Chaplins „Limelight“ zum 70.

1952, also vor 70 Jahren, kam Charlie Chaplins Melodram „Limelight“ ins Kino. Der Film ist in vielerlei Hinsicht ein Meisterwerk. Es brachte selbst Machos wie den Regisseur Bernardo Bertolucci zum Weinen. Kein Zuschauer muss sich für seine Tränen schämen. Chaplin hätte sie geschätzt.

Wenn der am Filmende nach einem Bühnenunfall soeben in den Kulissen verstorbene Clown Calvero mit einem weißen Leinentuch bedeckt wird, hat die Kinoleinwand das Varieté in der Rangfolge der Unterhaltungsmedien abgelöst. Wie dieses zuvor den Zirkus, dessen gemaltes Bild am Filmanfang hinter dem erfolgsverwöhnten, aber beim Publikum nicht mehr gefragten Bühnenclown Calvero zu sehen ist. Niemand lacht mehr über seine Späße. Das Publikum gähnt. Calvero ist out. Und ersäuft seinen Kummer darüber im Schnaps.

Als er betrunken heimkehrt, rettet er die junge Tänzerin Thereza, die glaubt, nie mehr tanzen zu können, vorm Selbstmord. Mit seiner Lebensklugheit, Fürsorge und Empathie baut er sie peu à peu wieder auf. Als die Ballerina ihre großen Bühnenerfolge feiert, sorgt sie für Calveros Comeback. Doch sein erster Auftritt wird zu seinem letzten. Sein Abgang in den Orchestergraben ist tödlich. Noch einmal hatte er rasenden Applaus für seinen Auftritt erlebt. Thereza ist eine junge Bühnenkünstlerin am Anfang ihrer Karriere, Calvero dagegen ein alter Bühnenhase am Ende seiner Berufslaufbahn.

Clown und Ballerina

Junge Frau und alter Mann, das ist ein Klassiker der Commedia dell’arte, dem italienischen Stegreiftheater mit seinen Pantalones, Harlekins, Bajazzos, Colombinas und so weiter. In der Figurenkonstellation Calvero/Thereza verbinden sich Elemente all dieser Bühnentypen. Calvero tritt nicht zuletzt ab, um der Verbindung Therezas mit dem jungen Komponisten Neville Platz zu machen. Auch das ist bühnengerecht.

Clown und Ballerina oder auch Kunstreiterin sind eine stehende Verbindung, die Chaplin schon in einem anderen seiner Meisterwerke auf Zelluloid gebannt hatte. Im Stummfilm „The Circus“ von 1928 konkurriert der Trampclown Charlie vergeblich mit dem jungen Seilkünstler Rex um die Gunst der jungen Kunstreiterin. Chaplin hat solche Konstellationen nicht erfunden, aber seinen Geschichten anverwandelt. Wie die Tradition der darstellenden Künste das immer getan hat. Man denke nur an Igor Strawinskys Ballett „Petruschka“ von 1911 oder den Film „Kinder des Olymp“ von 1945.

Chaplin schöpfte aus dem riesigen Arsenal der englischen und französischen Pantomimentradition, die er zugleich zum Sujet machte, modifizierte und in ein neues Medium transponierte. So setzte er eine Tradition fort, indem er mit ihr brach.
Chaplin erzählt in seinen Filmen beiläufig und unaufdringlich immer auch Kunst- und Mediengeschichte. Und inspiriert – ob bewusst oder unbewusst, ist völlig egal – damit andere Künstler. Sei es Federico Fellinis Fernsehdokumentation „Die Clowns“ von 1970, seien es die Kinks mit ihrem Song „Death of a Clown“ von 1967. Das ist das Leben der Kunst.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Sylke Kirschnicks Blog.

Foto: ModernTimes Press Foto via Wikimedia

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Leserpost

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Ludwig Luhmann / 30.10.2022

@Tamas Szabó / 30.10.2022 - “@ Ludwig Luhmann Im 20 Jahrhundert war beinahe jeder bedeutender Intellektueller ein Kommunist. Das spricht nicht für den Wahrheitsgehalt des Kommunismus, sondern für seine Verführungskraft. Dieselbe Kraft wirkt noch heute. Doch heute haben wie die geistigen Mittel und die historische Erfahrung den Übel der linken Ideologien zu durchschauen. Im 3 und im 4 Jahrhundert gab es noch keine geistigen Waffen gegen die totalitäre & verführerische Botschaft des 1 Führer-Gottes-Glaubens des Christentums. So konnte dieser eklige Todeskult die geistige Vielfalt & Freiheit des Römischen Reiches und damit seine intellektuellen Fundamente vernichten. Des Christentums fehlgeborener Sohn der Islam verpestet durch den Penisgestank seines Propheten den ganzen Planeten. Doch wir verfügen heute über alle geistigen Waffen die wir benötigen. Wir müssen sie nur mutig anwenden!”—- Sapere aude, Herr Szabó, und 1776! ... leider, leider haben unsere Todfeinde das Macht- und Gewaltmonopol ... es sieht nicht gut aus für uns Massenversuchsuntermenschen. - In den USA sind die Amish und die Mennoniten seit Biden massiv unter Beschuss ...

