Marvin Wank / 10.03.2019 / 10:00 / Foto: André Karwath / 39 / Seite ausdrucken

Chemnitz – meine schwierige Heimat

Von Marvin Wank.

Ich bin Chemnitzer. Ich wurde hier geboren, eingeschult und schließlich immatrikuliert. Bis zum Sommer letzten Jahres war sie nur wenigen ein Begriff, diese mit 250.000 Einwohnern Gerade-so-Großstadt in Ostdeutschland. Dann wurde auf dem Chemnitzer Stadtfest ein Deutscher von mehreren Migranten abgestochen. 

Und es ging los: Zunächst riefen bürgerliche Gruppen zu einem Trauermarsch für den Getöteten auf. Gleichzeitig starteten linke Gruppierungen Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung. Soweit, so gut. Dann zeigte sich die hässliche Seite von Chemnitz: Nazis marschierten auf. Echte Nazis. Mit Hitlergruß, Hakenkreuzen und Sieg Heil zogen sie durch die Straßen und alle gemäßigten Demonstranten in den Dreck.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten und bald verdrängten vermummte Antifa-Extremisten ihrerseits die gemäßigt linken Demonstranten. Überrascht hat das eigentlich nur Nicht-Chemnitzer. Das Ausmaß war diesmal vielleicht ein anderes, aber politischer Extremismus auf beiden Seiten ist nichts Neues in meiner Heimatstadt. 

Bei der Bundestagswahl 2017 gewann die AfD, die in Sachsen viel rechter ist als im Rest der Republik, 24,3 Prozent der Zweitstimmen und lag damit nur hauchdünn hinter der CDU (24,9 Prozent). Drittstärkste Kraft wurde die Linkspartei mit 19,2 Prozent. Überhaupt ist die Parteienlandschaft in Chemnitz anders als im Rest Deutschlands. Der CDU-Kreisverband hat Merkel explizit von Wahlkampfveranstaltungen zur Landtagswahl ausgeladen – um keine Wählerstimmen zu verlieren. Die Chemnitzer Linkspartei hält stramm zu Sahra Wagenknecht und von Immigration und der EU deutlich weniger als der Bundesverband. Nicht umsonst hat Wagenknecht ihre Doktorarbeit in Chemnitz abgelegt – bei Fritz Helmedag, meinem VWL-Professor und Lehrstuhlinhaber für Mikroökonomie an der TU.

Je weniger gefragt auf dem Arbeitsmarkt, desto linker

Apropos: Auch vor der Technischen Universität Chemnitz macht die politische Spaltung nicht halt. In der Einführungswoche bemerkte ich bereits die zahllosen Antifa-Sticker auf dem Campusgelände. Innerlich richtete ich mich schon auf eine rote Flora im akademischen Gewand ein. Umso überraschter war ich, als ich begann, mit meinen Kommilitonen über Politik zu reden. Die allermeisten kann man beim besten Willen nicht als links bezeichnen. Die meisten würde ich in Richtung CDU verorten, aber hin und wieder hörte ich auch ausgesprochen liberale Gedanken.

Woher also kommt die ganze Antifa-Propaganda, wenn die meisten meiner Kommilitonen eher konservativ-liberal eingestellt sind? Die Antwort darauf habe ich im Gespräch mit Studenten anderer Studiengänge und Fakultäten gefunden. Ich studiere Wirtschaftsinformatik, ein Gebiet also, nach welchem es erhebliche Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gibt. Aber je weniger gefragt ein Studiengang ist, so kam es mir vor, desto linker wurden die Studenten. Irgendwie sehr interessant. 

Ich habe hier im Kleinen erlebt, was die Gesellschaft im Großen spaltet. Diese Spaltung der Gesellschaft ist ein Problem im ganzen Land. Aber warum ist sie ausgerechnet in Chemnitz so stark ausgeprägt? 

Ich bin kein Soziologe, aber nach meinen eigenen Erfahrungen gibt es eins, was links- und rechtsextrem eint: der Hass auf die Freiheit. Die Linken wollen dem Menschen seine Konsumfreiheit wegnehmen. Die Rechten wollen dem Menschen ihre Moralvorstellungen aufdrängen. 

