Jesko Matthes / 04.12.2018 / 11:00 / Foto: Fabian Nicolay / 12 / Seite ausdrucken

CDU: Endlich ist der Kandidaten-Schaulauf vorbei

Als ob es auf die Namen ankäme, die Gesichter, so tingelten die drei Kandidaten um den CDU-Vorsitz durch die Lande und präsentierten sich vor Mitgliedern, die sie gar nicht wählen können. Denn das tun demnächst "Delegierte". Es ist also in etwa so wie bei einer Bundestagswahl. Alles glotzt auf die Kanzlerkandidaten, vor allem, wenn das fantastische TV-Duell ansteht. Gewählt wird der Kanzler aber vom Parlament.

Dieser seltsam bedeutungslose Showdown hatte seine eigenen Regeln. Werfen wir zuerst ein kurzes Streiflicht auf die drei Kandidaten. Da ist Friedrich Merz, der Konservative, der tönt, er wolle die CDU zu alter Stärke zurückführen, über vierzig Prozent, und die AfD halbieren. Damit kommt er nach gut zehn Jahren eigener Politikpause ungefähr so glaubwürdig um die Ecke wie weiland Hui-Buh, das Schlossgespenst auf meinen Kinderschallplatten. Da ist nämlich auch noch "AKK", die stilistische Wiedergängerin Angela Merkels, die genau die Sache mit den vierzig Prozent bereits geschafft hat – bei unter einem Achtzigstel der Deutschen, denn das Saarland hat nur eine knappe Million Einwohner.

Allerdings können auch solche Kleinigkeiten eine Bedeutung erlangen, beendete Kramp-Karrenbauers Wahlsieg doch den "Martin-Schulz-Effekt", das kurze erotische Strohfeuerverhältnis der Demoskopen zur SPD und der SPD zu ihrem Vorsitzenden. Und dann hätten wir noch Jens Spahn, der irgendwo zwischen neoliberal und dirigistisch durch die Landschaft irrlichtert, was er vor allem der Tatsache zu verdanken hat, dass der bekennende Merkel-Kritiker sich von Merkel ausgerechnet den schon seit Horst Seehofers Zeiten stets verlorenen Posten des Gesundheitsministers hat andrehen lassen. Der Mann läuft in seiner eigenen Partei nicht derart außer Konkurrenz wie Horst Seehofer in der Schwesterpartei, der weit und breit einzige politische Überlebende eines Gesundheitsministerpostens. In der Gesundheitspolitik, für die Spahn zuständig ist, lässt sich – auch wenn man nur für den Posten des Schatzmeisters einer Trachtenkapelle kandidiert – seit Seehofers Zeiten kein Blumentopf gewinnen, denn hinter dem Terrain der Minimalkompromisse, dem Niemandsland zwischen Kopfpauschale und Bürgerversicherung, lauert der Sumpf der prinzipiellen Reformunfähigkeit, des Ärztemangels und der allmählich eintretenden Pflegekatastrophe. Dass Seehofer diesen Posten glücklich los wurde, während Spahn ihn sich glücklich überhelfen ließ, spricht nicht für Spahns strategische Qualitäten.

Ist die CDU regierungs- und oppositionsunfähig?

Aus meiner Sicht haben wir es also mit drei mehr oder weniger dubiosen Kandidaten in einem ziemlich dubiosen Verfahren zu tun. Um die CDU selbst ist mir dennoch nicht bange – vorläufig. Jeder der drei Kandidaten wüsste, was zu tun ist, denn auch ein ausgestopfter Postsack auf dem Posten des Vorsitzenden täte es: Ein wenig konservatives Denken antäuschen und ansonsten mit dem Gedankengut der SPD, der Grünen und nötigenfalls der Linkspartei hausieren gehen, mit Unterstützung des Zwangsfernsehens. Das sichert derzeit im Schnitt noch etwa fünfundzwanzig bis dreißig Prozent Stimmanteil, außer vielleicht im Wilden Osten, aber auf Bundesebene dürfte es klappen mit der "stärksten Kraft". Vorsorglich hat soeben auch die FDP für den Migrationspakt gestimmt, man will ja bei der Machtverteilung nicht völlig außen vor bleiben, und die CDU hat ja auch noch einen Wirtschaftsflügel. Wenn schon die CEBIT zusammenbricht, könnte sich die CDU, neben allen linksgrünen Weltrettungsambitionen, tatsächlich hier und dort auf ein paar wirtschaftsfreundliche, liberale Inhalte besinnen.

