Da die Politik jetzt auch Fett auf den Index unerwünschter Zutaten setzt, werde ich hier jenen Speisen ein Forum geben, für deren Herstellung große Mengen an (heißem) Fett oder Öl unerlässlich sind. Heute: Kartoffelpuffer.
Die Grünen können es nicht lassen. Immer versuchen sie, anderen Menschen, ja ganzen Völkern ihren Lebensstil aufzuzwingen. Wenn ein gewisser Herr Özdemir kein Fleisch essen will, ist das seine Sache. Doch warum lässt er andere Menschen nicht einfach das essen (und trinken), was sie wollen? Zum Beispiel die unglücklichen Beschäftigten des von ihm geleiteten Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin. Die sollen jetzt in der hauseigenen Cafeteria nach und nach auf vegetarische oder sogar vegane Ernährung umgestellt werden, ganz nach den Vorstellungen des sich fleischlos ernährenden Hausherren.
In einer dankenswerterweise von der Bild-Zeitung veröffentlichten Neuausschreibung der Position des Kantinenwirts wird eine „schrittweise Reduzierung des Angebots an Mittagsgerichten mit Fleisch-/Wurstwaren“ verordnet. Stattdessen soll es mehr Essen mit Hülsenfrüchten, Nüssen und Ölsaaten geben. Die verarbeiteten Lebensmittel sollen zu mindestens 30 Prozent aus biologischer Landwirtschaft stammen. Zudem soll mindestens ein Tagesgericht „in ovo-lacto-vegetarischer Form“ angeboten werden. „Die Milch und Ei enthaltenden Komponenten sind dabei nach Möglichkeit getrennt anzubieten, um lactovegetarische bzw. vegane Varianten zu ermöglichen.“
Damit nicht genug. Auch Fett wird auf den Index unerwünschter Zutaten gesetzt. O-Ton der Ausschreibung: „Frittierte und/oder panierte Produkte dürfen maximal zweimal in fünf Verpflegungstagen angeboten werden.“ Wurst soll höchstens zwanzig Prozent Fett enthalten dürfen, Frischkäsezubereitungen sollen in Magerstufe angeboten werden. Von Insekten ist (noch) keine Rede. Aber man will „die Menschen“ im Jargon der Politiker, schließlich „mitnehmen“ auf dem Weg ins grüne Paradies. Und da soll man nichts überstürzen. Sonst könnte es ja sein, dass schon bald wieder ein gottverdammter Carnivore das Sagen hat im Ernährungsministerium.
Die Dinger saugen das Fett auf wie nichts
Ich möchte jetzt in unregelmäßigen Abständen in dieser Kolumne jenen Speisen ein Forum geben, für deren Herstellung große Mengen an (heißem) Fett oder Öl unerlässlich ist, damit sich Herrn Özdemirs Untergebene wenigstens zuhause mit dem versorgen können, was wirklich schmeckt. Jedenfalls so lange, bis die Polizei vor der Türe steht und alles beschlagnahmt, was der „Ernährungs“- und „Agrarwende“ entgegensteht, namentlich Fritteusen oder hohe Pfannen. Die sind zweckdienlich etwa für unwiderstehliche Kartoffelzubereitungen wie Pommes Frites, Kartoffelkroketten, Kartoffelkissen oder Reibekuchen. Das wissen schon Kinder mit ihrem unverbildeten Geschmacksempfinden und ihrem untrüglichen Gespür für die Delikatesse von Acrylamiden.
Eine meiner Großmütter stammte aus dem Rheinland. Ihr Vater war ein Industrieller, der, soweit ich mich erinnern kann, metallene Brückenteile für den Eisenbahnbau produzierte und in der Gründerzeit zu Wohlstand gelangt war. Sie war, wie die meisten Großmütter dieser Generation, eine routinierte Hauswirtschafterin und gute Köchin. Bis heute unerreicht war ihre Erdbeermarmelade und ihr Zwetschgenkuchen. Nicht zu vergessen ihre Kartoffelpuffer, die auf einem alten Gasherd gebacken wurden. Der stand in dem gleichen Raum, wo sie schlief. Nicht dass sie arm gewesen wäre – aber die Ansprüche waren damals eben noch sehr bescheiden, selbst wenn man aus besseren Verhältnissen stammte.