Und in Chemnitz hat Freiheit leider keine große Tradition. Zu DDR-Zeiten hieß Chemnitz Karl-Marx-Stadt. Um dem Namen gerecht zu werden, errichtete die DDR-Führung ein riesiges Monument im Stadtzentrum, das auch heute noch an der Straße der Nationen steht. Mit einem solchen traurigen Wahrzeichen kann der Keim der Freiheit nur schwer aufblühen.

Marvin Wank ist 18 Jahre alt und studiert Wirtschaftsinformatik.

Dieser Artikel ist im Rahmen des Projekts  "Achgut U25: Heute schreibt hier die Jugend" in Zusammenarbeit mit der Friedrich A. von Hayek Gesellschaft und dem Schülerblog „Apollo-News“ entstanden. 

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Leserpost

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Sandra Hofmann / 10.03.2019

Die Spaltung im Lande hat meiner Meinung nach wenig mit den extremen Rändern der Gesellschaft zu tun. Sie sehen nur jetzt ihre Chance auf den Zug aufzuhüpfen und Anschluss zu finden. Die Linksextremen haben es geschafft, die Rechtsextremen arbeiten daran. Ich bin selbst noch in der DDR zur Schule gegangen und das stete Gefühl und manch eine Warnung, man müsse aufpassen wann man was wo sagt, waren ein Gräuel. Und heute sehe ich dieses Gefühl wieder aufkeimen. Daran haben nicht (nur) die Extremen ihren Anteil, sondern vor allem diejenigen, die sich selbst Demokraten nennen. Die, die in der Regierung sitzen und Bürger, welche demonstrierten, beschimpften wie zur Wendezeit, und die, die in den Gewerkschaften, in Kirchen, in Organisationen, in Schulen und Universitäten sitzen. Sie sind es, die den Diskurs verweigern, die Veranstaltungen canceln, wenn ein ihnen unpassender Redner geladen ist. Sie sind es, die demonstrieren, wenn Hamed Abdel Samad einen Vortrag hält oder Sarazin sein Buch vorstellt. Sie sind es, die an Veranstalter und Wirte schreiben und fordern sie mögen noch mal überdenken, ob sie diese und jene Veranstaltung wirklich abhalten wollen bzw ob sie “denen” ihre Räume zur Verfügung stellen. Eine Demokratie, deren essentielle Basis die Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit ist, ist das nicht mehr. Sie sind es, die am Tatort eines Mordes ein Konzert gegen rechts organisieren, mit so üblen Texten, dass einem schlecht wird und anderntags über die Verrohung der Sprache sprechen, während sie aber nur die Verrohung ihrer politischen Gegner, nicht der eigenen, meinen. Mehr und mehr Doppelmoral und Heuchelei, Inkompetenz und Grenzüberschreitung, Freiheitsberaubung und hohle dumpfe Phrasen kommen zum Vorschein, je mehr man hinschaut. DAS widert mich an, und DAS macht die Spaltung der Gesellschaft aus. Nicht nur in Chemnitz, sondern im ganzen Land.

