Georg Etscheit / 15.01.2023 / 12:00 / Foto: Pimpinellus / 19 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Schäufele

Die fränkische Antwort auf den meist arg verbrutzelten bayerischen Oktoberfestbraten heißt Schäufele und stammt aus der Schweineschulter. 

Die Franken sind ein genussfreudiges Völkchen. Und sie schätzen es nicht, unter die Bayern subsumiert zu werden, schon gar nicht unter die Oberbayern, deren Kultur in der ganzen Welt für „typisch bayerisch“ oder gar „typisch deutsch“ gehalten wird. Schon die Unterschiede zwischen Ober-, Niederbayern und Oberpfälzern sind beträchtlich und von Zugezogenen oder Touristen kaum zu ermessen.

Zwischen Franken und Bayern indes liegen Welten, nicht zuletzt kulinarisch. So ist die in Oberbayern überaus beliebte Schweinshaxe in Franken kaum bekannt. Die fränkische Antwort auf den meist arg verbrutzelten Oktoberfestbraten heißt: Schäufele. Das Fleisch für ein Schäufele stammt von der Schulter, eindeutig das feinere Stück. Lange nicht so fettreich und schön durchwachsen, wird es butterweich, wenn man es, mit Salz, Pfeffer und Kümmel gewürzt, zusammen mit gewürfeltem Wurzelgemüse, Fleischbrühe und vielleicht etwas (dunklem) Bier – helles Bier oder gar Pils ist wegen der dominanten Bitternote nicht zu empfehlen – lange genug im Ofen geschmort hat, also etwa zwei bis drei Stunden. 

Wer außerhalb des besagten fränkischen Raums lebt, sollte sich ein Schäufele beim Metzger vorbestellen. Der muss nämlich das Schulterblatt, so erläutert es Alfons Schuhbeck in seinem Kochbuch „Bayerische (!) Hausmannskost für Feinschmecker“, mit der Säge schneiden. Beim „fränkischen Schnitt“ wird nur der obere Teil der Schweineschulter verwendet, in dem das Schulterblatt steckt. Dies wird der Länge nach mitsamt dem Knochen in etwa zehn Zentimeter dicke Scheiben geschnitten – die Schwarte bleibt dran. 

Auf Özdemirs Abschussliste?

Die Haut eines Schäufeles sollte nach dem Braten knusprig und goldbraun sein, hier gibt es eine Parallele zur Schweinshaxe, deren Schwarte jedoch viel kompakter und, vor allem nach mangelhafter Zubereitung, nur mit einer Säge zu behandeln ist. Außerdem benötigt man zwingend ein Päckchen Zahnstocher, um hernach die Fasern und Flachsen wieder aus den Zähnen zu bekommen. Das Beste an einem Schäufele ist für Kenner das besonders zarte Fleisch an der Unterseite des Knochens, auch Pfaffenstück genannt, weil der Herr Pfarrer einst nicht ständig gemobbt wurde wie heute, sondern zu den unbedingten Respektspersonen zählte, denen besondere Ehrerbietung zuteil wurde.  

Der Name des Schäufeles rührt von seiner Form her, dem schaufelförmigen Schulterblatt. Das fränkische Schäufele wird immer am Knochen gebraten, während badisches Schäufele ohne Knochen daherkommt und dazu noch, ähnlich einem Kasseler, gepökelt (und geräuchert) ist und auch nicht gebraten, sondern gekocht wird. Fränkisches Schäufele serviert man traditionell mit Klößen und Kohl – Sauerkraut, Rotkraut, Wirsing, den badischen Kollegen mit Kartoffelsalat oder Kartoffelpüree, in Südbaden angeblich auch mit Feldsalat, der hier eine (Freiland-)Qualität erreicht wie sonst nirgendwo in Deutschland. 

