Ralf Schuler / 28.01.2021 / 08:34 / Foto: Wilhelm Trübner / 80 / Seite ausdrucken

CDU: Ein Mischgemüse der Macht

Die CDU ist eine seltsame Partei. Sie hat 2018 mit der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Vorsitzenden einen ähnlich mittigen und moderierenden Politikstil gewählt, wie ihn die langjährige Parteichefin Angela Merkel vertritt und landete damit am Ende der AKK-Ära Anfang 2020 in den Umfragen bei etwa 25 Prozent.

Beim jüngsten CDU-Parteitag entschied sich die CDU wiederum gegen klare liberal-konservative Profilierung, wie sie Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz vertritt, und ebenso gegen einen durchweg liberalen Aufbruch in Gestalt des Außenpolitikers Norbert Röttgen. Stattdessen gaben die 1.001 Delegierten dem Kandidaten mit den schlechtesten Umfrage- und Beliebtheitswerten, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, den Vorzug, der erklärtermaßen ausdrücklich mit einem Kurs des „Weiter so“ die Zukunft gewinnen will.

Eine mutige Entscheidung. Im Maß ihrer Verzagtheit jedenfalls.

Sie setzt darauf, dass die Methode Merkel sich erfolgreich reproduzieren und weiterführen lässt, wie Laschet es in seiner Parteitagsrede („Kontinuität des Erfolgs“) formulierte. Ein Macht-Abo durch Mittelmaß.

Für jeden etwas dabei

Laschet, der einzige unter den drei Kandidaten ohne klares Profil, will mit einem Team von Inhabern eines solchen, eine möglichst „breite Aufstellung“ der Partei erreichen, damit am Ende für jeden etwas dabei ist (innere Sicherheit, Wirtschaft, Soziales, Umwelt etc.) und der Inhalte-Mix hinreichend diffus bleibt, um nicht durch klare Kanten einzelne Milieus zu verstören. Er will damit seine in Nordrhein-Westfalen erfolgreich geprobte Strategie fortführen, wo ebenfalls etwa Wirtschaftsliberale und Sozialflügel am Kabinettstisch sitzen und der Chef als eine Art Ringrichter über allem präsidiert. Kleiner Nachteil: Der CDU-Wähler bekommt zu seinen Favoriten immer auch den Gegenpart geliefert. Ein Mischgemüse der Macht.

Diese Art von Flexibilität gilt in der Union insgesamt als eine Art raffiniertes Erfolgsrezept gegen festgelegte Überzeugungstäter. „In der Briefwahl habe ich selbstverständlich Armin Laschet gewählt“, verkündete der Chef des CDU-Nachwuchses „Junge Union“, Tilman Kuban, dessen Organisation sich in einer Mitgliederbefragung zuvor klar für Merz ausgesprochen hatte.

Richtungswahl? Klare Kante, neuer Kurs, anderer Politikstil, ordnungspolitischer Rahmen, Quoten-Streit? Ach was! „Selbstverständlich“ Laschet. Auch der unglücklich agierende Merz schrieb einen Brief zur Unterstützung des neuen Vorsitzenden. Jetzt nach vorn blicken. Geschlossenheit statt Richtungsstreit. 83,3% fuhr Laschet in der Briefwahl schließlich ein. 

... dafür habe man aber regiert!

Nicht die kühle Machtfixierung der Union als solche, die uns hier in Gestalt hoher Meinungsflexibilität entgegentritt, ist neu oder überraschend, verblüffend ist die schnörkellose Unbekümmertheit, mit der sie ausgelebt wird. „Wer die Union wählt, bekommt alles, was er nie wollte – von Atomausstieg bis Homo-Ehe, Quoten, Mindestlohn und Gender-Sprech – nur eben etwas später und mit dem Hinweis: dafür habe man aber regiert“, sagt ein frustriertes Ex-Mitglied über die flexiblen Überzeugungen der Volkspartei.

Mit dem Mut der CDU konnte man im Laufe der Jahre als Reporter und Berichterstatter so seine Erfahrungen machen. Als in den hohen Zeiten der Migrationskrise, 2015 und danach, in den Sitzungen der Unionsfraktion bei kritischen Wortmeldungen unter dem Tisch geklopft wurde, um vom Präsidium nicht einsehbar zu sein, war es besonders interessant. Bei Treffen mit zum Teil hochrangigen Mandatsträgern hieß es immer wieder, BILD müsse Druck machen, damit man in der Fraktion die kippende Stimmung thematisieren könne. 

