Gunnar Heinsohn / 14.03.2019 / 06:27 / Foto: Pixabay / 37 / Seite ausdrucken

China: Mit Zweikind-Politik unschlagbar

Nationen, deren Bevölkerungsmehrheiten nur durch Siege in der Konkurrenz auf Arbeitsmärkten an Positionen gelangen, tendieren bei den Geburtenraten Richtung null. Die Befreiung von Familienlasten bringt Zeitgewinne für Qualifizieren und Regenerieren in diesem lebenslangen Wettbewerb. So sorgt vorrangig der emotionale Wunsch nach einem Kind dafür, dass die rund 70 Top-Länder (von gut 200 insgesamt) immer noch über eins liegen und durch zusätzliche Anreize real 1,5 erreichen.

Als Schutz gegen Schrumpfung und Vergreisung fehlt das zweite Kind. Die Sehnsucht mag für ein erstes reichen, Sozialhilfe bringt auch dritte und vierte. Überzeugen aber muss man die qualifizierten Frauen, die durch Mutterschaft nicht zurückfallen wollen. Das erfordert ein Angebot, dessen Ausschlagen schwerfällt. Man könnte beispielsweise sämtliche bisher angebotenen Mittel – vom Schwangerschafts- und Kindergeld über die Vorschulerziehung bis hin zu Steuervergünstigungen und Mütter-Renten – zusammenwerfen.

Als Einmalbetrag zur unabhängigen, also von staatlicher Gängelung freien Verwendung für ein zweites Kind kämen in der OECD-Welt dabei hohe fünfstellige Euro- oder Dollarbeträge zusammen. Ihre Ablehnung täte schon weh, besonders wenn findige Ärzte Verfahren für die Empfängnis von Zwillingen anbieten, so dass die Summe schon beim ersten Kind überwiesen wird (Vergleiche hier).

Gleichwohl bliebe ein solche Politik unwägbar, weil so gewonnene Kinder unqualifizierte Erwachsene werden und die Könner auswandern könnten. Wie würde China vorgehen? Es hat bei der Einkindpolitik von 1979 bis 2015 mit Härte bis zur Gewalt operiert. Doch eine geburtenfördernde Analogie zur Zwangsabtreibung ist kaum vorstellbar. Also wird man weichere Druckmittel erproben. 

Kommt jetzt der Zweikind-Zwang?

Man könnte Zweifachmütter bei der Besetzung attraktiver Arbeitsplätze bevorzugen. Eine solche Maßnahme – von Herwig Birg bereits für Deutschland vorgeschlagen – ist verfassungswidrig in Demokratien. Sie wäre überdies abwegig in Nationen mit hoch divergenten Kompetenzprofilen. Keine Firma kann einer Vielfachmutter ohne Schulabschluss eine Spitzenstellung anbieten und dafür die qualifizierte Kinderlose davonschicken. Wenn aber – wie in China – die meisten Bewerberinnen ähnlich qualifiziert und motiviert sind, bliebe das Risiko der Vergeudung von Talenten kalkulierbar. 

Eine der Strafen für Chinesen, die ihr Konto korrekten Sozialverhaltens überziehen, besteht im Ausschluss des Nachwuchses von den besten Schulen und Universitäten. Würde das Fehlen eines zweiten Kindes auf dieselbe Weise geahndet, wäre gerade der zur Kinderlosigkeit drängende Berufsehrgeiz für die Fortpflanzung in die Pflicht genommen. Die Sorge vor zu wenig erstklassigen Studenten wäre wegen der generell gegenüber dem Westen überlegenen Cognitive Ability (CA) im Reich der Mitte wiederum vernachlässigbar. CA103 etwa gegen CA99 (D) sorgen für einen komfortablen Puffer.

Die meisten westlichen Staaten haben längst viel zu hohe Anteile an SchulversagerInnen, um solche Wege gehen zu können. Wenn aber China diesbezüglich so konsequent vorginge wie bei der – erst 2016 abgeschafften – Einkindpolitik, begänne es das größte Zukunftsexperiment überhaupt. Denn keiner der Konkurrenten kann allein durch die Einwanderung von – ihrerseits wieder geburtenarmen – Spitzenleistern ökonomisch überleben.

