Markus Vahlefeld / 27.11.2018 / 12:00 / 49 / Seite ausdrucken

CDU: Achselzucken über AfD? Nein! Frohlocken!

Friedrich Merz hat einen Satz vom Stapel gelassen, der für ein kleines Erdbeben in der Parteispitze der CDU gesorgt hat. Und nein, hier soll es nicht um den Asylparagraphen 16a im deutschen Grundgesetz gehen, sondern um das Achselzucken, mit dem die CDU, nach Merz‘ Worten, "den Aufstieg der AfD hingenommen" habe. 

Seine Rivalin im Kampf um den Parteivorsitz, Annegret Kramp-Karrenbauer, hat dem heftig widersprochen und versucht, die Parteibasis nun gegen Merz in Stellung zu bringen. Es sei, so AKK, "ein Schlag ins Gesicht für alle in der CDU, die vor Ort und in den Parlamenten seit Jahren gegen ständige Falschinformationen, gegen gezielte Vergiftungen des politischen Klimas, gegen Anfeindungen sowie gegen – in Teilen offene – Hetze durch die AfD kämpfen und Tag für Tag in der CDU Haltung zeigen."

Zu den schon lange bekannten, aber in den Medien nur selten thematisierten Begleiterscheinungen derjenigen CDU-Strategie unter Angela Merkel, die inzwischen als "asymmetrische Wählermobilisierung" berühmt und berüchtigt geworden ist, gehörte das Heranrücken an sogenannte "urbane" Wählerschichten. Das Herz dieser urbanen Wählerschichten sind die umweltbewegten Vielflieger, also diejenigen Hochgebildeten, die persönlich in der Freizeit gerne Jack-Wolfskin-Kleidung tragen, gesellschaftlich aber den Markenfetischismus als Ausdruck eines aus der Kontrolle geratenen Kapitalismus geißeln. Ihr gesellschaftlicher Traum ist, dass Ferienreisen im Flugzeug verboten würden, während ihr eigenes Meilenkonto bei der Lufthansa in schwindelerregende Höhen steigt. Das war ja schon immer der smarte Kniff, mit dem die Grünen ihre Wähler bei der Stange hielten: das schlechte Umweltmütchen durch ein Kreuz bei den Grünen auf dem Wahlzettel zu kühlen und fröhlich jeden Quatsch zu fordern, wissend, dass er nur für andere gelten soll. 

Wiederauferstehung einer Pfaffen- und Priesterkaste

Diese urbanen Wählerschichten, die nichts von dem ausbaden müssen, was sie an politischen Katechismus in die Welt posaunen, sind die Wiederauferstehung einer Pfaffen- und Priesterkaste im Gewand der Umwelt- und Humanitätsreligion. Unter diesem Gesichtspunkt waren Atomausstieg und Grenzöffnung grandiose Schachzüge, um diese Wähler der CDU zuzuführen. Der Kampf, der im Moment in der CDU tobt, lässt sich herunterbrechen auf die schlichte Frage: Kann die CDU fortan auf diese Klientel verzichten, nachdem Merkel & Co. sie jahrelang herangezüchtet hat? 

Das große Transformationsprojekt, das Angela Merkel ihrer Partei verschrieb, bedeutete in der Folge natürlich, dass diejenigen, für die dann exorbitante Benzinkosten, Dieselfahrverbote und schwindelerregend steigende Mieten ihre volle Wirkung entfalten, in der CDU heimatlos wurden. Die Diktion von Franz Josef Strauß, dass es rechts der CDU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, wurde ja bisher so interpretiert, dass die Union eben auch diese hässlichen rechten Wähler an sich binden müsse. Erst Angela Merkel interpretierte es ästhetisch schöner: Wir als CDU verzichten auf diesen hässlichen rechten Wähler, lassen eine neue rechte Partei zu, sprechen ihr in der Folge aber einfach die demokratische Legitimation ab. Und siehe: Die CDU wurde für diese urbanen Wählerschichten auf einmal vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan. Angela Merkel ist und bleibt eben eine in Dialektik geschulte Politikerin.

Angela Merkels Lieblingsdemoskop Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen präsentierte bereits im Frühjahr 2016 im Konrad-Adenauer-Haus einen Bericht mit dem Titel „Die AfD als Chance für die Union". Darin schreibt er:

„Die CDU/CSU ist durch die bloße Existenz der AfD vom latenten Vorwurf befreit, rechts zu sein, was anders als in den meisten europäischen Ländern in Deutschland einen stigmatisierenden Charakter hat.“ Durch diese Wiederauferstehung der Union als schöner Schwan ohne störendes Stigma, könne sie nicht nur in linken Wählerkreisen wildern, es würden damit endlich auch Koalitionen mit den Grünen möglich. Und so kommt er zu dem Schluss: „Aus diesen Gründen kann sich das Erscheinen der AfD im politischen System mehr als Segen denn als Fluch für die Union erweisen.“ 

Der Feind musste ins Innere transformiert werden

Das von Merz nun benannte "Schulterzucken" war vielmehr ein strategischer Superschachzug, um die Union als ewig stärkste Kraft der "demokratischen Mitte" zu etablieren und Koalitionen mit allen Parteien zu ermöglichen. Und mit allen Parteien bedeutet eben auch: Es werden Koalitionen nicht nur mit FDP, SPD und Grünen, sondern auch mit der Linkspartei möglich, wie sie vor kurzem der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, CDU, forderte und seine Parteikollegin Monika Grütters inzwischen in Berlin tatkräftig vorbereitet.