Heiko Eppens / 10.03.2019

Vor 40 Jahren habe ich men Studium der Wirtschaftswissenschaften in Hamburg angefangen. Auch da gab es plitisch sehr aktive Studenten, die aktivsten und lautesten waren nach unserem Empfinden damals bei den Erziehungswissenschaftlern zu finden. Ich erinnere mich noch gut an die erste Versammlung vor den ASTA-Wahlen im Audimax. Als der vernünftigste und demokratischste erschien der Vertreter der “normalen” Kommunisten, die Mehrheit jedoch lag weiter links davon. Im Fachbereich WiWi war die Situation eine andere. Dort wurde geheim mit Wahlurne gewählt und es gewann mit ca 66% regelmäßig der “schwarze Block” für manche extrem Linke manchmal auch der “braune”.  In diesem Block waren auch die Jugendorganisationen der Parlamentsparteien vertreten. Ungewöhnlich zur damaligen Zeit, das Zusammengehen von Junge Union und Jungsozialisten. Schnell lernte ich, dass nur dieses Vorgehen demokraische Strukturen stützen konnte. Die freie Wahl an der Urne wollten die linken Aktivisten durch mehr Demokratie ersetzen - durch Basisdemokratie mit Abstimmung per Handzeichen. So basisdemokratisch wurden auch Resolutionen für mehr Demokratie verabschiedet: Es gab hierzu Versammlungen im Auditorium des Fachbereichs, in den maximal 300 Studenten des Fachbereichs passten - von gut 4500 oder 6000 (weiß es nicht mehr genau). Rechtzeitig im Auditorium konnte man nur sein, wenn man wenigstens eine Stunde vorher da war. Dazu musste man i.d.R. eine Vorlesung vorzeitig verlassen. Auf diesen Gedanken kamen Wähler des recg´hten Blocks nicht. Da ich gerade eine Freistunde hatte, konnte ich es mir jedoch einmal als Erfahrung leisten teilzunehmen, Es war das übliche laute und emotionale Herausstellen eigener plakativer Vorstellungen, wie die Welt zu sein hat. Die Abstimmung gegen die geheime Urnewahl brachte rund 90% per Handzeichen und den 10% einen sehr schrägen Seitenblick der Nachbarn. Mit diesem überragenden Plebiszit forderte man nun endlci Demokratie ein. Zum Glück galt dafür aber noch Urnenwahl.

Karsten Kaden / 10.03.2019

Schöner Artikel. Auch ich bin Chemnitzer, geboren in Karl-Marx-Stadt. In zwei Punkten widerspreche ich. Erstens, das Aufdrängen von Moralvorstellungen ist keine rechte Domäne, sondern eindeutig die der Linken und Grünen. Wobei selbst die ehemals mittige SPD und die ehemals rechte CDU straff mitziehen. Zweitens, der “Nischel” war einst tatsächlich als Wahrzeichen für den siegreichen Sozialismus gedacht und wurde bis zur Wende von den Karl-Marx-Städtern nicht besonders gemocht. Das änderte sich jedoch nach dem Fall der Mauer. Die Chemnitzer entschieden sich 1990 mit klarer Mehrheit für den Erhalt des Nischels und seitdem ist er ein nicht wegzudenkendes und beliebtes Identifikationssymbol der Stadt.

Ulrich Weinfurtner / 10.03.2019

Sehr geehrter Herr Wank, der schlimmste Albtraum scheint für Sie die “Spaltung der Gesellschaft” zu sein. Ist Ihnen nicht bewußt, daß Sie hier marxistisches Kampfvokabular verwenden (Spalter der Arbeiterklasse)? Personen mit einer abweichenden Meinung werden von Linken als Spalter diskreditiert. Ihre Großeltern können Ihnen von ihren DDR-Erfahrungen berichten. Es ist doch hervorragend, daß wir eine politische Spaltung haben. Das Gegenteil wäre die vermeintliche Einheit der Gesellschaft –  eine Einheitsmeinung, eine Einheitspartei, ein Einheitsliste der Blockparteien für die Wahlen. Dann hätten wir wieder Verhältnisse wie unter Stalin und Pol Pot. Diese “Spaltung” wird übrigens gemeinhin Demokratie genannt. Auch bei Ihrer Verortung von links, rechts, liberal, konservativ usw. geht es arg durcheinander. Ihre Kommilitonen soll man nicht als links bezeichnen können. Sie nennen sie sogar konservativ-liberal und verorten sie in Richtung CDU. Aber die CDU ist doch links! Ein trauriges Beispiel, wie es gelungen ist, jungen Leuten eine linke Parteipolitik als nicht-links zu verkaufen, ja sogar als konservativ-liberal. Offensichtlich halten Sie aber auch links und linksextrem (und rechts und rechtsextrem) für identisch. Das zeugt von wenig analytischer Schärfe. Mag sein, daß Links- und Rechtsextreme keine Freunde der Freiheit sind, aber nachgeradezu lächerlich ist es, wenn Sie schreiben, daß die Linken dem Menschen seine Konsumfreiheit wegnehmen wollten, die Rechten dem Menschen aber ihre Moralvorstellungen aufdrängen. Die Linken wollen dem Menschen also nicht ihre Moralvorstellungen aufdrängen? Gerade das wollen sie! Und sie wollen ihm nicht nur die Konsumfreiheit wegnehmen, sondern jegliche Freiheit, insbesondere und zuerst die des Denkens. Mir scheint, daß Sie die Wirklichkeit linksverzerrt wahrnehmen. Aber mit 18 Jahren ist das vielleicht ganz natürlich. Wenn Sie später Platon, Aristoteles, Leo Strauss und andere gelesen haben, wird Ihnen vieles klarer werden.

