Gunter Weißgerber / 10.01.2020 / 13:00 / Foto: Olaf Kosinsky / 64 / Seite ausdrucken

CDU-Grubenfahrt mit links: Mohrings historische Mission

Dieter Althaus will es. Joachim Gauck will es. Mike Mohring, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion in Thüringen, soll es tun: Die CDU-Thüringen möge sich doch bitte aus Gründen einer hellen Front von Linksaußen über SPD bis zu den Grünen an einer „Projektregierung“ beteiligen. Was der SED bis 1989 für die DDR-Bevölkerung die Chimäre der „Nationalen Front“ war, soll den Thüringern 2020 eine Koalition von Linksaußen und CDU in der euphemistischen Verkleidung „Projektregierung“ sein, das klingt so schön technisch-harmlos. Focus zitiert am 9. Januar 2020 den Thüringer CDU-Generalsekretär Raymond Walk: „Das schließt die Übernahme von Verantwortung im Kabinett mit ein. Die CDU würde also im Fall der Fälle Ministerposten beanspruchen.“ Das ist nüchtern betrachtet der Vorschlag einer Koalitionsregierung. Alles andere kann man nur Leuten erzählen, die die Hose nicht mit der Kneifzange anziehen.

Mike Mohring lässt das listig seinen Generalskretär sagen. Raymond Walk hatte das Glück, im freien Westen aufzuwachsen. Er wuchs dort mit einer selbstbewussten und bedeutenden CDU auf. Was eine „Blockpartei“ war, das wurde ihm irgendwie nach 1990 wie etwas Fernes erzählt. Die Scham „Blockparteimitglied“ gewesen zu sein, der jahrzehntelange Krampf, seit 1989 dieses Image loszuwerden, das alles mag er vom Hörensagen kennen und vielleicht nachempfinden wollen. Das „Nie wieder sowas!“ zu leben, das scheint seine Sache nicht zu sein. 

Die Montagsdemonstrationen liefen im Herbst 1989 schon länger, Hunderttausende waren inzwischen auf den Straßen und erstritten die Freiheit. Dann betraten auch die Helden der gebückten Haltung, die Blockparteien, den öffentlichen Raum. Jeder wusste damals, welche Art „Held“ die meisten in diesen Parteien waren, dennoch waren viele Demonstranten über diese zahlenmäßige Verstärkung froh. Es ging schließlich um Millionen, die die DDR zum Einbruch bringen sollten. Deshalb gab es keine Vorwürfe, deshalb wählten am 18. März sogar sehr viele Ostdeutsche diese Heldengattung mit Mehrheit in die Volkskammer. Die Einheit sollte schnell kommen, niemand wusste, ob und wann in Moskau erneut das Totenglöckchen für die Freiheit wie 1953, 1968 und 1981 klingeln würde. Darum wurden den ostdeutschen Namensvettern der West-CDU sozusagen als unverdienter Vertrauensvorschuss die Stimme gegeben. 

Seit’ an Seit’ mit den SED-Erben

Die ehemaligen Blockparteien emanzipierten sich seitdem von ihrer Zwangsvereinigungsgeschichte in der „Nationalen Front“. Sogar noch nach 2014 ließ die Thüringer CDU ihre peinliche Geschichte in einer Kommission aufarbeiten. 
Schade um die Mühe, schade um das Geld, schade um das mühsam erworbene Vertrauen. Mike Mohring, Raymond Walk und Genossen nehmen Fahrt auf. Seit’ an Seit’ mit den SED-Erben sollen Gegenwart und Zukunft gerettet werden. 

Mensch Walter (Ulbricht)! Wer hätte das gedacht? 1948 klappte die „Nationale Front“ nur mit Hilfe der Bajonette der sowjetischen Besatzungsmacht, 2020 läuft das ohne Mauer, Stacheldraht, Schießbefehl, wie von allein am Schnürchen. Hoch leben die Klassiker! Die „Historische Mission der Arbeiterklasse“ findet ihre alten Verbündeten wieder. Unsere Staatsbürgerkundelehrer, so sie noch unter uns weilen, dürfen jubeln.