Die Spaltung des Landes, die inzwischen so lautstark bejammert und der AfD in die Schuhe geschoben wird, wurde also nicht nur achselzuckend hingenommen, sie wurde mit Frohlocken politisch geplant. 

In der Politik geht es um Machterhalt, und der immer noch erfolgreichste Mechanismus zum Machterhalt baut den Feind, gegen den zu kämpfen und sich zu behaupten ist, erst auf, um ihn dann heldenhaft zu besiegen. Nun will das moralisch geläuterte, grenzenlose und pazifistische Deutschland in einer Welt leben, in der es keine äußeren Feinde mehr geben soll, und so musste der Feind ins Innere transformiert werden.

Diese Weigerung, einen äußeren Feind wahrnehmen zu wollen, ist auch die tiefere Schicht hinter der Ablehnung allen Nationalismus. Der Nationalismus funktioniert in letzter Konsequenz nur, indem eine äußere Feindbedrohung wachgehalten wird. Nationalismus und Bellizismus sind eng miteinander verwandt. Nur sollte man nicht meinen, dass die Transformation des Feindes ins Innere auch nur einen Deut friedlicher abläuft. 

So pazifistisch sich die Gutmeinenden geben, in letzter Konsequenz wollen sie nicht den Krieg, sondern den Bürgerkrieg gegen diesen inneren Feind. Und die Vorboten zum Bürgerkrieg haben ja schon ihre Schatten geworfen. Das gehört auch zum Vermächtnis Angela Merkels.

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Leserpost

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Gottfried Meier / 27.11.2018

“Angela Merkel ist und bleibt eben eine in Dialektik geschulte Politikerin.” Dialektik hin oder her, überkurz oder lang wird sie/uns die Realität einholen. Die CDU stärkt nicht nur die AfD. Sie päppelt einen konservativen Konkurenten auf, dem Sie in einigen Jahren nicht mehr gewachsen sein wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Merkels Strategie auf lange Sicht der CDU erheblich schaden wird, vielleicht sogar existenziell.

Sepp Kneip / 27.11.2018

Merkel und die CDU gebärden sich als Zauberlehrling. Sie lassen den Geist in Form der AfD aus der Flasche, weil sie nicht am eignenen rechten Rand belästigt werden wollen. Nun ist der Geist draußen, hat sich verselbständigt und wirbelt einiges durcheinander. Wie ihn wieder in die Flasch zurück bringen? Wo ist der Meister, der die Zauberformel spricht? Den gibt es nicht. Und so bemüht man sich der übelsten Tricks und Lügentechniken um die AfD zu diskreditieren. Auch die Nazi-Keule ist dafür nicht zu schäbig. Merkel hat sich verzockt. Ihre Partei folgt ihr nicht mehr. Sie regiert auf Gnade von Rot/Grün. Den Parteivorsitz hat sie verloren. Bevor sie auch ihr Kanzleramt verliert, wird sie den Scherbenhaufen, den sie ohnehin schon aufgetürmt hat, mit dem Migrations-Pakt noch weiter derhöhen. Die AfD wird bleiben, da man begriffen hat, dass sie die einzige Opposition im Lande ist, die die Regierenden demaskiert. Merz hat nicht Unrecht. Aber auch er hat nicht die Zauberformel.

Stefan Riedel / 27.11.2018

Also Herr Merz, Flagge zeigen. In Ihrer Partei werden Vorbereitungen getroffen für eine Koalition mit der SED (Hubertus Knabe). Ich bin ein ehemaliger CDU- Wähler, der sich einfach nur wünscht, wieder CDU wählen zu können. Wird es mit Ihnen zu solch einer Koalition der Schande kommen?