Politik ist die Kunst des Möglichen. Damit ist umrissen, worin die CDU sich üben muss, egal, wer ihr vorsitzt. Erstens: Den Posten der stimmstärksten Kraft halten, und sei es auch nur um zwei oder drei Prozent. Zweitens: Genügend Spaltung und Unfrieden im restlichen Teil des linken Lagers aufrechterhalten, damit es dort zu keiner Einigung an der CDU vorbei kommt – am besten dadurch, sich selbst unauffällig als den irgendwie konservativen Teil des linken Lagers zu präsentieren. Auch da könnte das Zwangsfernsehen dort weitermachen, wo es heute schon steht, kritiklos. Drittens: Mit nunmehr allen linken Parteien koalitionsfähig werden, zuzüglich der FDP, denn die hat ja traditionell auch einen linksliberalen Flügel, für den Notfall. Viertens: Rechts ist bäh! Kritik am linksgrün-neoliberalen Einheitskurs ist rechts, bäh, und daher unerwünscht!

Das ist es, worum ich die CDU nicht beneide. Sie ist regierungs- und oppositionsunfähig geworden, gegenstandslos, denn sie steht für nichts und gegen nichts. Wer ihr präsidiert, ist völlig egal, und die Wahl der CDU zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz – zum "Dritten Mann" siehe oben – von ähnlicher Abwechslung gekennzeichnet wie ein verzweifeltes Hin-Und-Her-Zappen zwischen Caren Miosga und Claus Kleber.

Foto: Fabian Nicolay

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Michael Stoll / 04.12.2018

Die heutige CDU ist der “unauffällige, irgendwie konservative Teil des linken Lagers”. So sehe ich das auch. Meine Großeltern haben den Krieg und die anschließende Vertreibung überlebt, sie haben den Sozialismus ertragen und waren so froh, daß sie nach der Wiedervereinigung ihren Lebensabend in einem freien Land verleben durften. Sie waren überzeugte CDU-Wähler. Sie würden sich im Grab umdrehen, wenn sie wüssten, was aus dieser Truppe geworden ist.

Veronika Geiger / 04.12.2018

@Herr Dechant, stimmt, bei der Abstimmung zum UN Migrationspakt waren auch viele Enthaltungen dabei. Ich fand das noch mehr enttäuschend als die Stimmen dafür. In so einem Fall gibt es keine Enthaltungen. Entweder man ist dafür oder dagegen. So sieht es wiederum aus, dass man sich vorsichtshalber nach beiden Seiten orientieren möchte und die klare Aussage scheut. Was sind das nur für Politiker! Wenn das größtenteils die Stimmen aus der FDP waren, dann hörte sich das bei der von der AfD angestoßenen Bundestagsdebatte so ganz anders an. Sämtliche FDP Politiker haben in dieser Debatte ihre Zustimmung zum Pakt geäußert. Auch Herr Lindner befürwörtet diesen Pakt.  Ich war sehr enttäuscht, dass weder von der FDP noch der CSU Widerstand kam. Lag es daran, weil der Antrag zur Nichtunterzeichnung von der AfD kam? Dann ist es zurecht ein “Kindergarten” und nichts weiter.

Marc Hofmann / 04.12.2018

Bitte bei Friedrich Merz das “Konservative” in Anführungsstriche setzen…der Merz in durch und durch zu einen Globalisten geworden…oder um es anders auszudrücken…der Merz hat das konservative HGB (Deutsche Bodenständigkeit/Vorsichtsprinzip) dem Globalen IFRS (weltweites Spekulationshandbuch/Risikoprinzip) geopfert. Und genauso schaut es heute in der Welt aus….das Risiko (IFRS) ist zur Schuldenfalle geworden…das HBG wurde als Altbacken in die “rechte Ecke” verbannt. Das Moderne der grünen Kanzlerin spiegelt sich im Chaos des “konservativen” Globalisten Merz wieder. Mit Deutscher Ordnung und Rechts-Vertragstreue hat dieser Globalisten Vereinsmanager Merz und die gesamte CDU/CSU nichts mehr…aber auch überhaupt nichts mehr gemein.