Kartoffelpuffer, auch Reibekuchen oder (in Bayern) Reiberdatschi genannt, sind ein Suchtmittel erster Wahl, allerdings nur dann, wenn sie aus frischen Kartoffeln zubereitet und ganz kross in möglichst viel Butterschmalz oder Bratöl herausgebacken werden. „Mehr Fett“, sagte meine Großmutter immer, wenn sie, assistiert von gierigen Enkeln, vor dem Herd stand und eine Schöpfkelle nach der anderen in die gefährlich zischende und dampfende Pfanne gab. Der Teig enthält neben den geriebenen (und mit Hilfe eines Küchentuches ausgedrückten) halbfest kochenden Kartoffeln auch etwas Zwiebel sowie Mehl und Eier zu Bindung. Gewürzt wird nur mit Pfeffer und Salz. Die Dinger saugen das Fett auf wie nichts. Deswegen schmecken sie ja so gut. Allerdings sollte man es auch nicht übertreiben und sie vor dem Verzehr auf Küchenkrepp abtropfen lassen.
Rohe Kartoffeln zu reiben macht Arbeit und die Backerei von zwei oder drei Dutzenden der Küchlein auch, wobei man in Kauf nehmen muss, dass nachher die Küche mindestens eine Woche lang zumindest als Aufenthaltsraum im Sinne einer Wohnküche ausfällt. Wie meine Großmutter in diesem Gestank schlafen konnte, ist mir bis heute ein Rätsel. Doch den Enkeln wurde jedes Opfer gebracht. Ihre Gegenwehr war jedenfalls nur schwach, wenn wir Kinder wieder einmal nach Kartoffelpuffern verlangten.
Unerlässliche Beilage: Rheinisches Apfelkraut
Unerlässliche (und einzige) Beilage zu den Kartoffelpuffern war Rheinisches Apfelkraut. Mit Sauerkraut hat ein Apfelkraut nichts zu tun, es handelt sich dabei nämlich um durch langes Kochen eingedickten Apfel und/oder Birnensaft, der schließlich eine schwärzliche Farbe annimmt und sehr süß schmeckt, wobei die Zuckrigkeit von der Säure der verarbeiteten Früchte auf angenehme Art konterkariert wird. Eine ideale, beinahe schon erfrischende Beilage zu den fettigen Küchlein. Apfelkompott oder Apfelbrei dagegen halte ich für weniger geeignet, weil sie den Puffern die Knusprigkeit nehmen. Natürlich kann man aus Reibekuchen auch eine pikante Speise machen, etwa, indem man sie zusammen mit Räucherlachs serviert, wobei sie dann streng genommen selbst nicht mehr die Hauptrolle spielen.
Also doch besser Apfelkraut: Lange Zeit gab es die Paste, die man als Marmeladenersatz auch auf Rheinisches Schwarzbrot streichen kann, in einer aufwendig verzierten Blechdose zu kaufen, hergestellt von der Firma Appel Feinkost. Appel war, wenn man den Quellen vertraut, das erste Feinkostunternehmen in Deutschland und bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs auch das größte. Produziert wurden (und werden) unter der Marke mit dem Hummer-Logo vor allem Fischkonserven.
Im Zuge einer Sortimentsbereinigung – das Unternehmen wechselte mehrfach den Besitzer und befindet sich heute in den Händen eines Finanzinvestors – flog das Apfelkraut aus dem Produktportfolio. Die Dosen gibt’s heute nur noch bei Ebay. Zum Glück war Appel nicht der einzige Anbieter, und kleinere Hersteller bieten es auch in Bioqualität und ohne Zuckerzusatz an.
Da wird sich Herr Özdemir ganz toll freuen, bestimmt.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.