Marc Blenk / 27.11.2018

Lieber Herr Vahlefeld, natürlich war es die Strategie von Merkel, eine Art nationaler Volksfront aufzubauen. Wie gut ihr das gelungen ist, zeigte der Güntersche Versuchsballon, die Linke in diese Front zu integrieren und in der Bartschen Reaktion darauf, dass er sich das für die Zukunft vorstellen könne. Nur gibt es da mindestens ein Problem, diese Agenda längerfristig durchzusetzen. Die Interessen der CDU sind nicht identisch mit denen von Frau Merkel. Das von der Kanzlerin aufgebaute und die Demokratie aushebelnde Machtkonstrukt benötigt ja eben keine CDU über der 40% mehr. Das Merkelsystem kommt ohne Volksparteien aus. Es genügt, wenn die CDU die stärkste Partei ist. Das kann dem Pöstchenverteiler - Verband CDU nicht schmecken. Für die CDU gibt es da viel zu verlieren. Weshalb ja Merz in seiner Bewerbungsrede davon spricht, dass mit ihm die CDU auf Kosten der AFD wieder 40% bekommen würde. Doch dies geht wiederum nur, wenn man die AFD genauso inkorporiert wie zuvor die Grünen und die SPD. Oder in Migrationsfragen AFD - Positionen übernimmt. Der innere Feind des Merkelsystems ist die AFD (in Wirklichkeit der mündige Bürger), das gilt aber nicht für die CDU!  Für die CDU ist der innere Feind der Verlust von Posten und der Verlust des forever number one - Status. Das Merkelsystem hat kein Herz für die CDU, weshalb es scheitert. Die SPD macht es vor, wie es abwärts geht, wenn man die Linke und die Grünen im Nacken hat. Die SPD wird zwischen der Linken, den Grünen und der AFD zerrieben. Die CDU zwischen der AFD und den Grünen. Merz mag in Zukunft die AFD verteufeln wie er mag, nur wird er ihre wichtigsten Postionen umsetzen müssen, damit sein feuchter 40% -  Traum wahr werden kann. Tatsächlich wird es der CDU nicht helfen, sich die AFD als Feind zu erhalten. Da wäre ein Blick nach Österreich und die Kurz - ÖVP lehrreicher. In Deutschland bilden dagegen Parteienmehrheiten nicht den Bürgerwillen ab.

Klaus Plöger / 27.11.2018

Adenauerhaus. Hier sitzt die Partei der absurden Metamorphosen. Zum Gefallen ihrer Domina tragen die schwer gepeitschten Knechte unter den Anzügen rote Socken und grüne Unterhosen

HaJo Wolf / 27.11.2018

Toll, unsere nächsten Kanzlerkandidaten. Wir haben die Wahl zwischen AKK, einer dürftigen Merkel-Kopie, bei der ich mich immer wundere, wie die ohne Rückgrat aufrecht stehen kann, einem März, der format- und skrupelloser ist, als man sich das vorzustellen imstande ist oder gar einem Özdemir, dessen Wahlkampfmotto lautet “Wir wollen, dass Deutschland islamisch wird”. Ich bin nicht gläubig, aber ich bete jeden Abend, irgendwer möge uns einen Kurz oder einen Trump schicken.

Wolfgang Schäfer / 27.11.2018

Ich würde davor warnen zu glauben, Merkel sei bereits weg. Wahrscheinlich bereitet sie gerade ihren Befreiungsschlag vor.

U. Unger / 27.11.2018

Herr Vahlefeld, das Märchen “rechts von der CDU” hat der gewiefte Taktiker Strauß geschaffen, in dem strategisch vernünftigen Bewusstsein, dass es rechts von der CSU kaum 2% der Wähler gab. Heute, wo bald der letzte Landser, NSDAP Mitläufer, Täter tot ist, da soll es deutlich größere Potentiale geben? Ich sehe keinen vernünftigen Grund. Eher haben beide großen Volksparteien zusammen mit den Grünen die berechtigte Sorge, dass wegen des Versagens eben nahezu aller Amtsinhaber heutzutage, Vorgänge hinterfragt werden, um die sich die breite Mehrheit selten gekümmert hat. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die hunderten Versorgungsposten, welche die AFD gewonnen hat, für das Machtkartell unbedeutend sind. Vorboten zur politischen Zersplitterung entdecke ich schon in den 90gern als Ergebnis von GFK Analysen, die schon damals feststellten, dass Konsum sich zunehmend individualisiert. Es ist auch kein deutsches Ereignis, dass die Anzahl der in den Parlamenten vertretenen Parteien gestiegen ist. Selbst vor dem schwierigen Hintergrund des reinen Personen- und Mehrheitswahlrechts lässt sich dieser Wandel erkennen. Nigel Farrage und UKIP, etwas krasseres gibt es kaum, politisches Hauptziel in Rekordzeit erreicht, man zieht sich entspannt zurück. Nun ist die AFD ursprünglich als Kritik an Euro und EU entstanden. Zusätzlich hat Frau Merkel die Migration geschaffen, die in erster Linie wegen Schengen die EU betrifft. Ich war wohl nicht der einzige, der geglaubt hat, die EU Außengrenzen würden bestens geschützt, da man eingesparte Ressourcen an die Außengrenzen verlagert. Hier hat die EU und Merkel voll versagt. Die UKIP hat das Thema für alle Briten dauerhaft geregelt. Bin gespannt, wie viele Abgeordnete das Lager der EU Kritiker nach der Europawahl hat (13- 28% ???). Eines ist sicher, der Großteil nicht AFD, sondern Schwedendemokraten, VVD, RN, FPÖ...….!

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