Was soll das denn: "Dafür freilich müsste die AFD erst einmal ihre Demokratiefähigeit beweisen"? Geht es vielleicht noch ein bißchen überheblicher, Herr Weimer? Zumal die AFD mehr direkte Demokratie fordert, im Gegensatz zu den anderen größeren und kleineren Parteien. Zudem nicht die AFD es ist, die Gespräche und die Zusammenarbeit mit anderen Parteien verweigert. Zudem es die AFD ist, die die vollkommen parteiischen Öffentlich-Rechtlichen einstampfen möchte. Es ist auch nicht die AFD, die verlauten läßt, daß Wahlbetrug ja nicht so schlimm sei, wie erst neulich ein Politiker aus Norddeutschland hinsichtlich der Vorkommnisse in Bremen meinte, wo man die AFD um einen Sitz bringen wollte. Wie steht es also um die Demokratiefähigkeit der übrigen Parteien, in denen angesichts solcher Äußerungen nicht der Ansatz eines Proteststurms einsetzt? Und: In Sachsen ist die AFD bereits im Landtag vertreten und bisher gibt es dort keinerlei Probleme.
Die Entwicklung und Situation der CDU kann nur derjenige mit dem Ende der DC vergleichen, welcher die italienische Parteiengeschichte nicht kennt oder wider besseres Wissen recht eigenwillig interpretiert.1976 tolerierten die Kommunisten (die PCI erreichte 34,4% der Stimmen) eine DC-Minderheitsregierung (38,7%). Zum damaligen Zeitpunkt wäre Italien anders nicht regierbar gewesen. Jedoch endete der im Artikel erwähnte compromesso storico nach der Entführung und Ermordung Aldo Moros, der sich auf der Seite der DC für den Kompromiss starkgemacht hatte. "Pessimisten in der CDU und Mahner aus der CSU fürchten bereits, dass die AfD so etwas werden könnte wie die „Forza Italia“ oder die „Lega Nord“ für die DC – die Totengräber der eigenen Partei."Nein, das ist Unsinn. Die Auflösung der DC hatte weder etwas mit einem Linksruck zu tun, noch mit der Forza Italia und der Lega Nord, sondern einzig und allein mit dem System von Korruption, Amtsmissbrauch, illegaler Parteifinanzierung und kriminellen Verflechtungen, genannt tangentopoli. Die Ermittlungen, genannt mani pulite, führten nicht nur zum Fall der DC, sondern auch zum Ende der ersten Republik und zum Zusammenbruch der wichtigsten Parteien, darunter v.a. der PSI (vergleichbar mit der SPD).Die Lega Nord ist ein regionales Phänomen. Sie strebt die Unabhängigkeit Norditaliens an. Berlusconi trat aus guten Gründen (nämlich um sich und sein Wirtschafts- und Medienimperium zu retten) erst nach mani pulite, also nach dem Ende der DC und der PSI, in die Politik ein und stampfte die Forza Italia (heute Popolo della Libertà, PdL) aus dem Boden. Viele DC- und PSI-Politiker fanden schließlich in der Partei Berlusconis eine neue politische Heimat. Im italienischen Parlament - mehrheitlich in der PdL - sitzen noch heute einige Abgeordnete, die rechtskräftig verurteilt wurden und/oder Gefängnisstrafen absaßen und/oder die Nutznießer einer der Amnestien wurden. Auch gegen Berlusconi selbst gab und gibt es Prozesse und Ermittlungen wegen Korruption, Bilanzfälschungen, Steuerbetrug, Veruntreuungen, Mafiakontakten und -verstrickung und Prostitution Minderjähriger, die Dank seiner politischen (stets halfen neue Gesetze und Dekrete) und wirtschaftlichen Macht eingestellt wurden oder glimpflich ausgingen. Die AfD hat zunächst wenig bis gar nichts mit der Lega Nord oder der Forza Italia (PdL) gemein, sondern sie lässt sich inhaltlich und personell am ehesten mit der AN (Alleanza Nazionale) vergleichen, die 1995 aus dem neofaschistischen MSI hervorging und bis zu 16% der Stimmen bei Nationalwahlen erhielt. Die AN koalierte unter dem hoffähigen Fini mit der Forza Italia und der Lega Nord und setzte sich insbesondere für den Kampf gegen Kriminalität und (illegale) Einwanderung, die Familie, die Bewahrung der italienischen Identität, für soziale Marktwirtschaft und gegen die EU ein. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Programmatik war die Bewahrung der nationalen Einheit, was zu Konflikten mit der separatistischen Lega Nord führte. Heute gehören Teile der AN dem berlusconischen PdL an, so auch Alessandra Mussolini.Was das Pentapartito (DC plus PSI plus liberale Parteien) begann, setzten PdL (das berlusconische Sammelbecken für ehemalige Politiker des Pentapartito), Lega Nord und AN erst richtig fort. Sie richteten Italien wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich und kulturell zugrunde.
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