Rene Brunsch / 04.12.2018

Der Merkelsturz in der CDU dient doch lediglich dazu, einen Sündenbock zu finden, dem man sowohl die erodierende innere Sicherheit (die nicht mehr ansatzweise unter der Decke gehalten werden kann) als auch die explodierenden Kosten der Asylindustrie (deren Oberabsahner selbst nicht an das Märchen der Integrierbarkeit von Millionen aggressiver Analphabeten glauben, die überwiegend aus einem “Kultur"kreis kommen, der unser Wertesystem und unser Grundgesetz zutiefst ablehnt) anlasten kann. Als glaubhafter Kritiker der Merkelpolitik (und das werden bald alle CDUler sein wollen, so wie wir 1945 nur Antifaschisten in Deutschland hatten und Ende 1989 in der DDR nur 17 Mio Honecker-Kritiker gelebt haben…) hat sich niemand der 3 Kandidaten hervorgetan. Keiner hat sich durch Mut zur eigenen Meinung oder gar Rückgrat ausgezeichnet. Allerdings gilt den Medien schon ein Quentchen weniger geheuchelter Loyalität zur selbstherrlichen und abgehobenen Kanzlerin als Inkarnation der Distanz zur Führerin. Jedoch wäre eine Staffelstabübergabe besonders kurios: Ein Machtwechsel von Merkel zu AKK hätte einen überraschend hohen Übereinstimmungsgrad mit der einstigen Machtübergabe von Honecker an dessen Ziehsohn Krenz. (Selbst ein saarländisches “Politikgewächs” kommt in beiden Szenarien vor.) Wie das Ganze damals ausging ist bekannt. Auch heute ist wieder “Wendehalszeit”. Allerdings: Die Probleme bleiben!

Justus Werner / 04.12.2018

Die FDP hat nicht FÜR den Migrationspakt gestimmt. Alle FDP-Abgeordneten haben sich enthalten, ebenso wie die der Grünen. Dass sich jemand in so einer wichtigen Frage enthält, während er öffentlich dafür Werbung trommelt wie KGE und Konsorten, die gar nicht genug “Geschenke” einsammeln können, zeugt von ziemlicher Charakterlosigkeit. Wenn der Schuss nach hinten losgeht, ist man es eben nicht gewesen ... . In so einer existentiellen Frage kann man eigentlich nur dafür oder dagegen sein. Keine Meinung dazu zu haben, kaufe ich den Abgeordneten nicht ab und strategisch abzustimmen ist hier völlig unangebracht. Wer braucht solche rückgratlosen Politikdarsteller, die sich in entscheidenden Fragen wegducken und keine Verantwortung übernehmen!

Dietrich Herrmann / 04.12.2018

Gut, dass der CDU-Wanderzirkus vorbei ist. Trotzdem würde mich sehr interessieren, wie die Veranstaltung in Sachsen gelaufen ist. Bis jetzt hat man kein Wort darüber gehört bzw. gelesen geschweige denn gesehen. Vielleicht kann die Achse mal noch was veröffentlichen?

Werner Arning / 04.12.2018

Die einzigen Parteien, die heute noch klar für irgendetwas stehen, sind die Grünen, die AFD und die Linke. Bei ihnen weiß man jedenfalls, wen und was man wählt. Der Rest ist konturlos, passt sich an die Anderen an und ist völlig austauschbar, beliebig. Und wem haben wir das zu verdanken? Ihr Vorname beginnt möglicherweise mit A.

Helge-Rainer Decke / 04.12.2018

Sehr geehrter Herr Jesko Matthes, bitte berichten Sie sachlich, das bedeutet, korrekt zu recherchieren. Auf dem CDU Parteitag in Hamburg wird ein neuer Parteivorsitzender/Vorsitzende gewählt. Dieser CDU Parteitag setzt sich, wie alle vorangegangenen Parteitage, aus den Delegierten der CDU-Landesverbänden zusammen. Wenn also die Kandidaten/Kandidatin vor diesen Landesverbänden sprechen, dann sprechen sie auch zu den potenziellen Delegierten, die die Person zum Parteivorsitz wählen. So funktioniert das demokratische Procedere, das Sie als Tingeln abtun.

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