Jürgen Hofmann / 30.10.2022

Nichts für ungut, das Photo ist aus Modern Times und nicht Limelight.

Arne Ausländer / 30.10.2022

Chaplin war wohl doch wohl eher unpolitisch, was ja nichts mit Gleichgültigkeit gegenüber den sichtbaren Problemen zu tun hat. So hat er zu seinem wohl politischsten Film, “Der große Diktator” später gesagt, wenn ihm die wirklichen Verhältnisse bewußt gewesen wäre, daß alles also noch so viel schlimmer war, als er gedacht hatte, dann hätte er diesen emotionalen Film so gar nicht machen können. Der übergroße Ernst der Lage hätte ihn geradezu erschlagen, ihn gelähmt. Er war eben vor allem ein einfühlsamer Künster, dem seine Grenzen sehr bewußt waren. (So jedenfalls habe ich in Erinnerung, was ich vor Jahren darüber gelesen hatte.) - Wenn man allzu schlicht und oberflächlich Menschen als Kommunisten o.dgl. abstempelt und verwirft, bekämpft man den Kommunismus mit ziemlich kommunistischen Methoden. Und wird am Ende wohl ziemlich Ähnliches als Resultat vorfinden.

Silvia Orlandi / 30.10.2022

Unvergessen: „ Der große Diktator“, Goldene Zeiten,“ the Tramp…. Chaplin wurde wie so viele Künstler in der Mc.Carthy Ära linker Gesinnung angeklagt, diffamiert, schikaniert….Er verblieb in GB, lebte dann in der Schweiz wo er auch verstarb.

Tamas Szabó / 30.10.2022

@ Ludwig Luhmann Im 20 Jahrhundert war beinahe jeder bedeutender Intellektueller ein Kommunist. Das spricht nicht für den Wahrheitsgehalt des Kommunismus, sondern für seine Verführungskraft. Dieselbe Kraft wirkt noch heute. Doch heute haben wie die geistigen Mittel und die historische Erfahrung den Übel der linken Ideologien zu durchschauen. Im 3 und im 4 Jahrhundert gab es noch keine geistigen Waffen gegen die totalitäre & verführerische Botschaft des 1 Führer-Gottes-Glaubens des Christentums. So konnte dieser eklige Todeskult die geistige Vielfalt & Freiheit des Römischen Reiches und damit seine intellektuellen Fundamente vernichten. Des Christentums fehlgeborener Sohn der Islam verpestet durch den Penisgestank seines Propheten den ganzen Planeten. Doch wir verfügen heute über alle geistigen Waffen die wir benötigen. Wir müssen sie nur mutig anwenden!

Ludwig Luhmann / 30.10.2022

Chaplin war dem Kommunismus zugeneigt, Bertolucci war ein waschechter Kommunist und schwull obendrauf. Er mochte Knaben, die er wie bei einer Viehbeschau begutachtete. Mir fällt sofort noch die cineastische Steigerung durch Pasolinis Salò ein. Der war extrem schwul und auch Kommunist. Fellini soll ein Gegner des Kommunismus gewesen sein, aber links stand auch er. Prévert war auch ein Linker:“Il serait pour moi facile d’adhérer au Parti communiste mais je crois que cela n’aurait aucun sens.  » Il n’a jamais pris la carte d’un parti mais il est toujours resté clair sur son positionnement  : «  J’aime mieux la gauche, c’est la main de l’ouvrier, c’est celle qui peut le plus, même s’il n’est pas gaucher. »——-> Mich kotzt diese rotbraune Suppe an. Selbst wenn man nicht drauf achtet, fällt einem früher oder später auf, dass diese Leute politikfreie Unterhaltung hassen. Diese meist künstlich erzeugten Probleme dieser Politkünstler, sollen uns das Leben miesmachen. Sie verlangen regelrecht, dass wir die Welt so konstruieren und nachvollziehen, wie sie es zwanghaft tun. Sie verengen oft geschickt die Perspektiven. Und schmierig kitschig sind sie oft auch noch. Frei ist keiner von denen. Ich habe keine Geduld mehr mit denen und ihren sogenannten “Kunstwerken” ... “ART” oder “ARTE” ... wenn ich das schon höre oder lese ....

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