Söders Polemik gegenüber Tofu ist unangebracht, weil es sich um ein gesundes, nahrhaftes und überaus vielseitiges Lebensmittel handelt, sofern man es nicht zu dämlichen, veganen Fleischersatzprodukten verarbeitet.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der mit den Schmutzeleien, ist immer gut für einen lockeren Spruch. Als er 2018 eine Sicherheitsoffensive fürs Bayernland verkündete und zu diesem Zweck in größeren bayerischen Städten Polizei-Reiterstaffeln aufstellen wollte, nannte er das die „Bayerische Kavallerie“. Der Boulevard gröhlte und verschaffte dem „Maggus“ (fränkisch für Markus) die gewünschte Publicity.
Regelmäßig präsentiert sich Söder unter dem Hashtag #söderisst auch mit allerlei Essbarem auf Instagram. Als er jüngst offenbar malade war und zum Frühstück nur einen verbrannten Toast und eine Tasse Tee konsumierte, wurde dieses Posting fast 17.000 Mal geliked. Das soll ihm erstmal einer nachmachen. Zu seinem Instagramauftritt gibt’s im CSU-Fanshop sogar ein Buch, für das der mutmaßlich CSU-nahe oberfränkische Sterne- und Fernsehkoch Alexander Herrmann 25 „Genussrezepte“ beisteuerte, „angelehnt an die Instagram-Posts des Herrn Ministerpräsidenten“.
Wenn er gerade nicht krank ist und auf Schonkost angewiesen, ist die Söder-Diät eher fleischlastig. Schon aus politischen Gründen, weil man sich ja zumindest in dieser Hinsicht von den Grünen und ihrem Veggie-Getue absetzen möchte, während die Christsozialen in manch anderer Hinsicht – Windkraft etwa – oft grüner sind als die Grünen.
Als Söder den neuen, von der CSU entsandten Bundeslandwirtschaftsminister Alois Reiner vorstellte, einen gelernten Fleischhauer, gabs natürlich wieder einen Spruch aus dem Mund vom Maggus: Die Zeit des „grün-Veganen Cem Özdemir“ sei abgelaufen, jetzt komme der schwarze Metzger, tönte Söder in einer Pressekonferenz, wobei nach vorliegenden Informationen Söder insofern daneben liegt, als Özdemir nicht vegan, sondern vegetarisch lebt.
Von Leberkäse halte ich wenig
Aber wenn man etwas im Bierzelt oder im Internet raushaut, kommt es auf solche Details ja nicht an. Gleich noch einer: Der neue Minister aus Bayern stehe für „Leberkäs statt Tofu-Tümelei“, stabreimte Söder. Gelernt ist gelernt, schließlich war Söder ja mal Journalist oder so etwas ähnliches.
Die ambulante Leberkässemmel ist ein bayerisches Nationalgericht, über das ich schon einmal geschrieben habe, wobei in Franken, Söders Heimat, die Bratwurstsemmel die Nase vorne hat auf der kulinarischen Beliebtheitsskala - das schräge Sprachbild könnte auch von Söder stammen. Die bayerischen bzw. fränkischen Ausformungen der ambulanten Küche, neudeutsch Streetfood, sind das Pendant zum norddeutschen Fischbrötchen, dem jüngst im Rahmen des alljährlich am ersten Samstag im Mai an der deutschen Ostseeküste begangenen „Weltfischbrötchentages“ gehuldigt wurde.
Von Leberkäse halte ich wenig, weil man nie genau weiß, was sich in der pastosen Fleischmasse alles verbirgt. Da halte ich es lieber mit Tofu, der nur aus Sojamilch und einem Gerinnungsmittel zur Ausfällung der in der Bohnenmilch enthaltenen Eiweißbestandteile besteht. Tofu ist die ostasiatische Version des Käses, weil in China, dem Ursprungsland des Tofus, bis in jüngste Zeit keine oder wenig Milch produziert und konsumiert wurde – die Mehrheit der Han-Chinesen weist eine Lactose-Intoleranz auf. In China heißt Tofu übrigens Doufu, Tofu ist die japanische Bezeichnung. Auf gut deutsch kann man auch „Bohnenquark“ sagen.
