Georg Etscheit / 31.07.2022 / 13:00 / Foto: Pixabay / 21 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Wiener Schnitzel

Die Preise steigen, auch für ein Wiener Schnitzel. Bei den Austriaken ist das ein Politikum.

Wer in Oberösterreich noch ein Wiener Schnitzel unter zehn Euro essen wolle, müsse „wohl oder übel an einem Tisch im Restaurant eines Möbelhauses Platz nehmen“, las ich jüngst in den Oberösterreichischen Nachrichten. Im österreichischen Durchschnitt koste ein Schnitzel heute 12,46 Euro, elf Prozent mehr als vor einem Jahr, jammert der Autor des Artikels, wobei mir die Preissteigerung durchaus noch moderat erscheint.

Ein Wiener Schnitzel unter zehn Euro würde ich selbst nicht anrühren, ob im Möbelhaus oder einem richtigen Gasthaus. Dann lieber gleich Köttbullar bei IKEA. Denn es kann sich nach menschlichem Ermessen bei solch einem Discount-Schnitzel nur um eines vom Schwein handeln, wahrscheinlich ein schon in der Fabrik fix und fertig paniertes und vorgebackenes Exemplar „Wiener Art“, das in der Fritteuse seine letzte Ölung erhalten hat. 

Ein echtes Wiener Schnitzel muss dagegen zwingend aus Kalbfleisch zubereitet werden, am besten aus dem Endstück des Nackens („Schlussbraten“), alternativ aus Kalbsnuss oder Oberschale, jeweils Teilen der Keule. Hauptsache, es ist frei von Fett und Sehnen. Wolfram Siebeck verlangt, dass das Fleisch exakt (!) zwei Wochen abgehangen sein soll und in ein Zentimeter dicke Scheiben quer zur Faser geschnitten werden muss. 

Sollen die Ökos doch ihren Salat mümmeln

Ohne einen vertrauenswürdigen Metzger werden diese Bedingungen nur schwer zu erfüllen sein. Die Zubereitung selbst ist dann nicht besonders kompliziert: Fleisch sanft (!) auf etwa 6 Millimeter Dicke plattieren – Profis wickeln die Fleischteile dafür in Plastikfolie ein, damit das Fleisch nicht am Fleischklopfer hängen bleibt und zerreißt. Fanatische Ökos schreien jetzt natürlich „Igitt, Plastik!“. Doch die halten eh alles für überflüssig, was praktisch ist und gut schmeckt. Sollen sie ihren Salat mümmeln, während wir es uns gutgehen lassen. 

Die Schnitzel zuerst in Mehl, dann in geschlagenem (ganzen) Ei wenden und hernach in Semmelbröseln, wobei man darauf achten sollte, die Krümel gut anzudrücken. Neben der Qualität des Fleisches ist die der Brösel entscheidend. Es gibt nämlich auch Paniermehl, das nicht aus getrocknetem und geriebenem Weißbrot hergestellt wird und eine ganz andere Konsistenz und einen recht muffigen Geschmack aufweist als echte Semmelbrösel. Wenn man sichergehen will, kann man Semmelbrösel leicht selbst herstellen.

Wichtig ist, das panierte Schnitzel sofort (die Panade darf nicht durchweichen!) in die Pfanne zu hauen, in der reichlich Butterschmalz heiß, wenn auch nicht zu heiß geworden ist. Ist es zu heiß, verbrennt die Umhüllung, bevor das Fleisch gar ist. Und eine verbrannte Panade gilt bei einem Wiener Schnitzel als Super-GAU schlechthin. Am Ende sollte das Fleisch goldgelb aus der Pfanne kommen, eventuell mit einem „Hauch von hellbraun“ (Siebeck). Vor dem Servieren das Schnitzel auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Als Beilage gibts Kartoffelsalat, der klassisch mit Brühe angemacht ist, oder mit einer Vinaigrette, in der auch steierisches Kürbiskernöl zum Einsatz kommen kann, das einen wunderbar nussigen Geschmack hat. Aus dem grünschwarzen Öl lässt sich auch eine delikate Mayonnaise als Dip für allerlei (jedoch kein Wiener Schnitzel) fabrizieren.

Schnitzel vs. Piccata milanese

Wenn ich gezwungen bin, in einem mir unbekannten Restaurant zu speisen, bestelle ich mir fast immer ein Wiener Schnitzel, wenn's denn sein muss, auch eines „Wiener Art“. Denn bevor ich mich einem Koch ausliefere, der mit Tütensoßen im Konkubinat lebt, halte ich mich lieber an Frittiertes. Irgendwie schmeckt Fettgebackenes immer wegen seiner Knusprigkeit, dem intensiven Fettgeschmack und der köstlichen, wenn auch potenziell gesundheitsschädlichen Acrylamid enthaltenden Röststoffe, die dafür verantwortlich sind, dass Kartoffelchips süchtig machen. Kinder, Spezialisten fürs Unwiderstehliche, wissen das intuitiv, weswegen auf keiner Kinderspeisekarte Schnitzel und Pommes fehlen dürfen. Falls man Pommes anstelle eines Kartoffelsalats als Beilage wählt, empfehle ich ergänzend ein Schälchen Preiselbeerkompott, weil das Gericht sonst eine allzu trockene Angelegenheit wäre. Fast so trocken wie die beliebte Schnitzelsemmel, deren Genuss bei mir immer Hustenreiz auslöst.