China verfügt momentan über ein Arbeitskräftepotential von 900 Millionen unter 1,4 Milliarden Menschen. Da nur 780 Millionen davon aktiv sind, gibt es für die nahe Zukunft noch erhebliche Reserven. Auch mit seinem Durchschnittsalter von 37 Jahren steht es günstiger da als etwa die Europäische Union mit 43 Jahren (USA: 38; D: 45). Doch nur wer mit den eigenen Familien beziehungsweise Müttern die 2,1 Kinder pro Frauenleben für die Nettoreproduktion schafft, bleibt auch langfristig im Rennen. Davon kann im heutigen China keine Rede sein. 2018 realisiert es mit 15,23 Millionen die geringste Geburtenzahl seit 1961. Das ist auf 1.000 Einwohner zwar mehr als in Deutschland, aber der Abstand von 2017 (12,3 zu 8,6 für China) wird geringer. 

Hohe Kompetenz und stabile Alterspyramide

Ein Mutterschaftsurlaub bis zu 113 Tagen gehört zu Chinas eher panisch-hastig veranlassten Maßnahmen. In Tibet wird sogar ein Jahr gewährt, um mehr Han dorthin zu locken. In der Experimentier-Stadt Shihezi (640,000 Einwohner) müssen Unternehmen im Mutterschaftsurlaub das volle Gehalt weiterzahlen. All das sind konventionelle Instrumente. Die chinesische Sprachregelung indiziert jedoch eine neue Richtung. Es wird nicht einfach vom Ende der Einkindpolitik oder von der jetzigen Zulässigkeit eines zweiten Kindes, sondern von einer „vollumfänglichen Zweikindpolitik“ gesprochen.

People’s Daily proklamiert: "Die Geburt eines Babys ist nicht nur eine Frage der Familie, sondern ein Vorgang von nationalem Rang". Xinhua Daily fordert im August 2018 einen Fonds, in den alle Menschen unter 40 Jahren einzahlen müssen, um versicherungsartige Zuwendungen für ein zweites Kind zu finanzieren. Wer darunter bleibt, muss trotzdem einzahlen. In der Diskussion ist allenfalls eine Teilrückzahlung nach Erreichen des Rentenalters – vergleichbar den Krankenkassenprämien, von denen es bei Nichtbeanspruchung im nächsten Jahr einen Bruchteil zurückgibt.

Gelingt China die Verbindung seiner hohen Kompetenz mit einer stabilen Alterspyramide, werden die kaum noch zählbaren Artikel über sein Altwerden vor dem Reichwerden Makulatur. Das 21. Jahrhundert würde in der Tat ein chinesisches.

Eine kürzere Fassung dieses Textes erschien am 8. März 2019 in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ)

Foto: Pixabay

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Margit Broetz / 14.03.2019

Zwei-Kind-Zwang? Unsinn! Deshalb holt man sich doch die ins Land, die ohnehin bzw. auch auf Befehl “fünf Kinder, nicht drei” machen (Erdolf). Und dazu die Buschmänner, bei denen die Zahl der Kinder das Ansehen bestimmt. Wer die ernährt, ist uninteressant. Nicht-Fortpflanzung gilt nur für die Bio-Deutschen! Richtig ist natürlich, wie Herr Heinsohn schon in den 80ern schrieb, die europäischen Völker haben sich das Recht, die Zahl der Kinder selbst zu bestimmen, nach 500 Jahren verbotener Geburtenregelung im letzten Jahrhundert wieder erkämpft. In den 500 Jahren haben die Europäer so karnickelt wie heute die Afrikaner. Zu diesen Zuständen zurückzukehren kann nicht die Lösung sein! Die geringe Zahl der Geburten im Europa heute erklärt sich aus den familienunfreundlichen Rahmenbedingungen: niedrige Löhne, hohe Mieten usw. Ich dachte mir schon damals in den 80ern: wenn es das Ziel der “Familienpolitik” sein sollte, mehr Menschen in Deutschland zu haben (weil das angeblich die Renten sichert, das Wachstum fördert usw., alles Positionen die ich nicht teile) müßte man ja nur die Grenzen öffnen und hätte soviel Menschen wie man will. Was ja leider inzwischen jemand anders auch gedacht hat und umgesetzt hat!

Dr. Gerhard Giesemann / 14.03.2019

@Xi Yuong: Erklärt das womöglich, dass seit 1970 die Einwohnerzahl in China von 700 Mio. auf das Doppelte angestiegen ist?