Das Verbreitungsgebiet des fränkischen Schäufele ist nicht besonders groß und beschränkt sich auf ein Gebiet, das im Süden bis Weißenburg in Mittelfranken reicht und sich über Nürnberg und Fürth bis hinauf nach Bamberg, Bayreuth und Coburg in Oberfranken zieht. Hier findet man es auf fast jeder Speisekarte – noch, muss man wohl sagen, wenn man die jüngste Warnung des bayerischen Bauernpräsidenten Günther Felßner ernst nimmt, der jüngst davor warnte, dass angesichts der grünen Fleischverzichtspolitik des vegetarischen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir auch das Schäufele auf der Abschussliste stehe und, wenn überhaupt, bald wohl „aus Spanien“ komme. 

Warum gerade aus Spanien, ist der betreffenden Meldung nicht zu entnehmen. Auf jeden Fall warf sich Felßner vehement für die Schweinehalter in die Bresche. Binnen zehn Jahren habe schon die Hälfte der Schweinemastbetriebe in Bayern aufgegeben. Wenn dies so weitergehe, sei auch das Schäufele „gefährdet“.

Grüner Kreuzzug gegen den Genuss

Nun, so schlimm wird es vielleicht nicht kommen und gegen eine gewisse Reduzierung des Fleischkonsums dürfte wenig einzuwenden sein. Doch darum geht es den Grünen nicht bei ihrem Kreuzzug gegen den Genuss – alles, was das Leben schön und angenehm macht. Es geht darum, den Menschen ein anderes Denken und einen anderen Lebenswandel zu oktroyieren, den nämlich von gramgebeugten Lastenradfahrern, die sich ihrer Schuld am drohenden Klimakollaps stets bewusst sind und bereitwillig die von arabischen Klimaflüchtlingen betriebenen Falafelbuden frequentieren oder im Supermarkt-Container nach weggeworfenen Lebensmitteln wühlen.  

Da seien die Franken vor und ihr von den berühmten sechs fränkischen Reichsstädten – Nürnberg, Rothenburg ob der Tauber, Windsheim, Schweinfurth, Weißenburg und Dinkelsbühl – geprägter Bürgersinn. Was das Schäufele betrifft, hat der sich schon in der Gründung des Vereins der „Freunde des Fränkischen Schäufele“ manifestiert, der in Nürnberg seit 2006 die „Schäufelewärtschaft“ betreibt.

Hier kann man Herrn Özdemir und den Grünen heimleuchten, etwa bei einem „Ofenfrischen Schäufele mit Kloß und Soß“, wahlweise auch als kleine Portion für „Bleistiftspitzer“ (vulgo Bürohengste), einer „Schäufelesülze mit Bratkartoffeln und Gewürzgurke“, einem „Schäufelesalat“ nach Art des Hauses oder „Schäufelestreifen mit Käse, Ei und gemischtem Salat“. Dazu ein Schoppen Sylvaner vom Volkacher Kirchberg oder ein Fassbier von der Klosterbrauerei Weißenohe, wobei man lernt, dass Franken die Region mit der größten Brauereidichte in Deutschland ist. Eine Vielfalt, die leider ebenfalls bedroht ist, diesmal unter anderem durch die kostentreibende grüne Energiepolitik, die schon manche Landbrauerei in die Pleite getrieben hat.

 

Georg Etscheit schreibt jetzt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mitgegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

 

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Wolfgang Feldhus / 15.01.2023

Zuerst mal das Photo zum Artikel. Es ist eine grauslige gegrillte Schwarte, die saichlig nach verbrannter Haut schmeckt. Dann die Spanien- Anspielung mit dem Importfleisch. Natürlich die fake Estremaduraschweine aus der Eichelmast. Dann auch das Pfaffenstück vom Schäufele kannte ich bis dato nur von der Ente oder Gans, aber klüger werde ich immer gerne. Da die Franggn aber Lutterer sind , könnte das Pastor*I*nnenstück gemeint gewesen sein. Obwohl ,  so eine Dame würde ich nie als Comensal*I*n einladen. Ich würde spanisch beim Schweinderl Segreto dazu sagen. Und eine knusprige Schwarte ist durch nichts zu toppen. Da können Dreisterner noch soviel Schäumchen auf den Teller spritzen. Diese krachende Schwarte gibt es aber nur im Bräter bei Unter/ Oberhitze im Backrohr.

