Felix Perrefort / 05.05.2019 / 14:00 / 16 / Seite ausdrucken

Chaim Noll nein, Hisbollah ja

Die Friedrich-Ebert-Stiftung, die kürzlich den deutsch-israelischen Schriftsteller Chaim Noll ausgeladen hat, reagiert nun in einer Pressemitteilung auf die Kritik an ihrem Vorgehen. Darin macht sie unter anderem die Jerusalem Post verantwortlich für die entstandene Debatte: „Mit Bedauern nehmen wir zur Kenntnis, dass ausgelöst durch einen Artikel in der Jerusalem Post insbesondere in den sozialen Medien eine teilweise unsachliche Debatte um unsere Haltung zu dem israelisch-deutschen Autoren Chaim Noll entstanden ist.“ Man inszeniert sich also als Opfer statt auf die Kritik am eigenen beschränkt-denunziatorischen Verhalten einzugehen, das der wirkliche Auslöser der Affäre war.

Kurz nachdem Matthias Eisel, Leiter des FES-Landesbüro Sachsen, Chaim Noll in patriotischer Manier vorgeworfen hatte, er verachte die deutsche Politik insgesamt – wofür es angsichts des Iran-Appeasements und des antiisraelischen Abstimmungsverhalten in der UN gute Gründe gäbe –, bringt er nun den Schriftsteller und mit ihm Achgut.com in die Nähe des Rechtspopulismus. Eine derart unbedarfte Argumentation kann nur verfangen, wo „Rechtspopulismus“ als konturierter Begriff nicht vorhanden ist, sondern nur als Floskel dient, unliebsame Positionen und Akteure zu diskreditieren. Schließlich ahnt man, dass man dem argumentativen Streit nicht gewachsen wäre, das naive Weltbild sozialdemokratischer Aufarbeitungsweltmeister gegen einen wie Noll nicht zu halten ist.

Dabei besitzen die Sozialdemokraten auch noch die Chuzpe, sich als Stiftung aufzuspielen (derweil sie keine sind, sondern ein ganz normaler Verein), die den „pluralistischen und offenen Charakter der israelischen Gesellschaft“ stärke, nachdem sie sich doch im selben Moment als alles andere denn pluralistisch und offen für eine demokratische Debatte offenbart haben – ein performativer Widerspruch sondergleichen.

Mit solch einem überheblichen, dozierenden und sich selbst verkennenden Selbstverständnis, das charakteristisch für die deutsche Israelhaltung insgesamt ist, weist die FES den Vorwurf anti-israelischer Aktivitäten weit von sich: „Unsere Haltung zu Israel ist geprägt von Solidarität“ wird da ins Feld geführt, womit verschämt schon eingestanden wird, dass man wirklich solidarisch eben nicht ist.

Im Dialog mit wüsten Antisemiten

Wäre man es, würde man Chaim Nolls klare proisraelische und nicht nur israelsolidarisch geprägte Haltung nicht als diskussionsunwürdig denunzieren, sondern befürworten. Doch das ist Deutschen, die proisraelische Juden ausladen, während sie den „kritischen Dialog“ mit eliminatorischen Antisemiten kultivieren, nicht begreiflich zu machen: „Ebert-Stiftung verteidigt Einladung an Hisbollah“ titelte der Tagesspiegel 2004, in dem man unter Anderem lesen konnte:

„Die FES erklärte, Ziel der Konferenz sei es gewesen, ‚die Dialogfähigkeit des politischen Islams auszuloten‘. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte der FES vorgehalten, sie habe mit Geld und ihrem Ansehen eine Konferenz in Beirut unterstützt, bei der ‚Sprecher der Terrororganisationen Hisbollah und Hamas‘ aufgetreten seien. (...) In einer FES-Pressemitteilung, die das Wiesenthal-Zentrum nicht namentlich erwähnt, heißt es, Wandel durch Annäherung bringe nur kritischer Dialog, der ‚Vertreter von Positionen, die unserer politischen Haltung grundlegend widersprechen’, einschließen müsse.“

Manchmal verschlägt es einem schlichtweg die Sprache, oder, um es mit Chaim Noll selbst zu sagen: „Es ist eine Heuchelei, die sprachlos macht.“

Wer sie wiedergefunden hat, der könnte folgende Fragen stellen: Hält die FES die Hisbollah und Hamas allen Ernstes für satisfaktionsfähiger als Chaim Noll? Und wenn nein: Wie rechtfertigt sie die damalige Teilnahme an einer Konferenz, an der Sprecher der Hisbollah und Hamas aufgetreten sind, während sie Chaim Noll nicht einmal zu Wort kommen lassen will?

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Gerhard Schuster / 05.05.2019

Seit 2013 ist der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz (von 1994 bis 2013), Kurt Beck (SPD), Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung. Anfang April 2007 meldete u.a. die FAZ: ““Beck will mit Taliban konferieren : „Kein Dissens in der Regierung über Afghanistan“”.  Irgendwie scheint das in Vergessenheit geraten zu sein.

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