So schmeichelhaft es für Medienmenschen sein mag, gewissermaßen als politisches Alibi betrachtet zu werden, so schräg ist freilich die Vorstellung, der parlamentarische Souverän nehme seine verfassungsmäßige Macht nur stimmungsgetrieben im Windschatten medialer Lüftchen wahr. Zum Jahresende 2015 applaudierte der CDU-Parteitag wieder neun Minuten stehend der Kanzlerin und legte im Folgejahr noch zwei Minuten drauf.

Die Kunst der politischen Jonglage

Man kann deshalb die Kanzlerin und langjährige CDU-Vorsitzende Angela Merkel durchaus als paradigmatisch für die ganze Union ansehen, die kurz vor der Bundestagswahl 2017 mit der so genannten „Ehe für alle“ den wohl fundamentalsten gesellschaftspolitischen Umbruch der Nachkriegsgeschichte ermöglichte, selbst jedoch im Bundestag dagegen stimmte.

Es sind solche Episoden, die gleichermaßen Erstaunen wie Zweifel am Prinzip Volkspartei aufkommen lassen. Zumindest dürfte es eine hohe Kunst der politischen Jonglage sein, Zuspruch und Enttäuschung so maßvoll unter der Wählerschar zu verteilen, dass keine neuen signifikanten Wählerwanderungen oder gar erfolgreiche Neugründungen von Parteien dabei herauskommen. Und noch einen Nachteil hat die Methode Einbinden statt selbst zu führen: Sie beraubt die Union ihrer vormals wichtigen Funktion als Zeitgeistbremse gegenüber eher linken Bewegungen.

„Es geht Deutschland ohne Merkel besser als mit ihr“, sagte mir im Juni 2018 ein hochrangiger Politiker der Unionsspitze im Zuge des heftigen Richtungsstreits um die deutsche Grenzpolitik. Er ist heute eine wichtige Stütze der Kanzlerin. 

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Martin Steinmetz / 28.01.2021

Lesen Sie: Alex Kurtagic: “Warum Konservative immer verlieren” Eine exakte Analyse der “Konservativen” in Deutschland. Und damit ist nicht nur die CDU gemeint ...

Walter Weimar / 28.01.2021

Die CDU, früher war sie im Osten eine Blockpartei, immer auf Linie. Jetzt ist sie, die CDU, mit ihrem Furunkel CSU, das was die CSU in Bayern schon immer war, eine Einheitspartei. Darauf und auf ihre stolzen Wähler einen D-u-j-a-r-d-i-n.  Wie das Volk so die Politik.

Dirk Wolff-Simon / 28.01.2021

1982 bin ich mit Überzeugung und hohem Engagement in die CDU eingetreten, um meinen Beitrag zur politischen Kursänderung zu leisten. Die Hoffnung, die viele marktwirtschaftlich und freiheitlich orientierte Mitstreiter mit mir in die Regierung unter Helmut Kohl setzten, wurde Ende der achtziger Jahre bitter enttäuscht: Kohl war kein Visionär, kein politischer Leader, sondern politischer Opportunist und Machtpolitiker. 1988 habe ich dem Kanzlerwahlverein frustriert den Rücken gekehrt. Hautnah habe ich die Tage der Vereinigung 1989/90 erlebt. Auch die damalige CDU-geführte Bundesregierung hatte kein politisch tragendes Konzept; man wurschtelte sich durch. Innerparteilicher Streit ist verpönt. In ihren Meinungsbildungsstrukturen kann man die CDU fast stalinistisch nennen: der/die Vorsitzende geben es vor und über die Parteistrukturen wird in diesem demographisch völlig überalterten Wahlverein emotionslos exekutiert. Als Bürgerlicher mit einem wertkonservativen Fundament und einer zuweilen anachistisch-libertären Attitüde wünsche ich mir, dass bei der nächsten BT-Wahl GRR mehrheitlich hervorgeht. Nur durch das Aufbrechen der Parteistrukturen kann im Schumpeterschen Sinne etwas Gedeihliches erwachsen.

Bernd Hoenig / 28.01.2021

“Die CDU ist eine seltsame Partei ...” ... und zwar besonders seit dem Vorsitz A. Merkels. Seit Beginn ihrer Kanzlerschaft geschieht ein atemberaubender Niedergang des Liberalismus und eines traditionellen, sozialen Gefüges in Deutschland. Kein Superspion wie Markus Wolf hätte ein solches Skript zum Schaden der BRD besser entwerfen können - Energiewende/Ausstieg Nuklearenergie; E.U. weite €-Verschuldung in unabsehbarer Höhe; Illegale Immigration (mehrheitlich ‘desparate junge Männer [Heinsohn]); Lahmlegen der gesamten Gesellschaft aufgrund eines Virus, das lebensgefährlich nur für einen Bruchteil der Bevölkerung ist (lt. den Untersuchungen des Epidemiologen Ioannidis zur Todesrate: “Infection fatality rates ranged from 0.00% to 1.63% and corrected values ranged from 0.00% to 1.31%.”).

