Der Veganismus-Trend erlebt nicht mehr so viel Aufwind wie noch in den Anfangsjahren – die Fleischproduktion wird wieder erhöht.
An einem Tag wie diesem kommt auch der kulinarische Kolumnist nicht daran vorbei, ein paar Gedanken an die allgemeine Politik zu verschwenden, wobei, wie wir von den alten Spontis wissen, ausnahmslos alles politisch ist, auch das, was wir uns zwischen die Kauknochen bugsieren. Mir geht es heute um die politischen Parteien und das, was ihnen (fälschlicherweise) zugeschrieben wird. Dass die Union eine konservative Kraft sei beispielsweise, dass sich die Sozis um die armen Leute kümmern, dass die Grünen ein Herz für die Umwelt haben und die Liberalen für die Freiheit. Dass Linke und Wagenknechtler sich von ihrer DDR-Vergangenheit losgesagt haben und die AfD nur von alten, weißen Nazis gewählt wird.
Wie mit einer gewissen Sicherheit die anstehenden Koalitionsverhandlungen beweisen werden, halten diese Zuschreibungen dem Wirklichkeitstest selten stand. Das betrifft auch jene Partei hinter der Brandmauer, die entgegen ihrem Image zunehmend bei jungen Leuten punkten kann. Es soll schon ganze Schulklassen geben, die zum Schrecken ihrer Gesellschaftskundelehrer geschlossen für Alice Weidel schwärmen. Und man darf davon ausgehen, dass die megacoole Rede des US-Vizepräsidenten J.D. Vance (40) auf der Münchner Sicherheitskonferenz für angeregte Diskussionen auf den Pausenhöfen gesorgt hat einschließlich der Mienen der überrumpelten Zuhörer. Da soll einer noch sagen, dass auf die Jugend kein Verlass ist.
Auch die allgemeine Überzeugung, dass junge Leute nur noch vegetarisches und veganes Zeugs mümmeln und Fleisch für „igitt“ halten, scheint im grellen Licht der Realität zu zerbröseln. „Der große Trend zu vegan und vegetarisch habe an Dynamik verloren, auch bei jüngeren Menschen“, sagte unlängst der Handelsexperte des britischen Meinungs- und Marktforschungsinstituts Yougov in einer im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur erstellten Studie. Die Daten zeigten, dass deutlich mehr ältere Semester angeben, weniger Fleisch gegessen zu haben. Bei Jüngeren wiederum sei der Anteil derer, die ihren Konsum gesteigert haben, überdurchschnittlich hoch.
Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Fleischwirtschaft, Steffen Reiter, konstatiert nach über mehrere Jahre hinweg rückläufigen Zahlen eine Trendwende. „Die Verbraucher greifen wieder vermehrt zu Fleisch.“ Auch das Statistische Bundesamt sieht die Fleischproduktion in Deutschland erstmals seit 2016 wieder im Aufwind. Demnach haben die gewerblichen Schlachtunternehmen im Jahr 2024 rund 6,9 Millionen Tonnen Fleisch erzeugt, 1,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Immer mehr Menschen, so Reiter, seien bereit, mehr Geld für Fleisch auszugeben und höherwertige Produkte zu kaufen. „Fleisch wird wieder als etwas Wertigeres angesehen“, so der Marktforscher.
Rund 6,5 Millionen Currywürste
Und etwas ausgesprochen Schmackhaftes, jedenfalls bedeutend schmackhafter als die veganen Fleischersatzprodukte, die sich in den Kühlregalen der Supermärkte stapeln und deren Ungenießbarkeit sich langsam herumzusprechen scheint. Ein zuverlässiger Gradmesser für den kulinarischen Status quo der Republik sind die alljährlich veröffentlichten VW-Kantinen-Charts. Demnach bleibt die legendäre „VW Currywurst mit Ketchup und Pommes“ mit Abstand das Gericht, dass in den Kantinen der VW-Werke Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Hannover, Kassel und Emden am begehrtesten war.
Rund 6,5 Millionen Currywürste hat VW im vergangenen Jahr produziert, fast 18 000 pro Tag. „Stolz sind wir dieses Jahr auf die Einführung unserer neu entwickelten Rindfleisch-Currywurst, die zu 100 Prozent aus Rindfleisch besteht. Auch diese Variante kommt bei unseren Beschäftigten gut an, insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen, die kein Schweinefleisch essen“, sagt VW-Gastro-Chef Greiner.
Der Currywurst dicht auf den Fersen waren gemäß VW-Charts „Frikadelle aus Schweine- und Rinderhack mit Kartoffeln“ sowie „Hähnchenbrustfilet im Knuspermantel“. Auf Platz vier landete „Hirtenrolle mit Pommes, Zaziki und Weißkrautsalat“, wobei es sich um mit Schafskäse gefüllten Hackbraten handelt. Auf Platz fünf schließlich „Alaska-Seelachsfilet mit Kartoffelstampf, Rahmspinat und Remoulade“. Allesamt Speisen, die grünen Ernährungswendern Schweißperlen auf die Stirn treiben.
Ist der vegane Trend schon wieder vorbei?
Trotzdem, so Greiner, seien bei der Belegschaft vegetarische und vegane Gerichte sehr beliebt. „Letztes Jahr hatten wir eine rein vegane Menülinie, die inzwischen um vegetarische Produkte erweitert und ergänzt wurde. Rein vegane Gerichte behalten weiterhin ihren festen Platz in unserem Angebot.“ Das klingt nicht besonders offensiv. Eher wie das Eingeständnis, dass man die fleischlosen Ladenhüter zumindest aus optischen Gründen noch eine Weile im Programm hält, während die VW-Currywurst bald auch im deutschen Lebensmittelhandel zu kaufen sein wird.
Es wäre vielleicht etwas verfrüht zu konstatieren, dass der vegane Trend schon wieder vorbei ist. Doch auch ein Lokalaugenschein in einem Brauereigasthof im lieblichen Tal der Schwarzen Laaber bei Regensburg in Niederbayern lässt keinen Zweifel daran, wonach zumindest die Gaumen jener Bevölkerungssegmente verlangen, die außerhalb der Wohnquartiere der Öko-Bourgeoisie in München-Schwabing, Hamburg-Ottensen oder Berlin-Prenzelberg leben und die große Mehrheit des Wahlvolkes repräsentieren.
Die riesigen Mengen an „Zwiebelrostbraten vom Jura-Roastbeef“ oder „Eichhofener Burger vom Bio-Weideochsen“, die schwitzende Kellner zu den fröhlich feiernden Gästen einer Geburtstagsgesellschaft trugen, waren jedenfalls eindrucksvoll. Jenen Menschen auf dem Land, denen J.D. Vance in seinem autobiografischen Buch „Hillbilly Elegie – Die Geschichte meiner Familie und eine Gesellschaft in der Krise“ ein literarisches Denkmal setzte. Kann es sein, dass doch ihnen und dem gesunden Menschenverstand die Zukunft gehört? Man wird noch hoffen dürfen.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.