Zur Herkunft des Wiener Schnitzels als dem österreichischen Nationalgericht neben Sachertorte und Kaiserschmarrn gibt es wie immer eine hübsche Legende. Angeblich liegt dessen Ursprung in Mailand, wo es bis heute als „Piccata milanese“ bekannt ist, allerdings mit der entscheidenden Variation, dass dem Paniermehl geriebener Parmesankäse zugesetzt wird und als Beilage Pasta mit Tomatensoße üblich sind. Josef Wenzel Graf von Radetzky (1766–1758), Statthalter des Kaisers im einst österreichisch besetzten Oberitalien, soll es wahrscheinlich unter den Klängen des Radetzkymarsches in sein Heimatland überführt haben. Auf der Reise über die Alpen kam auf irgendeine Weise leider der Parmesankäse abhanden. 

Ich liebe ein echtes Wiener Schnitzel, weil es ein ebenso einfaches wie feines Gericht ist, das den zarten Eigengeschmack guten Kalbfleischs perfekt zur Geltung bringt. Doch eine Piccata milanese ist vielleicht noch einen Tick verführerischer, wenn man den intensiven Geschmack geschmolzenen Käses liebt. Und wer täte das nicht!

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Ludwig Luhmann / 31.07.2022

“Irgendwie schmeckt Fettgebackenes immer wegen seiner Knusprigkeit, dem intensiven Fettgeschmack und der köstlichen, wenn auch potenziell gesundheitsschädlichen Acrylamid enthaltenden Röststoffe, die dafür verantwortlich sind, dass Kartoffelchips süchtig machen. Kinder, Spezialisten fürs Unwiderstehliche, wissen das intuitiv, weswegen auf keiner Kinderspeisekarte Schnitzel und Pommes fehlen dürfen.”—- Zu diesem Thema mal Udo Pollmer konsultieren.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Georg Etscheit / 21.04.2024 / 12:00 / 23

Cancel Cuisine: Kräuterküche

Naturverbundene Großstädter meinen, ein Leben im Einklang mit der Schöpfung zu führen, wenn sie sich allerlei wildes Grünzeug aneignen, das früher unter Unkraut lief, um…/ mehr

Georg Etscheit / 17.03.2024 / 14:00 / 19

Cancel Cuisine: Kopfsalat

Auf vielen Speisekarten taucht gerade ein „ganz besonderes Gericht“: ein Salatkopf im Ganzen, nur mit etwas Dressing verfeinert. Für mich ist ein roh servierter Salat kein Gericht, allenfalls…/ mehr

Georg Etscheit / 10.03.2024 / 12:00 / 29

Cancel Cuisine: Fleischersatz von Bill Gates

Bill Gates investiert Millionen und Milliarden Dollar in Dinge, die ihm wichtig erscheinen. Zum Beispiel in die Landwirtschaft. Und in Fleisch aus dem Drucker. „Ich denke,…/ mehr

Georg Etscheit / 03.03.2024 / 12:00 / 7

Cancel Cuisine: Spaghetti alle vongole

Ein Abend Italienurlaub lässt sich auch in der heimischen Küche mit Pasta und Venusmuscheln simulieren. Hier steht, wie's geht. Was wäre die Welt ohne Katastrophenszenarien? Klimawandel,…/ mehr

Georg Etscheit / 25.02.2024 / 12:00 / 19

Cancel Cuisine: Über Profigeräte

In Besserverdiener-Haushalten finden sich immer öfter beeindruckende Apparate – von der Kaffeemaschine bis zum Racletteofen. Ich meine, Profigeräte sollten Profis vorbehalten bleiben. „Soll ich dir einen Espresso…/ mehr

Georg Etscheit / 18.02.2024 / 12:00 / 24

Cancel Cuisine: Cem und das Tierwohl

Cem Özdemir plant eine „Tierwohlabgabe“ auf bestimmte tierische Produkte. Eine neue Etappe auf dem Weg ins Veggie-Paradies. Langsam wird es ermüdend, immer wieder auf die…/ mehr

Georg Etscheit / 11.02.2024 / 13:00 / 16

Cancel Cuisine: Saures Lüngerl

Jenseits von Leber und Nierchen sind Innereien in unserer Küche schon lange aus der Mode gekommen. Leider, muss man sagen, denn da entgeht uns was.…/ mehr

Georg Etscheit / 04.02.2024 / 10:00 / 64

Cancel Cuisine: Der Discounter – Schmelztiegel der Nation 

Bisher mied der Autor Discounter wie Aldi, Lidl oder Penny, doch räumt er nun ein, einen Sinneswandel durchgemacht zu haben. Habe ich mich verhört? Hat…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com