Alles gut hätte Ihnen zugestanden, nachdem er sich entschuldigt hätte, nicht wahr? Er meinte wohl, Sie sollten sich entschuldigen, weil er ja ein Fahrrad hatte und das besser ist als ein Fußgänger. So ging es mir auch. Eine Frau fuhr mich mit einem Lastenfahrrad fast um und brüllte mich danach an. Dagegen ist Ihr Kontrahent, der verwechselt, wer sich entschuldigen sollte, noch ein Gedicht. Zimtschnecken gehen mir am A…. vorbei. Lieber ein Cinnamon Maple Whiskey Sour.
Hab ich was verpaßt? Zimtschnecken - oder vielmehr Heferollen, wie wir sie nannten, waren schon in meiner Kindheit vor einem halben Jahrhundert stinknormales Sonntagsgebäck. Zugegeben, ohne Zuckerguß, und die süßen auch nicht immer mit Zimt, sondern oftmals mit Mus oder Mohn - den mußten dann wir Kinder vorher immer mahlen. Egal, solche Heferollen bzw. Schnecken waren so alltäglich wie Pfannkuchen oder Waffeln, damit bin ich praktisch groß geworden.——- Allerdings sollte Hefeteig nicht zäh sein. Weich, luftig und fluffig soll er sein, nur mit frischer Hefe und guter Butter. Und hineingerollt hat man von jeher schon so ziemlich alles, was sich irgendwie rollen läßt, ob nun süß oder herzhaft. Ganz ähnlich wie russische Pasteten, da werfen sie auch alles zusammen, was gerade da ist und sich nur irgendwie mit oder ohne Gewalt in ein paar Lagen Teig hineinstopfen läßt. Wenn man Pech hat, landet auch noch ein gefühlter halber Zentner Sauerrahm oder Mayonnaise obendrauf. Aber meistens schmeckt das dann doch ganz wunderbar (wenn man die Mayonnaise abgekratzt hat…)———- Und das ist jetzt ‘Trend’? Kommt man jetzt doch so langsam weg vom Fertigfraß und besinnt sich auf’s selber backen und kochen?———- Von einer ‘Alles-gut’-Gesellschaft habe ich noch nichts mitbekommen - ich sehe auf der Strasse eher das Gegenteil. ‘Alles gut’ als Entschuldigung habe ich auch noch nicht gehört - vielleicht wollte Ihnen Ihr Radelrambo mit seinem ‘Alles gut’ ja nur mitteilen, daß an seinem Rad nichts kaputtgegangen ist… ;) —————Aber Essen war schon immer auch Seelennahrung - Comfort Food eben. Für viele ist das tatsächlich möglichst buntes Süßzeug, besonders für Kinder. Für andere Schokolade oder Kuchen. Mein Vater freute sich das ganze Jahr auf seinen Plumpudding. Mein persönliches Comfort Food ist ein leckerer weicher Ziegenkäse mit Weintrauben. Ein Glas Met oder einen Sherry dazu und dann ist auch bei mir ‘alles gut’, da brauche ich nichts anderes mehr. Mjam.
Die Zimtschnecken meiner Kindheit werden zunehmend von faden Lifestyleschnecken verdrängt, aber die traditionellen Bäcker bieten sie manchmal noch an. Was hat sie ausgezeichnet? Sie waren - groß, mindestens wie der Handteller eines Handschuhs der Größe 10 - flach, also höchstens so hoch wie ein schlanker Erwachsenendaumen - außen und oben knusprig, weil nämlich aus Plunderteig gemacht und nicht mit Fondantmasse übergossen - schön würzig, mit Zimt und ein wenig geriebene Walnüssen zwischen den Windungen - gut von außen nach innen abwickelnderweise zu essen, so dass man sich Bissen für Bissen vom knusprigen Äußeren zum weichen Inneren vorarbeiten konnte - und nur ganz innen saftig, weich und süß. Aber das Innere hab ich gerne geteilt, die äußere Windung nur unter Zwang. Reine Germteigschnecken können da nicht mithalten, kleine, hohe Schnecken ebensowenig, und mit Zuckerguß übergossene schon gar nicht. Franzbrötchen kommen vielleicht in die Nähe, es fehlt ihnen aber der sinnliche Genuß des Abwickelns - und die Walnußnote!
Wenn ich mir die „Zimtschnecken“ der Top 7 auf miasanfoodies so anschaue, stelle ich fest, dass ich keine einzige davon essen würde. Da stelle ich mich lieber selber in meine Küche und backe welche. Positiver Nebeneffekt: ich weiß ganz genau, was drin ist, und was nicht.
„Was hat der Herr Etscheit denn jetzt schon wieder gegen Kanelsnegler fra Jylland bzw. Kanelschnecken aus Südschleswig, kann man ihm denn gar nichts recht machen?“, so mein erster Gedanke. Aber die Erschröcklichkeiten aus dem Biotop der Hipsterbäckerstartupwerkstätten muss man wahrscheinlich wirklich nicht haben. Wenn einer mir Philosophie, gar Weltanschauung statt Brot, Brötchen und Kuchen verkaufen will, scheint Vorsicht geboten. Zu Weihnachten kommen dann wieder die pädagogischen Zeigefinger, die vor Zimt-Sternen warnen, weil da das schädliche isopropylpropenylbarbitursaure Phenyldimethyldiethylaminopyrazolon drin sei. Darauf eine Tüte Marzipankartoffeln und eine Stiege Dominosteine! Ja, die Kampfradler auf den Gehwegen brettern hier in Brandenburg sogar mitten durch die vom Böcker herausgestellten Tische und Stühle, und es reicht nicht einmal zu einem „alles gut“. Springt man als Fußgänger nicht sofort beiseite oder wagt gar darauf aufmerksam zu machen, dass hier ein Geh-Weg sei und Leute Kaffee trinken, glotzt der Radler blöd und man wird ggf. sogar von Kaffeegästen angepflaumt, dass doch da wohl genug Platz sei. Nicht erst seit Corona halte ich einen großen Teil meiner Mitmenschen für ... (Netiquette)
Da lobe ich mir meine Nuss-Schnecke vom Bäcker in Hefeteig oder Plunderversion. Die Krönung ist natürlich eine Weinbeerschnecke. Wer bei mir Rosine sagt fliegt hochkant raus. Dito….Butter ist männlich , auch wenn der Duden dauernd das Gegenteil behaupted.
Da muss ich an den Cinnabon-Laden aus “Better Call Saul” denken. Aus Furcht vor der Drogenmafia eine neue Identität als einsam frustrierter Zimtschneckenroller in der tiefsten Provinz- eine wahrhaft gescheiterte Existenz.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.