Die CDU Thüringen ist feige. Jetzt ist der Zeitpunkt, Standvermögen und Selbstbewusstsein zu zeigen. Die CDU hat nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Niemand weiß, mit welchen Stimmen Ramelow im Februar zum Minderheits-Ministerpräsidenten gewählt werden wird. Es gibt bekanntlich nicht nur Linksaußenabgeordnete, SPD- und Grünen-MdLs, wacklige Christdemokraten und eventuelle wahlwillige Freidemokraten im Thüringer Landtag. Es gibt auch noch die Sozialisten von ganz Links bis ganz Rechts, die Verstaatlicher und Amerikahasser. Ob Bodo Ramelow aus dieser Menge auch AfD-Stimmen bekommen wird? Na klar doch. Die Wahl ist schließlich geheim.

Die CDU Thüringen sollte selbstbewusst in die Abstimmung über den Minderheits-MP gehen! Mohring will nicht? Na und! Gibt es keine weiteren Christdemokraten für diese Wahl? Einmal „Blockpartei“, immer „Blockpartei“? Was kann ein Minderheits-Ministerpräsident Ramelow besser für Thüringen tun als ein MP mit CDU-Parteibuch? Nichts, überhaupt nichts.

Die Folgen werden für Deutschland verheerend sein

Ein MP Ramelow muss für alle Vorhaben um Stimmen im Landtag werben, ein CDU-MP müsste dies auch tun. Ohne große Zugeständnisse ist das alles für beide nicht zu haben. In den Politikfeldern Sicherheit und Zuwanderung ist sogar eher damit zu rechnen, dass eine Minderheitsregierung Ramelow überhaupt nichts mehr gebacken bekommt. Die diesbezüglichen tatsächlichen Mehrheiten liegen jenseits von rotrotgrün.

Geht die Mohring-CDU auf Ramelow ein, verspielt sie nicht nur ihren Status als ernstzunehmende Alternative, sondern begibt sich freiwillig in die Zwangsmitgliedschaft mit Linksaußen, SPD und Grünen. Anders gedacht: Von der Thüringer CDU könnte ein erholsamer Schub für die gesamte CDU ausgehen. Abnabeln von Merkel, kein Annabeln bei Ramelow und stattdessen im Landtag Punkt für Punkt CDU-Politik ohne Absprachen anbieten und auf sachbezogene Mehrheiten setzen. Ein, zwei Jahre muss das probiert werden. Dann sollte die Wählerschaft erneut entscheiden. 

So wie es im Moment aussieht, will sich die CDU Thüringen von Linksaußen genauso schlucken lassen, wie die SPD Thüringen es vor ihr zielstrebig mit sich machen ließ. Die Folgen werden für Deutschland verheerend sein. Schade, dass Joachim Gauck dabei auch noch Pate sein will.

Die Bundes-CDU geht gerade den Weg der SPD in die Bedeutungslosigkeit. Der gezielte Abbruch des Wirtschafts-, Energie- und Automobilstandortes Deutschland rächt sich: Wer die Axt an den eigenen Standort legt, muss sich woanders wählen lassen. Oder vom Klima. 

Die CDU Thüringen könnte die Grubenfahrt aufhalten…

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elke popken / 10.01.2020

Was für ein korrupter, machtbesessener kluengel! Da wurde der Mike erst kuerzlich mit dem sign award preis für besondere tapferkeit im umgang mit seiner erkrankung,Trotz seiner "schweren politischen Missionsarbeit" ausgezeichnet und nun das!Kein Rückgrat, kein anstand, keine Prinzipien! Ein hohler, liebenswerter Schwätzer. Die Haare sind nachgewachsen, beim verstand bin ich mir da nicht so sicher.Wenn man uns diese cdu-csu vor zwanzig Jahren vor Augen geführt hätte, niemand hätte das für bare Münze genommen und mit Einweisung gedroht.

Marc Blenk / 10.01.2020

Lieber Herr Weißgerber, entweder es handelt es sich um Geschichtsvergessenheit oder um Geschichtsbewußtsein von Leuten, die nie mit der Demokratie warm geworden sind. Gleichermaßen, ob die Beteiligten im Osten oder im Westen sozialisiert wurden. Nun steht zweierlei auf dem Spiel: Die Zukunft der gesamten CDU als eine der Garanten deutscher Demokratie und die demokratische Zukunft Deutschlands. Ich kann wirklich jeden Satz ihres Artikels unterschreiben. Nur Merkel hätte ich ausnahmsweise in diesem Zusammenhang nicht erwähnt (Chance ihrer Überwindung). Weil hier geht es tatsächlich um das demokratische Prinzip, nicht mehr um Taktik. Auch nicht auf der eigenen Seite. Die CDU muss sich entscheiden. Will sie die Nationale Front oder steht sie noch auf dem Boden der Demokratie. Meint sie denn wirklich, sie könnte bundesweit die Rolle der SED übernehmen und die anderen blieben in dem Spiel auf Dauer Blockflöte? Weil das wäre ja das Merkelmodell der Zukunft, (egal ob das mal in Thüringen andersherum wäre), in dem die CDU immer den Kanzler stellte. Die CDU ist dabei, das politische Modell der BRD in ihren Grundzügen gegen das der DDR einzutauschen. Nicht mehr und nicht weniger. Leute wie Günther sind dabei schon länger im Westen Vorarbeiter. Möglicherweise ein Merkelscher Versuchsballon. Das schlimmste ist, dass man kaum Widerspruch innerhalb der Partei vernimmt. Die CDU steht am Scheideweg wie noch nie in der Geschichte seit ihrer Gründung.