Kay Ströhmer / 28.01.2021

Der größte Fehler vieler Wähler liegt darin, die Union noch ernst zu nehmen.

Horst Jungsbluth / 28.01.2021

“Alle Parteien sind hässlich” so hat es einmal die ehemalige Berliner Parlamentspräsidentin Laurien (CDU) formuliert und ihre eigene damit eingeschlossen. Schlimmer als Unansehnlichkeit ist aber, dass keine einzige Partei in Deutschland überhaupt bemerken will, dass der demokratische Rechtsstaat immer mehr zu einer zu einer bloßen “Hülle” verkommt, die den drohenden Niedergang verdecken soll. Die CDU hat sich Merkel, die mit einsame Entscheidungen den Rechtsstaat aushebelt und die Wirtschaft stranguliert,  mit Leib und Seele verschrieben und die Bürger werden das früher oder später auszubaden haben. Man will bei der CDU auch partout nicht bemerken, dass die Union vor allen Dingen deshalb noch gewählt wird, weil die Alternativen noch schlimmer ist, was eigentlich bedeutet, dass man sich endlich einmal damit beschäftigen muss, den eigenen Laden von Grund auf zu reformieren.

Johann Joachim Lindner / 28.01.2021

Augen zu - CDU ! Nein, nie wieder. Was sonst? Ich weiß es nicht. Vielleicht FDP wählen, als Notlösung? Oder gar zum Nichtwähler mutieren? Bleibt noch die Partei mit dem Schwefelgeruch. Nein, Nein, solange die sich nicht entschwefelt haben sind die keine Alternative. Kobolde und Märchenerzähler brauchen wir nicht, kommen gleich auf den Müllhaufen der Geschichte, denn Grün ist das neue Braun.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ralf Schuler / 14.02.2023 / 12:00 / 91

Rezepte gegen den Ungeist

Welche Faktoren bewahren einen Menschen davor, im Gleichschritt mitzulaufen? Ralf Schuler geht dieser Frage anhand des Essays „Hitler und wir“ von Markus Günther nach.  In…/ mehr

Ralf Schuler / 06.02.2023 / 06:00 / 62

Mit fröhlichem Ernst aus der Reihe tanzen!

Was ist zu tun? Was hat der Bürger dem woken Marsch durch die Institutionen entgegenzusetzen? Ralf Schuler versucht in seinem neuen Buch, Antworten auf diese…/ mehr

Ralf Schuler / 13.02.2021 / 10:00 / 172

Ich und Du, Tonis Kuh! – Und der Zweck heiligt doch die Mittel

Es war nicht alles schlecht. Manche haben es ja schon immer geahnt. Mitunter sind Gestrige auch von heute und morgen. Grünen-Fraktionschef Anton „Toni“ Hofreiter hat…/ mehr

Ralf Schuler / 11.12.2020 / 06:25 / 71

Merkel und die Schwerkraft

„Ich glaube an die Kraft der Aufklärung.“ Ein Satz, wie ein Manifest aus der als besonders emotional gelobten Rede von Kanzlerin Angela Merkel (66, CDU)…/ mehr

Ralf Schuler / 15.11.2020 / 06:10 / 53

Ich distanziere mich schon einmal präventiv…

„Jetzt haben Sie einen neuen Verlag, einen Neuanfang. Das wäre jetzt ja die Gelegenheit, sich grundsätzlich zu den sogenannten Neuen Rechten zu positionieren“, sagt die…/ mehr

Ralf Schuler / 11.08.2020 / 06:00 / 63

So werden Sie was in der Politik

„Stimmt. Sehe ich genau so, aber …“ Wenn es darum geht, in aktuellen politischen Debatten KEINE Meinung zu vertreten, ist die Liste der Begründungen lang.…/ mehr

Ralf Schuler / 29.04.2020 / 14:00 / 48

Corona-Zerwürfnisse überall

Pandemie oder Panik, Angst oder Spott – Corona legt auch die Tiefenschichten im Freundes- und Bekanntenkreis frei. Hat man ansonsten selbst bei unbekannten Themen und…/ mehr

Ralf Schuler / 07.04.2020 / 14:00 / 30

Orban und die Panikmache

Vier Sitzungstage des ungarischen Parlaments sind in dieser regulären Sitzungswoche vor Karfreitag am Budapester Donau-Ufer vorgesehen. Eine Meldung, die in normalen Zeiten so spannend ist,…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com