Franck Royale / 15.01.2023

Und wenn man dann das Schäufele als Bückware und/oder Grauimport aus Spanien erstanden hat, wartet in naher Zukunft die nächste Herausforderung: etwas “zwei bis drei Stunden” im Ofen schmoren, dürfte - wenn es die Energieversorgung und -rationierung überhaupt noch hergibt - im Klimasozialismus mit harten Strafen belegt werden. Wer seinen Kindern und Enkeln etwas Gutes tun möchte, lagert irgendwo einen alten Ofen ein, den man autark mit Gas/Holz/Kohle betreiben kann. Plus natürlich entsprechende Energievorräte.

Jürgen Fischer / 15.01.2023

@Dietmar Blum, „Weiß ein Grünfutterfresser wie Özdemir eigentlich, was Genuß ist?“ Selbstverständlich, er will ihn ja nur anderen verbieten, nicht sich selbst und seinesgleichen.

Frank Mora / 15.01.2023

Es gibt noch eine Steigerungsmöglichkeit. Schweinshaxe auf fränkische Art. Hat mit dem gepökelten, stundenlang gekochten Berliner Eisbein oder der gegrillten (ober)bayerischen Schweinshaxe, für deren Kruste dereinst ein Küchengerät erfunden werden mußte, welches Andernorts als Geflügelschere für den Gänsebraten zu ( nicht an) Weihnachten Verwendung findet. Zurück zur fränkischen Schweinshaxe. In einer Bratenpfanne mit Wurzelwerk, Schwarzbier mehrere Stunden im Ofen geschmort. Am Knochen. Butterweich. Die sehr dunkle Hautkruste kann man mitessen. Vorteilhaft eine Hose mit Stretchanteil. Dazu muß Kloß und kann Kraut seviert werden. Schon wegen der himmlischen Sauce. Garnitur mit Grünzeug wie Petersilie, Kresse oder grünen Blättern geht garnicht. Tip: Gute Grundlage zum Überstehen des Kulmbacher Bierfestes in allen 4 Ecken des Marktplatzgroßen Festzeltes.

Dietmar Richard Wagner / 15.01.2023

Ein leidenschaftlicher Artikel für ein Stück Fleischgenuss! Der hungrige Leser sei ergänzend darauf hingewiesen, dass die Schreibweise regional dialektangepasst unterschiedlich sein kann: Schäufele, Schäuferla, Schäuferle, Schäufala, ... (ohne Gewähr und Vollständigkeit).

Christian Ha Gruner / 15.01.2023

Neben dem “Oberbayern-Bashing” (sorry, es gibt ausnahmsweise kein so gut passendes deutsches Wort) stößt mir auch die unterschwellige Kritik an Baden Württemberg auf (stimmen tut allerdings ein Detail, wenn es dort wirklich immer nur gepökeltes Schäufele gibt wie behauptet), es schein mir das Franken-Loblied allzu pauschal (obwohl ich dort geboren bin). Zitat: “Dazu ein Schoppen Sylvaner…”. Zu recht hat in dem zu unrecht gescholtenen Nachbar-Bundesland der Ösi-Veltliner dem fränkischen Silvaner den Rang abgelaufen, und im Bereich Baden, Württemberg und weiter der Pfalz gibt es Weine (Riesling, Weißburgunder, ...) mit denen der altväterlich-betuliche Silvaner fast nie mithalten kann. Also bitte etwas weniger Regionalstolz, das hat Franken gar nicht nötig.

A.Schröder / 15.01.2023

Die Grünen kann man auf allem Ebenen, auf den sie sich äußern und handeln, entlarven. Das “grün” ist nur eine Alibifunktion, stattdessen Selbstbereicherung, Menschenverachtung, Kriegslust und Machtbesessenheit.

Franz Klar / 15.01.2023

Da die Küche des alten weißen Auslaufmodells wohl kaum jemals vegan , halal oder kosher sein wird , ist sie dem Untergang geweiht . Gastronomie dieses Schlages ist daher schon weitgehend eliminiert . Tempi passati ....

Dietmar Blum / 15.01.2023

Weiß ein Grünfutterfresser wie Özdemir eigentlich, was Genuß ist?

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