Foto: Achgut.com / 40 / Seite ausdrucken

Christchurch und das Wort zum Sonntag

„Eure Rede sei: Ja, ja, nein, nein“ (Matth 5,37) steht in der Bibel. Von „dumm, dumm“ ist nicht die Rede.

Pfarrerin Ilka Sobottke aus Mannheim hat uns am späten Samstagabend im „Wort zum Sonntag“ die Leviten gelesen: „Bei meinen muslimischen Freunden wächst die Angst. (…) Meine muslimischen Freunde erleben das so, dass die Reaktionen anders sind, je nachdem, ob Muslime sterben oder Christen. Und ich sehe das auch so. Sterben Muslime, scheint das nicht so wichtig. Anstatt Mitgefühl gibt es Gleichgültigkeit, sogar Häme und Genugtuung. Als wenn Muslime nicht genauso Menschen wären, nicht genauso Kinder Gottes und geliebte Geschöpfe.“

Um es klar zu sagen: Ich bin es wirklich leid, dass immer wieder Leute – und sei es meiner eigenen Kirche – daherkommen und der Öffentlichkeit einreden wollen, wir (die Christen, der Westen, Deutschland) trauerten nicht genug oder adäquat um Muslime. Das ist dummes Zeug.

Ich kenne niemanden, der das Massaker von Christchurch nicht als Massaker bezeichnet hätte. Mag sein, dass einige Deppen im Netz den Terror aufrechnen. Relevant und öffentlich tut das niemand. Ich werde hier keine Opfer addieren oder all die ignorierten und vergessenen Meldungen über Christen-Morde in Nigeria oder Anschläge auf Kopten in Ägypten hervorzerren.

Der Westen hat sich an den Terror gewöhnt

Die Wahrheit ist: Die westliche Welt hat sich an den islamistischen Terror fast schon gewöhnt, nimmt ihn alltäglich hin. Wer bekäme noch die Liste aller Orte der martialischen Attacken zusammen: Nairobi und Daressalam (1998), USS Cole (2000), New York (9/11), Madrid, London, Djerba (2002 Synagoge, 2015 Strand), Nizza, Berlin…

Wir haben unsere Innenstädte mit Pollern zugestellt und ahnen im Voraus die Hintergründe, wenn Autos gemeldet werden, die in eine Menge fahren oder von Messer-Attacken die Rede ist. Jeder weiß Bescheid, was gemeint ist, wenn es um „Streit zwischen Großfamilien“ geht.

Der Islamismus hat angeblich nichts mit dem Islam zu tun, aber es muss mich auch niemand an mein Christentum erinnern, wenn es Übergriffe auf Muslime gibt. „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Matth 25,40). Heißt: Jeder Angriff auf einen Menschen ist ein Angriff auf meinen Gott. Ich wünschte, das wäre Konsens in den interreligiösen Gesprächskreisen von Pfarrerin Ilka Sobottke in Mannheim und nicht nur dort, sondern weltweit.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, gab dieser Tage auch der „fehlenden Trennschärfe“ zwischen Islam und Islamismus eine Mitschuld am geistigen Klima, das Christchurch erst möglich machte: Die „Islamkritik-Industrie mit ihren vielen, vielen Büchern hat dazu beigetragen“, dass die Feindseligkeit gegenüber Muslimen zunehme und Trittbrettfahrer auf dieser Welle surften.

Soll wohl heißen: Ahmad Mansour, Seyran Ates oder Hamed Abdel-Samad sind schuld. Personen, die unter Polizeischutz stehen, weil sie von Muslimen bedroht werden. Wer erwartet hatte, dass eine ähnlich heftige Reflexion über die „Islamkritik-Industrie“ losbreche, wie sie weiland über die „Anti-Abschiebe-Industrie“ von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hereinbrach, hatte sich geirrt. Den Islamkritikern die Berechtigung ab- und die Schuld zuzusprechen, geht einfach so durch.

Frau Pfarrerin kommt auf den Turm

Wirklich berechtigt wäre die Kritik von Muslimen, wenn wir mit islamischen Opfern genauso schofelig umgingen, wie mit unseren eigenen, deren Hinterbliebenen wir schon mal die Rechnungen für die Gerichtsmedizin zuschicken, wie nach dem Attentat auf dem Breitscheidplatz geschehen.