Sepp Kneip / 10.03.2019

Wenn eine Gesellschaft von der Mitte her fault, zerfransen die Ränder und werden extremistisch. Ob linksextrremistisch oder rechtsextremistisch liegt an der jeweiligen Einstellung. Wenn es die gemäßigten politischen Parteien nicht fertig bringen, die Ränder zu integrieren, stimmt etwas nicht mit ihrer Politik. Das hat dann auchdie AfD entstehen lassen. Eine Partei, die zunächst kein großes Programm brauchte, sondern nur die Finger auf die Wunden legen mussre, die die anderen geschlagen haben. Diese Partei ist aber nicht rechtsextremistisch und schon gar keine Nazi-Partei. Aber da man sie seitens der Etablierten weg haben will, werden ihr alle Aktivitäten von nicht der Partei angehörenden Rechtsextremisten angelastet. Anders sieht das auf der linken Seite aus. Hier wird sich der Linksextremismus, der in Gestalt der Antifa auftritt, gegen die AfD nutzbar gemacht. Die Straftaten. die hierbei begangen werden, bleiben in der Regel ungeahndet. Was in Chemnitz passiert, ist die ausgeptägtere Version dessen, was in ganz Deutschland abläuft.

Dieter Kief / 10.03.2019

Herr Wank, das klingt doch gar nicht so übel!  - In den mauern Ihrer schönen Stadt hat einer ein zukünftiges Wirtschaftswissenschaftliches Standardwerk geschrieben, es heißt: Cognitive Capitalism - Human Capital and the Wellbeing of Nations. Der autor ist der Ihnen vielleicht berreits bekannte Kognitionspsychologe heiner Rindermann. Sie könnten eine Arbeitsgruppe mit Ihren KommilitonInnen zu diesem Buch machen - und dann heir beschreiben, wie die das fanden.  - Das wäre einBlick in die Zukunft der Sozialwissenschaften! @ Martin Landner - das klingt oberstreng (wenn auch nicht falsch… - seufz!).

joachim scharschmidt / 10.03.2019

Die Beobachtung “Je weniger gefragt auf dem Arbeitsmarkt, desto linker” trifft zu. Die Herausforderungen des Studiums sind bei MINT-Studienfächern deutlich höher als bei den “Orchideenstudiengängen”, die leider selbst an technischen Universitäten wie Krebsgeschwüre wuchern. An der TU(!) Chemnitz wurde ein Politikwissenschaftler zum Rektor gekürt, da kann man auch einen Nichtschwimmer als Bademeister anstellen. Es wäre eine Überlegung wert, zu hinterfragen, wieviele der weniger begabten Studenten sich bewusst für den bequemen Weg zu irgendeinem akademischen Abschluss entscheiden. Schnell begreifen sie, dass man mit der richtigen “Haltung” problemlos gravierende Defizite bei Fachkompetenz und eigenem Denk- und Hinterfragungsvermögen kompensieren kann. Dieses gefährliche Phänomen ereilt Deutschland leider nicht zum ersten Mal. Und Geld gibt es dafür am Ende auch - und zwar vom Staat. Abermillionen werden für Projekte ausgegeben, in denen dieser für in den normalen Arbeitsmarkt nur bedingt vermittelbare Kreis von Hofschranzen ein nicht selten lukratives Einkommen erzielen kann.

A.Auerbach / 10.03.2019

Mir fällt die Kategorisierung “rechts” mittlerweile schwer, da heute alles “rääääächts” ist, was nicht gendergaga, klimagaga und migrationsgaga ist. Mir ist in 45 Jahren kein einziger Mensch begegnet, der sich den Nationalsozialismus zurückwünscht oder der aktiv dafür kämpft. Ich halte das- ganz im Gegensatz zu einem stärker werdenden, gewalttätigem Linksextremismus - für eine absolute Randerscheinung. Völlig unbedeutend.

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