Georg Etscheit / 19.10.2021 / 12:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 54 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Strammer Max

Wenn man die Maßstäbe militanter Frauenrechtlerinnen anlegt, hat der „Stramme Max“ schlechte Karten und könnte bald das Schicksal des von deutschen Speisekarten nahezu verschwundenen Zigeunerschnitzels teilen.

Beim „Strammen Max“ handelt es sich, grob gesagt, um ein mit Schinken belegtes Butterbrot, das mit einem darüber gebreiteten Spiegelei etwas reichhaltiger ausfällt. Es ist weniger eine vollständige Mahlzeit als ein schnell zubereiteter Appetithappen, gewissermaßen die deutsche Antwort auf den französischen Croque Madame, wobei man in Paris und anderen Großstädten mit linksgrüner Dominanz sicher längst auch einen Croque divers findet oder die Schaffung eines solchen von Genderkreisen zumindest vehement eingefordert wird.

Wenn man die Maßstäbe militanter Frauenrechtlerinnen anlegt, hat der „Stramme Max“ schlechte Karten und könnte bald das Schicksal des von deutschen Speisekarten nahezu verschwundenen Zigeunerschnitzels teilen. Der drollige Name soll sich nämlich von der sächsischen Bezeichnung für ein sich im Zustand fortgeschrittener Erregung befindliches männliches Geschlechtsmerkmal ableiten. Der Ausdruck sei, folgt man Wikipedia, um das Jahr 1920 von der Bedeutung „erigierter Penis“ auf das Brot übergesprungen, weil es sich um ein „besonders kräftigendes belegtes Brot“ handele. Andernorts im allwissenden Internet stößt man auf die weiterführende Erläuterung, wonach das Wort „Max“ für Penis im deutschen Sprachgebrauch ja auch in dem Kinderwort „Pipimax“ zu finden sei.

Ich halte das für etymologisch wenig stichhaltig, weil „Max“ im Wort „Pipimax“ wohl eher von „Matz“ kommt, dem Ausdruck für einen kleinen Jungen (vergleiche auch Piepmatz für ein Vögelchen). Der „Pipimax“ wäre also etwas Kleines, noch nicht voll Entwickeltes, während es sich beim „Strammen Max“ zwar um das gleiche Körperteil handelte, freilich in einem ganz anderen Entwicklungsstadium. Schon dieser semantische Widerspruch weckt erhebliche Zweifel an der angeblich potenzsteigernden Wirkung eines „Strammen Max“. Außerdem gibt es erheblich nahrhaftere beziehungsweise aphrodisierendere Gerichte als ein belegtes Butterbrot, selbst mit einem Spiegelei obenauf.

Zahllose Varianten der Zubereitung

Es gibt übrigens noch eine andere Geschichte von der Entstehung des „Strammen Max“. Sie handelt von einem Armee-Koch namens Maximilian. Dieser habe bei einer Lebensmittellieferung versehentlich zu viele Eier erhalten und kurzerhand seinen Soldaten ein besonders reichhaltiges Frühstück zubereitet. Die Potenz der Männer sei daraufhin dermaßen angeregt worden, dass sie dem weiblichen Geschlecht mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätten als ihren militärischen Aufgaben. Infolgedessen habe der Koch Maximilian bei seinen Vorgesetzten Rechenschaft ablegen und mehrere Stunden im Kasernenhof „stramm“ stehen müssen.

Ich denke, es wird noch einiges an Forschungseifer erfordern, die Herkunft des „Strammen Max“ letztgültig zu klären und die harmlose Speise hoffentlich vom Verdacht machohafter Frauenverachtung freisprechen zu können. Die Zubereitung eines „Strammen Max“ ist dagegen ein Kinderspiel, Pipifax sozusagen. Man muss nur eine Scheibe Grau- oder Mischbrot mit Butter bestreichen und anrösten, diese mit einer Scheibe rohen Schinkens belegen und schließlich das Ganze mit einem Spiegelei krönen.

Natürlich gibt es zahllose Varianten des deutschen Kneipen-Klassikers. In der DDR wurden statt des teuren Schinkens gebratene Speckwürfel verwendet. Im dekadenten Westen dagegen landen schon mal statt eines Hühnereis ein oder mehrere Wachteleier auf der Stulle. Der in Ghana geborene Fernsehkoch Nelson Müller ersetzt das ordinäre Spiegelei durch ein pochiertes Ei, dessen Zubereitung einiges an Übung erfordert. Natürlich nimmt Müller auch kein Mischbrot vom Discounter oder Pressschinken aus der Plastikpackung – hier sein „Strammer Max“-Rezept für vier Personen:

Vom „Strammen Max“ denkbar weit entfernt

6–8 Scheiben Sauerteigbrot
800 g gemischte Wurst (Lyoner, Salami, Bierschinken, vegane Wurst)
300 g Käse (Gouda, Emmentaler, Butterkäse)
4 Eier
2 kleine rote Zwiebeln
4 Gewürzgurken
100 ml Gemüsebrühe
100 ml Gurkenwasser
5 EL Rapsöl
2 EL Essig / weißer Balsamico
2 EL Senf (mittelscharf, süß)
Essig, Salz, Pfeffer

Wurst, Käse, rote Zwiebeln und Gewürzgurken in feine Streifen schneiden. Gurkenwasser, Gemüsebrühe, Rapsöl und Senf hinzugeben und Streifen marinieren. Brot in circa 1 cm breite Scheiben schneiden. Mit etwas Rapsöl in einer Pfanne anbraten. Für das pochierte Ei Wasser in einem Topf zum Kochen bringen, leicht salzen und 4–5 EL Essig hinzugeben. Das Ei in einer kleinen Schüssel aufschlagen. Im Topf mit einem Schneebesen einen Strudel erzeugen und das Ei aus der Schüssel in den Strudel geben. Das Wasser sollte nicht kochen. Wenn das Eiweiß sich nach 2–3 Minuten um das Eigelb gelegt hat, das pochierte Ei mit einer Schaumkelle herausnehmen. Den Wurstsalat und das pochierte Ei auf das Brot geben. Fertig.