So gut wie kein spezifischer Geschmack
Ich halte Söders Polemik gegenüber Doufu/Tofu für unangebracht, weil es sich um ein gesundes, nahrhaftes und überaus vielseitiges Lebensmittel handelt, sofern man es nicht zu dämlichen, veganen Fleischersatzprodukten verarbeitet. Es gibt verschiedene Tofuarten, die sich allesamt weniger durch ihren Geschmack als ihre Textur unterscheiden. Seidentofu ist sehr weich und quarkähnlich, weil er viel Flüssigkeit enthält. Je stärker man Tofu durch Pressen entwässert, umso fester wird er. „Gefrorener“ und dann aufgetauter Tofu bildet durch die geschmolzenen Eiskristalle kleine Löcher im Teig und macht ihn besonders Käse ähnlich.
Mit Ausnahme des Räuchertofus hat Tofu so gut wie keinen spezifischen Geschmack. Er passt sich bestens an die Marinaden, Saucen und Gewürze an, mit den man ihn konfrontiert. Ein Chamäleon unter den Nahrungsmitteln, wenn man so will, und dann wieder sehr ähnlich dem flexiblen Markus, ein wahrer Meister, wenn es darum geht, blitzschnell seine Meinung an den sich wandelnden Zeitgeist anzupassen.
Eines der bekanntesten Tofugerichte aus China ist Mapo Tofu. Die Herkunft des Namens dieser südchinesischen Spezialität ist ebenso unappetitlich wie die Art und Weise, wie Söder in einen Döner beißt. „Mapo“ bedeutet im Chinesischen soviel wie „pockennarbige alte Frau“. Der Überlieferung nach erfand 1874 eine pockennarbige Frau Chen in Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan, das Rezept. Sie war die Frau von Chen Chunfu, Inhaber und Koch eines kleinen Restaurants namens Chen-Xingsheng-Gasthaus. In der Kulturrevolution wurde der Name von der Bewegung zur Zerstörung der „Vier alten Werte“ in „Mala doufu“ (feurig scharfes Gericht“) geändert.
Illegal eingewanderte „Spezialitätenköche“
Für Mapo Tofu wird mittelfester Seidentofu zusammen mit Rinderhack und Frühlingszwiebeln gebraten und mit Szechuanpfeffer sowie einer Paste namens Toban Djan aus fermentierten Bohnen und Chilischoten gewürzt. Die Ursprungsversion ist ausgesprochen scharf, man kann Mapo Tofu aber auch milder zubereiten oder in einer veganen Version mit Shitakepilzen statt Rinderhack.
So geht’s: 250 Gramm Schweinehack mit drei Esslöffeln Sojasauce und zwei Esslöffeln Reiswein vermengen und in einer Mischung aus Erdnuss- und Sesamöl kurz anbraten, eine Tasse gehackte Frühlingszwiebeln, einen Esslöffel gehackten Ingwer, einen Esslöffel gehackte, frische Chilis, zwei Esslöffel Bohnensauce (siehe oben), 500 Gramm gewürfelten Tofu und 125 ml Hühnerbrühe zugeben. Mit etwas Stärke andicken und mit Szechuanpfeffer (auch Sichuanpfeffer) würzen. Dazu Reis, was sonst.
Wer sich die fast unerschöpfliche Welt des Tofus und seiner Zubereitung erschließen möchte, sollte sich mit entsprechender Literatur beschäftigen. Am besten, man lässt sich von chinesischen Freunden anlernen. Leider hat das, was hierzulande in den meisten asiatischen Restaurants und Garküchen serviert wird, wenig mit der einzigartigen Küche Chinas gemein. Kein Wunder, wenn statt echter Meister ihres Fachs womöglich illegal eingewanderte „Spezialitätenköche“ am Wok stehen.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.