Erik Lommatzsch, Gastautor / 02.08.2021 / 10:00 / Foto: RealRoy / 41 / Seite ausdrucken

Chinesische Kommunisten bei der FAZ

Wie schlecht geht es der „Frankfurter Allgemeinen“? Sie ist jung und braucht das Geld? Ersteres wird sich beim Blick auf den Geburtsjahrgang – 1949 – nur schwer als Erklärung anführen lassen können, beim zweiten Teil der Vermutung ist man nicht ganz so sicher.

Die Seite 23 der FAZ-Ausgabe vom letzten Donnerstag ist vollständig dem Thema „100 Jahre Kommunistische Partei Chinas“ gewidmet, relativ viel Text und einige hübsche Bilder. Das Ganze befindet sich im Wirtschaftsteil. Nun ist der Beitrag ausdrücklich als „Anzeige“ gekennzeichnet (steht oben rechts), ebenso erfährt man, dass die „Xinhua News Agency“ für die Darstellung verantwortlich ist. Zudem ist der Text optisch von der FAZ-Gestaltung abgesetzt.

Insofern könnte man sagen, es sei eine der üblichen bezahlten Selbstdarstellungen oder Werbungen, denen man höchstens einen kurzen Blick gönnt und dann weiterblättert. Es könnte einen bei besagter „Anzeige“ jedoch auch ein seltsames Gefühl beschleichen.

Es handelt sich um Propaganda für die und von der KPCh – so die gängige, auch hier gebrauchte, etwas schwer auszusprechende Abkürzung für die Kommunistische Partei Chinas – , und zwar nicht vom Feinsten, sondern vom Flachsten.

Präsentiert wird vor allem eine Anzahl westlicher Gewährsleute, zum Teil auch bereits verstorbene, die sich mit dem chinesischen kommunistischen System recht gut angefreundet und dessen Vorteile der Welt kundgetan haben oder dies noch immer tun.

„An der Seite des chinesischen Volkes“

Zum Beispiel gab es da den deutschen Arzt Hans Müller, der nach dem Studium in der Schweiz 1939 wegen seines jüdischen Vaters nach China ging. In der „Anzeige“ heißt es, Müller kämpfte Seite an Seite mit der kommunistischen Partei Chinas und dem chinesischen Volk im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression und später im Befreiungskrieg. Er widmete sich dem sozialistischen Aufbau Chinas nach der Gründung des neuen China im Jahr 1949. Seit ihrer Gründung im Jahr 1921 hat die KPCh in den verschiedenen Perioden der Revolution, des Aufbaus und der Reformen viele ausländische Freunde wie Müller angezogen, ihre Begegnungen mit chinesischen Kommunisten im vergangenen Jahrhundert haben ein Fenster geöffnet, durch das die Welt die KPCh besser verstehen kann. Müllers Sohn gibt zu Protokoll: „Die Kommunistische Partei Chinas führt das Volk und ihre Mitglieder stehen an vorderster Front. Nichts ist unmöglich.“

Wie sind die chinesischen Kommunisten? Dieser Frage sei der amerikanische Journalist Edgar Snow nachgegangen, der 1936 in die nördlichen Gebiete der Provinz Shaanxi im Nordwesten Chinas reiste. In einer Höhlenbehausung führten Mao Zedong und Snow viele lange Gespräche. Auch andere hohe Funktionäre er KPCh sowie einfache Soldaten habe er interviewt. In seinem Buch „Roter Stern über China“ erwähnte Snow die Hartnäckigkeit, mit der die chinesischen Kommunisten an ihren Prinzipien festhielten, sowie die außergewöhnlichen Soldaten der KPCh und die unverwüstliche Energie, die hinter ihnen stand. Er beschreibe auch detailliert, wie und warum die Kommunistische Partei Chinas die große Unterstützung und das Vertrauen der Bauern gewonnen hatte. Hierzu soll es verschiedene andere Sichtweisen geben.

Bewegt von der Tapferkeit der Roten Armee habe sich George Hatem, in der „Anzeige“ als amerikanischer Arzt präsentiert, dafür entschieden, in China zu bleiben. Er trat 1937 in die KPCh ein und wurde der erste westliche Staatsbürger, der Mitglied der KPCh wurde. In den vergangen 100 Jahren ist die KPCh ihrem Gründungsanspruch und ihrer Mission treu geblieben und hat die chinesische Nation durch einen gewaltigen Wandel geführt. Sie hat sich erhoben, hat sich verbessert und hat an Stärke gewonnen. So kann man ein paar Jahrzehnte Partei- und allgemeiner chinesischer Geschichte natürlich auch zusammenfassen, in so einem „Anzeigentext“ kann man schließlich nicht auf alles eingehen. Und mit dem Hobel und den Spänen versteht sicher jeder, es ging und geht ja um eine große Sache.