Dr. Gerhard Giesemann / 14.03.2019

Das 21. Jhdt. wird ein chinesisches sein. Klar, was denn sonst? Hinzu kommt Indien etwa. Trotz ungeheurer Bev.-zahl der Muslime: Die eher nicht. Zu China: Ohne die infame Politik der Briten im 19. Jhdt. wäre China schon seit 100 Wirtschaftsmacht Nr. 1 - genauso wie schon vor den Opiumkriegen. Damals haben die mehr als die Hälfte der Weltproduktion erbracht. Da geht noch was, garantiert.

Xi Yuong / 14.03.2019

Die 1 Kind Politik galt aber nicht für Minderheiten,die konnten so viel Kinder machen wie sie wollten.China wollte bunt werden.

S. Marek / 14.03.2019

Sehr geehrter Herr Heinsohn, all dieser wissenschaftliche Diskussion kommt jetzt Dekaden zu spät, D war seit jeher kein Kinderfreudiges Land. Als es darum ginge genügend Kinderkrippen und Kindergärten für die jungen Eltern anzubieten, war kein Geld dafür da. Gleiches galt schon immer für genügend entsprechend ausgebildete Mitarbeiter dieser Städte. Auch für Renovierung und Instandhaltung von Grund-, Real-Schulen und Gymnasien war nie Geld da. Die Ausfallzeiten im Schulunterricht waren und sind enorm. Für Eltern die nebenbei halbtags arbeiten wollten bzw. müßten hat kaum eine der Großfirmen ein Kindergarten für die Mitarbeiterkinder im Angebot gehabt usw. Aber jetzt, seit dem wir Menschen “geschenkt” bekommen wie der Finanzminister Hr. Schäuble meinte, daß D und die EU ohne diese Menschen in Inzucht degeneriert würden (man merkt es bereits an seinem Beispiel), wen wir diese nicht annehmen, sind zig Milliarden € pro Jahr plötzlich für deren Unterhaltung dafür da. Sogar die Bundes-Wehr (oder jetzt -Puff) hat Kinderstädte im Angebot für die Soldatinnen, inkl. Umstands-“Uniformen”  für die Zeit davor, und dementsprechend aufgebauten Panzern (mit Liege?) als die Kinderfreundlichste Armee der Welt. Nur müssen wir diese Testosteron aufgeladenen und keine Hemungen kennende Zuchtbullen nur zum Bund, Polizei usw. verpflichten, woran bereits an entsprechenden Plänen unserer degenerierten Politiker nicht mangelt.

Juliane Mertz / 14.03.2019

Heinsohn ist ein nüchterner Denker, das mag ich. Wo ich mir nicht so sicher bin: Kann man wirklich davon ausgehen, dass es im 21.Jahrhundert einen wirtschaftlichen Wettbewerb der Nationen gibt? Und wenn es einen Wettbewerb gibt, kann man wirklich abgehängt werden? Oder werden Abgehängte nicht möglicherweise zum Risiko für die Sieger?

Harald Wingenfeld / 14.03.2019

In Anbetracht der bald 8 Milliarden Menschen auf dieser Erde - die sich mit ca. 1,5 Milliarden Gutgebildeter zufrieden geben sollte - ist jedes Neugeborene eine weitere Krebszelle am Geschwulst der Menschheit, die dabei ist, sich ihren eigenen Ast durch Vermehrung abzusägen. Das polynesische Volk auf Tikopia (Siehe Wikipädia) ist das einzig mir bekannte, das über Jahrhunderte hinweg vernünftig genug war (sie hatten kein 5. Gebot) auf ihrer kleinen Insel im Einklang mit der Natur zu leben ohne seine Nahrungsgrundlagen zu zerstören. Leider hat das die sonst vernünftige AFD überhaupt noch nicht begriffen.

Sophie Siemonsen / 14.03.2019

@Martin Landner Wer es schafft, auf das Bedürfnis nach Familie zu verzichten zugunsten der Karriere, der hat seine Wahl doch bereits getroffen. Spitzenpositionen sollten immer an Workaholics mit wenig Privatverpflichtungen gehen, nicht an Personen mit Familie. Das ist besser für die Firma und für die Familie. Auch als Mann muss man sich für eine von beiden entscheiden. Wenn man ein guter Vater mit gesunden Kindern sein will.

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