Cem Özdemir, der anatolische Schwabe, steht bei den Grünen für mehr als für sich selbst. Während die meisten Apologeten dieser Partei bestenfalls die Summe ihrer historischen Irrtümer charakterisierten, brachte Özdemir frischen, liberalen Wind in die nicht mehr ganz taufrische Öko-Hütte. Er repräsentierte weniger die türkischen Einwanderer als vielmehr jene Migranten, die sich über alle ethnischen Grenzen hinweg dazu entschlossen hatten, in der Bundesrepublik nicht nur irgendwie anzukommen – sondern auch mitzumachen.
Zudem ist es zweitens denkbar, dass die Grünen einem anatolischen Schwaben zwar den politischen Aufstieg ermöglichen – aber keineswegs den politischen Erfolg gönnen wollen. Eine Multikulti-Mutti wie Claudia Roth, die stets tränenreich über das Elend der Welt lamentiert und über Migranten so spricht, als hätte sie es mit Behinderten zu tun, steht der nachhaltig verwirrten grünen Seele wohlmöglich näher als ein Mann, der als inoffizieller Sprecher der aufgeklärten Einwanderer inzwischen von allen Seiten in die Pflicht genommen wird. Die riesige Chance, die darin für Migranten und Deutsche liegt, ist ausgerechnet von den Grünen, die immer am lautesten nach Multikulti gerufen haben, gar nicht begriffen worden. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,583629,00.html