Stefan Riedel / 10.01.2020

Das ist die Merkel-CDU des Jahres 2020. Politik ausschließlich als Machterhalt und der Staat als Selbstbedienungsladen. Gibt es denn in der CDU niemandenmehr, der auch nur noch ein Fünkchen politische Selbstachtung besitzt? Naja, es war mit Ansage( gemeisames Abservieren von Hubertus Knabe, gemeinsames Spiegelinterview Daniel Günther und Bodo Ramelow, ...). Angela Merkel, die Totengräberin der SPD und der CDU ( und der Demokratie und des Rechtsstaates in D ?).

Carsten Bertram / 10.01.2020

Scheinbar muß es erst noch schlimmer werden, bevor es wieder besser werden kann. Wenn es denn jemals noch besser wird !Auf jeden Fall schade um die vielen verlorenen Jahre.

Steffen Huebner / 10.01.2020

Wenn die CDU in Salzgitter, unter dem Jubel von CDU- OB Striese und CDU- Geschäftführer VKU Bringmann, mit ihren knallegelben Fahnen gemeinsam mit der Antifa gegen den dortigen Neujahrsempfang der AfD demonstriert und sich auch an Durchbruchversuchen der Polizeikette mit beteiligt, dann ist an der Marschrichtung der CDU nicht mehr zu zweifeln - die wird mit Sicherheit nie mehr konservativ. Wer konservativ ist, hat diese Partei längst schon verlassen.

Eleonore Weider / 10.01.2020

Hans Georg Maaßen hatte die Thüringer CDU dazu aufgefordert, einen eigenen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten aufzustellen. Maaßen schloss auch nicht aus, dass ein solcher Kandidat mit den Stimmen der AfD gewählt werden könnte. „Da sollte die CDU Manns oder Frau genug sein, zu sagen: Egal, wer diesen Kandidaten wählt, Hauptsache, es gibt eine Mehrheit“, sagte er. In Thüringen wurde ja mehrheitlich konservativ gewählt und von daher ist der Vorschlag des Herrn Maaßens gar nicht so verkehrt.

Detlef Dechant / 10.01.2020

Was habe ich seinerzeit Herr Gauck bei meinen liberalen Partei- und Rostocker Freunden verteidigt, als zur Abstimmung stand, ihn zum Ehrenbürger zu ernennen. Dass er durchkommt, war damals nämlich keinesfalls sicher, zu groß waren Vorbehalte. Seine Vergünstigungen zur Zeit der DDR waren ihnen verdächtig. Da half es auch nichts, darauf hinzuweisen, dass sicher nach seiner Arbeit in der "Gauck-Behörde", wo er auch viel dazu beitrug, die Rolle Stolpes und der evangelischen Kirche aufzuarbeiten, spätestens aber, als er zur Wahl zum Bundespräsidenten anstand, Stimmen laut geworden wären, die eine Kollaboration mit dem System bestätigen würden. Auch der Hinweis, dass viele Zuwendungen an Ostpfarrer aus dem Westen, unter Duldung des Regimes, dazu dienten, diese anzuhalten, in der DDR zu verbleiben statt auszureisen (letzteres hätte die DDR mit Kusshand genehmigt), änderte an deren Meinung nichts. Gut, die Ehrenbürgerschaft hat er dann doch bekommen. Ob einige aus dem damaligen Stadtrat ihr Abstimmungsverhalten heute bereuen, angesichts dieser jetzigen Gauck´schen Initiative? Ist es nicht gerade das, was die AfD im Osten so groß macht, nämlich die problemlose Integration der damaligen Täter in die parlamentarische Demokratie der heutigen Bundesrepublik?

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