Eva Ziessler / 16.04.2016 / 12:00 / Foto: Hannes Grobe / 11 / Seite ausdrucken

Causa Böhmermann: Sachdienliche Hinweise zur Gewaltenteilung

Nicht, dass mir das alles jetzt gerade übermäßig wichtig wäre, aber: Im Fall Böhmermann ist die Gewaltenteilung überhaupt nicht tangiert - auch wenn das immer wieder behauptet und der Bundeskanzlerin damit implizit sogar eine Art kalter Staatsstreich unterstellt wird, weil sie die Mainzer Staatsanwaltschaft ermächtigt hat, die Strafverfolgung einzuleiten.

Wie erklärt man das am besten? Die Beleidigungstatbestände sind sämtlich sogenannte absolute Antragsdelikte, was bedeutet, dass sie ohne einen Strafantrag des Verletzten überhaupt nicht verfolgt werden dürfen. Fühlt sich nun das Staatsoberhaupt eines anderen Staates durch ein Geschehen in Deutschland beleidigt, dann reicht ein Strafantrag nicht aus. Zusätzlich muss (nach § 104 a StGB) noch die Hürde der Ermächtigung der Strafverfolgungbehörden durch die Bundesregierung genommen werden. Dadurch wird die Strafverfolgung ganz offensichtlich erschwert, nicht erleichtert; und zwar weil der Gesetzgeber Vertreter anderer Staaten zwar einerseits mit einem eigens für sie reservierten Beleidigungstatbestand bauchpinseln und damit die diplomatischen Beziehungen glätten, ihnen aber deswegen nicht die Möglichkeit geben wollte, den Behördenapparat in Deutschland willkürlich mit einer Fülle von zwecklosen Strafanträgen lahmzulegen. So weit, so gut.

Weder verwerflich noch vorsinnflutlich

Und übrigens sieht man hier schon, dass das alles weder verwerflich noch “vorsintflutlich” ist und schon gar nichts mit rückwärtsgewandten Vorstellungen von “Majestätsbeleidigung” zu tun hat. Im Gegenteil: Die beiden Paragraphen im Strafgesetzbuch sind systematisch klug verzahnt und genügen durchaus zeitgenössischen Marketinganforderungen; sie erfüllen genau den angepeilten Zweck – Schaufenstergehabe nach außen mit gleichzeitiger verfahrensmäßiger Absicherung nach innen. Dass das in der Sache Böhmermann nun offenbar trotzdem nach hinten losgegangen ist, hat nichts mit dem Gesetz zu tun und alles damit, dass viele Kommentatoren die Grundprinzipien der Rechtsordnung des Landes nicht begreifen, sich aber trotzdem – und mit viel Schaum vorm Mund – dazu äußern.

So schreibt zum Beispiel Peter Huth, Chefredakteur der Berliner Zeitung (BZ):

“Als geradezu absurd vorzeitlich ist der korrespondierende Paragraf 104a, der vorschreibt, dass die Regierung nach einem Strafbegehren des sich beleidigt Fühlenden darüber entscheiden muss, ob es zu Ermittlungen kommt oder nicht. Das ist aber nicht die Aufgabe der Exekutive, sondern die der Judikative, also der Staatsanwaltschaften und Gerichte.”

Huth erklärt uns, dass die Strafverfolgung “nicht die Aufgabe der Exekutive, sondern die der Judikative, also der Staatsanwaltschaften und Gerichte” sei. Das ist nun doppelt und dreifach falsch. Die Strafverfolgung ist zwar die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, aber die Staatsanwaltschaft ist nun gerade nicht Teil der Judikative, sondern Teil der Exekutive. Die Strafverfolgung ist nicht Aufgabe der (Straf-)Gerichte. Sie sind nur zuständig für die Eröffnung und die Durchführung der Verhandlung bis zum Urteil.

Wenn man nun aber glaubt, dass die Staatsanwaltschaft zur Judikative gehört, dann muss man natürlich auch glauben, dass die Bundeskanzlerin durch ihre Ermächtigung der Staatsanwaltschaft die Gewaltenteilung durchbrochen hätte, weil damit die Exekutive in die Zuständigkeit der Judikative hineinpfuschen würde. Tatsächlich spielt sich aber alles innerhalb der Exekutive ab: Frau Merkel in iher Eigenschaft als Bundeskanzlerin sowie die Staatsanwaltschaft sind Teil der Exekutive. Staatsanwälte sind -im Gegensatz zu Richtern- Beamte und damit weisungsgebunden. Sonst kriegen sie ihre Anweisungen von ihrem vorgesetzten Staatsanwalt oder auch direkt vom (Landes-)Justizminister. In unserem speziellen Fall sieht das Gesetz eben vor, dass die Anweisung von der Bundesregierung kommt.

Der § 103 StGB ist keineswegs so unsinnig oder überflüssig wie behauptet

Die Bundeskanzlerin hat also nichts weiter getan, als der Staatsanwaltschaft zu erlauben, in dieser Sache zu ermitteln. Ob die Staatsanwaltschaft im zweiten Schritt überhaupt Anklage erheben wird, ist damit noch gar nicht gesagt. Und ob im dritten Schritt das Gericht entscheiden wird, das Hauptverfahren zu eröffnen, weiß auch keiner.

Nachsatz: Der § 103 StGB ist keineswegs so unsinnig oder überflüssig wie behauptet. Daran ändert auch der Verweis auf den “normalen” Beleidigungsparagraphen § 185 nichts, denn dabei geht es um etwas anderes: Geschützt wird das Opfer der Beleidigung als Person, während der § 103 das Opfer nicht als Person, sondern nur in seiner Funktion als Organ eines anderen Staates schützt. Also wird damit eigentlich der fremde Staat vor Verunglimpfung geschützt. Man kann die Person, die auch Staatspräsident ist und sich als Beleidigungsopfer sieht, deshalb nicht mit dem § 185 abspeisen, denn der Antrag auf Straferfolgung nach  § 103  wurde in diesem Fall eben nicht von der Person gestellt, sondern sozusagen von dem fremden Staat, vertreten durch eines seiner Organe.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Eva Ziesslers Blog hier.

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Gernot Radtke / 16.04.2016

Danke für Ihre subtilen Unterscheidungen, Frau Ziessler! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, bleibt bis zur möglichen Eröffnung eines Hauptverfahrens, die allein der Entscheidung des Gerichts unterliegt, die Causa Böhmermann in den Händen der Exekutive, hier: einer Staatsanwaltschaft, die allerdings weisungsgebunden ist. Wer weist dann ggf. an? Merkel, der Justizminister (na, wie heißt der Kleine im Maßanzug noch?) oder der Oberstaatsanwalt? Ich habe dazu keine Vorgaben gefunden, bin allerdings auch kein Jurist. Hat Merkel den Casus vielleicht - nicht ungeschickt - in eine Sackgasse manövriert, wo er nicht mehr herauskommt und hinschimmelt, bis der § 103 StGB sowieso vom Gesetzgeber einkassiert worden ist?

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