Und noch etwas ging der Pfarrerin aus Mannheim am Samstagabend nahe: die Neuseeländische Premierministerin. „Jacinda Ardern hat mich sehr beeindruckt. Mit einem schwarzen, traditionell islamischen Kopftuch ist sie nach Christchurch gereist…“

Das ist eine wahrlich nette Geste, ein Symbol für die Unterdrückung von Frauen, für archaische Rollenbilder und verhüllende Bekleidungsregeln aus demonstrativer Solidarität zu übernehmen. Sie wird das bedacht haben, und ich bin weit davon entfernt, das Abnehmen des Kopftuches oder das Tragen eines Kreuzes oder einer Kippa im Gedenken an Opfer islamistischer Anschläge zu fordern. Religiöse Symbole sind keine Souvenirs zum Anstecken nach Nachrichtenlage.

Immerhin hat es Jacinda Ardern mit ihrer Geste dazu gebracht, fassadenfüllend auf das größte Gebäude der Welt, den Burj Khalifa in Dubai, projiziert zu werden. Eine Ehre, die den inzwischen ungezählten muslimischen Opfern, die bei Kriegen, Anschlägen und Massakern durch Muslime untereinander nicht zuteil wird. 

Ein Vorschlag zur Güte: Lassen wir beim Moralisieren die Kirche im Dorf und den Burj dem Khalifen.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Karl-Heinz Vonderstein / 25.03.2019

Ich glaub, in westlichen Ländern ist man in der heutigen Zeit so dermaßen selbstkritisch, dass man gar nicht mehr merkt, dass man an anderen Gesellschaften und Kulturen und den Menschen dort andere (moralische) Maßstäbe ansetzt als an sich selbst, nämlich geringere.

Gilbert Brands / 25.03.2019

Ja, es ist schon interessant: Islamische Tätergruppen, die im Namen des Islam töten = Einzelztaten, die man nicht verallgemeinern darf. Täter von Christchurch: Einzeltäter, der sich nirgendwo auf das Christentum beruft und womöglich keiner ist = christliche Gruppentat, die man verallgemeinern darf.

Ernst Boran / 25.03.2019

„Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Matth 25,40). Heißt: Jeder Angriff auf einen Menschen ist ein Angriff auf meinen Gott. - Sie haben diesen Satz falsch verstanden. Da geht es um Brüder - also die In-Group - und nicht um Menschen im Allgemeinen. Mit diesem Satz lässt sich die Mobilisierung der eigenen Großfamilie bewirken, was, weil Gewalt teuer ist, indirekt zu relativ friedlichen Umgangsformen führt. Es geht in dem Satz nicht um Pazifismus oder dergleichen, sondern eher um das Motto “Einer für Alle, und Alle für Einen”. Wer diesen Satz als Rechtfertigung für Pazifismus gebraucht, der bewirkt mehr Gewalt gegen die Seinen, weil Pazifismus Gewalt für Nicht-Pazifisten nahezu kostenlos macht. Es wundert mich nicht, dass diejenigen, die sich heutzutage besonders durch Gewaltsamkeit hervortun, weder Aufgeklärt noch Christen sind. Wegen solch zahnloser Pazifisten, wie sie sich heutzutage in Westeuropa tummeln, nehmen die Probleme überhand. Ich will nicht rechtfertigen, was der Christchurch-Shooter getan hat, aber ehrlich gesagt kann ich es auch nicht guten Gewissens verurteilen. Der Typ ist Amok gelaufen, weil er erkannt hat, dass die gesellschaftlichen Institutionen des Westens noch schlechter funktionieren, als es der Fall wäre, würde die Bevölkerung die Dinge selbst in die Hand nehmen, bei denen der Staat versagt. Ich erwarte, dass gesunde Menschen durchdrehen, wenn sie erkennen, dass sie kollektiv auf einen Abgrund zusteuern, und es ist erkennbar, dass der Westen auf einen Abgrund zusteuert. Ehrlich gesagt sind die Amokläufer und Extremisten das Einzige, was mich bezüglich des Westens noch an eine Zukunft glauben lässt. Ich würde nicht erwarten, dass diese Leute die Lösungen parat haben, aber wenigstens reagieren sie angemessen auf das Dasein eines existenziellen Problems. Die Lemminge, die es für eine Tugend halten, die Ordnung aufrecht zu erhalten, indem sie funktionieren, komme was wolle, bewirken das Gegenteil.