Die Kommunistische Partei Chinas ist nach Meinung des britischen Politikwissenschaftlers Martin Jacques wohl die erfolgreichste politische Partei der Welt im 20. Jahrhundert gewesen. Ein französischer Unternehmer, der seit 15 Jahren in China lebt, sei der Meinung, der westliche Stereotyp des Kommunismus habe sich seit dem Kalten Krieg nicht weiterentwickelt. Viele fänden den Kommunismus beängstigend, „ohne ihn überhaupt zu verstehen.“

„System der Konsensbildung“

Ein Japaner, der seit Jahren den bilateralen Austausch fördert, meint: „Die kommunistische Partei Chinas gibt sich alle Mühe, für die Zukunft des Landes zu denken und zu handeln.“

Die Witwe von Israel Epstein, der 1957 chinesischer Staatsbürger und 1964 KPCh-Mitglied wurde, erklärt, was ihr Mann am meisten schätzte, war, dass die Kommunistische Partei für die Armen da ist und dem Volk hilft.

Im Abschnitt Immer im Dienste des Volkes kommt David Osborn zu Wort, ein australischer Schafzucht-Experte, der in China engagiert ist: „Der Gedanke, dass die KPCh hunderte von Millionen Menschen aus der Armut befreit hat, ist einfach außergewöhnlich. Es ist eine der großen Errungenschaften der Welt.“

Der Sudanese Yahia Mustafa, der 20 Jahre in China lebte, merkt an: „Die Besonderheit der KPCh liegt darin, dass sie die Menschen an die erste Stelle stellt und sich immer um die Menschen kümmert und ihnen dient“.

Weiter im „Anzeigentext“: Die menschenorientierte Philosophie der KPCh wurde ebenfalls durch die landesweite Mobilisierung bewiesen, um die grassierende COVID-19-Epedemie im Jahr 2020 einzudämmen. Die KPCh bat damals ihre Mitglieder, eine Führungsrolle einzunehmen, indem sie die schwierigsten und gefährlichsten Arbeiten im Kampf gegen das Virus übernehmen… Das Engagement der Partei für die Menschen hat die öffentliche Unterstützung für die Regierung verstärkt. Ein Bericht der Harvard-Universität zeigte, dass die allgemeine Zufriedenheit der chinesischen Bevölkerung mit der Zentralregierung bei über 93 Prozent lag.

Die Partei hat das System immer weiter verbessert, um sicherzustellen, dass die Menschen im Einklang mit dem Gesetz an demokratischen Wahlen, Konsultationen, Entscheidungsfindungen, Verwaltung und Aufsicht teilhaben. Laurence Brahm habe gesagt, die chinesische Demokratie sei anders als die des Westens, nämlich ein System der Konsensbildung.

Heute gewinnen Stimmen und Visionen der KPCh immer mehr an positiver Rückmeldung und Unterstützung auf der ganzen Welt… Während China den Ausbruch von COVID-19 im eigenen Land effektiv unter Kontrolle brachte, hat es auch anderen Ländern aktiv Hilfe geleistet… Derartige Bemühungen fügen sich in die Vision der Kommunistischen Partei Chinas einer „Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit“.

Ein Traum, diese Partei!

Illustriert ist der Text mit Fotos, die etwa die internationalen Freunde Chinas zeigen, die im Text zu Wort kommen oder einen Hochgeschwindigkeitszug, der in einer südwestchinesischen Provinz entlang Feldern mit blühenden Pflanzen fährt.

Der alte Leser der alten FAZ hätte zumindest den Gedanken ventiliert, die Redaktion habe den Text der „Anzeige“ bewusst und gern gekauft und gedruckt – nicht in erster Linie, weil er Geld in die Kasse spült, sondern weil er besser als jede Analyse ein politisches System vorführt, das von unserer Lebenswelt und unserem Verständnis von Demokratie mehr als ein kleines Stück weit entfernt ist. Das traut man den Machern der Zeitung inzwischen nicht mehr zu. Der alte Leser der neuen FAZ stellt lediglich mit Befremden fest, dass sich eine einst renommierte Zeitung als Bühne von der Kommunistischen Partei Chinas anmieten lässt. Als Bühne für deren Selbstverständnis, deren Blick in die eigene Vergangenheit und deren künftige Ansprüche. Und alles bar jeder Subtilität, man könnte auch von einer intellektuellen Zumutung sprechen.

Hier schließt sich allerdings eine weitere Feststellung an: Art und Weise sowie der Duktus der Ausführungen kommen einem bekannt vor, aus einer Reihe von anderen Texten in deutschen Medien, über denen nicht der Vermerk „Anzeige“ zu finden ist.

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Sara Stern / 02.08.2021

Peinlich für die Zeitung. Beggars cant be choosers. Angesichts der fallenden hart verkauften Exemplare wird das sicherlich nicht die letzte Ausgabe sein, in der die Faz Schreiberlinge sich vor den chinesen prostituieren. Eventuell machen sie es ja auch gerne, da sie im Geiste Gleichschritt mit Mao laufen. Es sind in den Redaktionsstuben eben zu viele Ungebildete von Hass auf andersdenkende zerfressene Menschen. Ich mache mir Sorgen, zu welchen Taten diese Schreiberlinge in der Lage sein werden, wenn sie nicht mehr vom Staat ausgehalten werden. Bereits jetzt ist bekannt, dass sehr viele Journalisten zu Gewalt neigen, was wohl auch eine Konditionierung aus dem Studium/der Ausbildung ist.

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