Eine noch luxuriösere Version mit Kalbsfilet statt Pökelschinken und weißem Trüffel stammt von Dreisternekoch Christian Jürgens vom Restaurant „Überfahrt“ am Tegernsee. Vom ursprünglichen „Strammen Max“ ist man hier denkbar weit entfernt. Eigentlich gehört zu diesem Gericht auch eine anständige, zigarettenrauchgeschwängerte Kneipenatmosphäre. Doch seit die Cancel Culture allem, was Spaß macht, den Krieg erklärt hat, findet man solche Kneipen eigentlich nur noch in Schimanski-Tatorten.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Kerstin Behrens / 20.10.2021

Im Hafenklub Hamburg wird ein schlichtes Labskaus serviert, wobei tatsächlich bürokratische staatliche Verwaltungsangestellte aus dem Hamburger Rathaus in Form eines ehemaligen Labormediziners und deren Hilfskraft Fegebank schlicht nicht erwünscht sind. Dieses Personal darf sich gerne auf Kosten der arbeitenden Hamburger Bevölkerung austoben, denn nur diese wird der Budenzauber um die Ohren fliegen. Nix mit strammen Max und weiteren Rezepten oder Strom an jedem Baum zum Tanken. Allein das Wirrwarr der ganzen Kabel ist filmreif, oder möchten wir erstmal alle Bäume in Hamburg fällen, um Platz für Tanken für alle zu schaffen. Strom kommt bekanntlich aus der Steckdose, ist nicht wirklich neu!

Charles Brûler / 19.10.2021

Das Bild erinnert mich daran, dass ich ganz andere Ziele hatte, bevor ich zum Esser wurde

giesemann gerhard / 19.10.2021

@A. Smentek: Danke für den Hinweis. Ich meine nicht ALLES, was ich so schreibe so ganz ernst. Kontrapunkt: Die Kerle, die einschlägigen, kommen hierher und müssen erfahren: Wir sind hier die letzten Heuler und noch nicht mal die Weiber spuren. Um juristisch korrekt zu sein, füge ich “regelmäßig” hinzu, d.h., es gibt auch Ausnahmen. Das eigentlich Schlimme ist doch: Es kommen ... bloß Kerle, sodass die einheimischen Männer hier ... keine Chance haben, ... . Porca miseria.

Volker Kleinophorst / 19.10.2021

@ K. Behrens Also “Weiber und Koks” hört sich doch deutlich spannender an als “Auf einen Weizengras Shake mit Katrin Göring-Eckardt.” (Kleiner Scherz) Dazu kommt: Wir wollen doch die Ekstase, die Grenzüberschreitung, das Wilde, Verrückte, Einmalige. Hedonismus ist das Ideal. Alle gucken gerne “Hangover” oder ähnliche Partyfilme, wo man in einer Nacht mehr erlebt als die Meisten im ganzen Leben. Da wundert man sich. Einmal leben wie ein Rockstar hatte auf mich in jungen Jahren durchaus auch Attraktivität. Heute natürlich nur noch mit Leibarzt. ;) Kein Scherz. Koks, Aufputschmittel zählen bei Frauen ja zu den beliebteren Drogen. Denn der Nebeneffekt ist unschlagbar: Frau hat keinen Hunger. Eine Diätklinik zum Schnupfen. Der Ausdruck “Nuttendiesel” schlägt jetzt sogar noch den Bogen zum strammen Max.

Charles Brûler / 19.10.2021

Eine stramme Maxime ist da weniger hervorstechend. Eher als Anlasser zu gebrauchen. Männer und Frauen sind eben unterschiedlich. Und das macht den wirklichen Spaß aus.

Alexander Mazurek / 19.10.2021

Zur Sache: Männer können teilen und mehreren Frauen gerecht werden, je mehr davon, um so schwieriger, bis hoffnungslos, Versuch macht klug. Frauen bestehen auf ihrer absoluten Dominanz ... es gibt keine polyamoren Frauen und kann es auch keine geben, nie-mals. Fragt Alice S. Bei den Diversen bin ich mir nicht so sicher, entweder sind sie Mann oder Frau, dazwischen gibt’s nichts.

Volker Kleinophorst / 19.10.2021

Als durchaus in der Vulgärsprache bewandertem und Mitautor von “Humor in der Sprache des Bergbaus” ist mir Max als Kosename für Schwanz dann doch unbekannt. Ein Freund dazu: “Da hätten wir doch früher ewig dämlich drüber rumgealbert. Und die armen Schweine die Max hießen, die hätten ja jede Menge dumme Scherze ertragen müssen. Gib dem Pimmel mal ein Bier oder so.” Mit anderen Worten. Er erinnert sich auch nicht. Nur mal so am Rande. Allerdings hätte ja dann der böse Twitterer, der #pimmelgate auslöste, nur “Mach hier mal nicht den Max, Andy” schreiben müssen. Oder kommt bei “Mach nicht den Max” auch die Bullizei? Wissen die überhaupt, welche Ungeheuerlichkeit sich da verbirgt? PS.: Herrlich der Streisand-Effekt bei Grote. Den Pimmel wird er nie mehr los. Ich kannte den nicht wie so viele. Jetzt kennt ihn jeder. Hätte er mal nicht so den Max gemacht. Ganz davon ab, dass sein Verhalten vollkommen unangemessen vielleicht strafwürdig war.

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