Sepp Kneip / 25.03.2019

Das den Islam verherrlichende Gesülze, gerade in den christlichen Kirchen, kommt einen langsam zum Halse heraus. Mäht auf dem Breidschidplatz in Berlin ein Moslem viele Menschen nieder, von denen zwölf sterben, ist das die Tat eines Einzelnen, aber mitnichten eine muslimische Tat. So die Lesart des deutschen Mainstrams. Richtet in Neuseeland ein Verrückter ein Massaker an, reichen hier die Motive über 15 000 km hinweg bis nach Deutschland zur AfD, wie in einer deutschen Regionalzeitung zu lesen war. Man weiß wirklich nicht mehr, was in Deutschland los ist, wer den Leuten hierzulande die Gehirne so vernebelt hat. Politik, Kirchen und die Medien haben sich in ein Boot gesetzt, das mit dem Mainstream irgendwo hin getrieben wird. Die Bürger werden zurück gelassen und eine leichte Beute derer, denen sie ausgeliefert werden sollen. Wann wird man hierzulande endlich wach?

Claudius Pappe / 25.03.2019

Ich habe nichts gegen Frauen mit Kopftuch. In den 50 und 60 er Jahren oft auf der Leinwand und im Cabrio zu sehen. Grace Kelly und Marylin Monroe. Wunderbar. Ach……….. waren das Zeiten…..........................Schöne Frauen…..............................…...dagegen Claudia Roth

Petra Wilhelmi / 25.03.2019

Was Herr Mazyek sagt, ist reine Taqiyya. Ist gibt keine Abgrenzung zwischen Islamismus und Islam, da Islamismus ein rein westliches Wort ist. Mazyek ist sicherlich sehr dankbar für diese Wortschöpfung, denn durch diese kann er die Eroberungswütigkeit des Islam und seine Tötungsanweisungen für Ungläubige verstecken. Es gibt nur den Islam mit seinem heiligen Buch des Korans und den dazugehörigen Anhängen. Übrigens, bin ich nicht die einzige, die meint, dass auch einmal Muslime von der Medizin schlucken sollten, die den Christen und Andersgläubigen in der ganzen Welt zugemutet wird. Ich bin auch gegen eine Aufrechnung von Toten. Leider geht aber der Terror fast immer von Muslimen aus. Trauer und Mitleid muss man sich ebenso verdienen, wie Respekt. Menschen, die das Leben anderer nicht achtet, einer Ideologie anhängen, die das Lebensrecht anderer beschneidet oder gar verleugnet, haben bei mir kein Mitleid verdient, denn mein Leben ist in deren Augen kein Pfifferling wert. Muslime haben mit getöteten Christen kein Mitleid und man hört oft, dass es ihnen Genugtuung bereitet und Freude, wenn Ungläubige getötet werden. Da halte ich es eher mit dem Alten Testament. Was sich noch nicht herumgesprochen hat, ist, dass wir gerade einen Dschihad über uns ergehen lassen müssen mit freundlicher Unterstützung der Altparteien und der Amtskirchen. Ein Dschihad muss nicht mit der Waffe in der Hand daherkommen. Das Wort umfasst alle Facetten des Lebens und die Fertilität der immer mehr hierher gekommenen ist die beste Waffe, die der Islam je hatte.

Frank Holdergrün / 25.03.2019

Danke, Herr Schuler! Es gibt sie noch, die Stimmen der Vernunft! Die Islamkritik-Industrie wird von Herrn Mayzek gegeißelt. Er degradiert Kritik mithin zu einer Art unnötiger Industrie. Aber es ist eine kulturelle Leistung, die Differenzen zu sehen und zu prüfen, ob Menschen zusammenlebten können. So agieren die Muslime überall, denen es ja ganz offiziell verboten ist, zu zweifeln oder Kritik an ihrer Religion zu üben. Es ist nämlich nichts anderes als die Verführung zum Unglauben. Sure 2, Vers 191: ´Und erschlagt sie (die Ungläubigen), wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von wannen sie euch vertrieben; denn Verführung [zum Unglauben] ist schlimmer als Totschlag.”

Claudius Pappe / 25.03.2019

Ja ,man könnte glauben die beiden christlichen Kirchen hätten sich schon dem Islam angeschlossen. Die Unterzeichnung der Unterordnung wird aber erst in 20 Jahren bekannt gegeben. Wie war das 1933 mit den beiden Kirchen ? Da gab es doch auch Verträge .

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