Pulsnitz liegt am Ufer des gleichnamigen Flüsschens, das einmal die Grenze zwischen dem Kurfürstentum Sachsen und dem Königreich Böhmen war – bekannt ist es insbesondere für seine Pfefferkuchen.
Etwa zwanzig Kilometer nordöstlich von Dresden am Rand der Oberlausitz liegt das kleine Städtchen Pulsnitz. Hier verstehen sich die Menschen auf ein Jahrhunderte altes Handwerk, die Herstellung von Pfefferkuchen, und wenn alle Welt immer nur von Nürnberger Lebkuchen spricht, wenn es um das würzige Weihnachtsgebäck geht, dann ärgert das die Pulsnitzer immer etwas, verständlicherweise.
Erstens sind Pulsnitzer Pfefferkuchen mit ihren Nürnberger Pendants, den Elisenlebkuchen zumindest, in Textur und Geschmack kaum zu vergleichen. Zweitens heißen sie Pfefferkuchen und nicht Lebkuchen und, drittens, gibt es sie in Pulsnitz das ganze Jahr über und nicht als typisches Saisongebäck wie in der Frankenmetropole. Das sollten der Unterschiede genug sein, um dem Stolz der Pulsnitzer auf ihr ureigenes Gebäck Respekt zu zollen.
Pulsnitz liegt am Ufer des gleichnamigen Flüsschens, das einmal die Grenze zwischen dem Kurfürstentum Sachsen und dem Königreich Böhmen war. Der Ort hat gut 7000 Einwohner, ein hübsches Kirchlein, einen adretten Marktplatz, außerdem zwei Reha-Kliniken, acht alt eingesessene „Pfefferküchlereien“ sowie eine Lebkuchenfabrik. Für die Bürger der verflossenen DDR war Pulsnitz die Urheimat des Lebkuchens und leider oft unerfüllte Verheißung, denn „Pulsnitzer“ waren Mangelware, wie vieles im „Arbeiter- und Bauernstaat“.
Im Jahre 1558 erstmals urkundlich erwähnt
Einer der bekanntesten Pfefferküchlereien ist die Firma E. C. Groschky. Im Verkaufsraum ist der Lebkuchengeruch betörend intensiv. Hier stapeln sich hausgemachte Süßigkeiten: Schlichte Papiertüten mit „Spitzkuchen“, gefüllt und ungefüllt und mit Schokolade überzogen, runde oder längliche Lebkuchen, mal mit Schokoladenüberzug, mal mit weißer Zuckerglasur, mal mit Nusstückchen bestreut, außerdem Erdbeerschnitten, Makronen, Lebkuchenherzen sowie hübsche Pappschachteln mit „Rietschelkuchen“, der Premiummarke des Hauses.
Ernst Rietschel, Bildhauer und Schöpfer des Goethe-Schiller-Denkmals in Weimar, ist der größte Sohn der kleinen Stadt. Nach ihm sind die besonders dünnen, mit feiner Bitterschokolade überzogenen Pfefferkuchenschnitten („nicht so süß!“) von Groschky benannt. Im Vergleich zu den meist sehr gehaltvollen und sehr süßen Nürnberger Elisenlebkuchen kann man dieses so unscheinbare wie delikate Gebäck fast puristisch nennen.
Im Jahre 1558 wurde die Pfefferkuchenbäckerei in einem Privileg der Grundherren zu Pulsnitz erstmals urkundlich erwähnt: „… und soll ein Jeder meister so Viel Rockens (Brot) packen, als die gemeine Notdurfft erfordert, Deßglichen Pfefferkuchen...“. Pfeffer war damals das Synonym für fremdländische Gewürze aller Art und die Pfefferkuchenherstellung noch in den Backstuben der Brotbäcker zu finden.
Keine schlechten Kopien
Im 19. Jahrhundert löste sich das Gewerbe von den Bäckern und gewann jene Eigenständigkeit, die die Pulsnitzer Pfefferküchler in Zeiten des SED-Regimes mühsam verteidigten. Andernorts war das Handwerk der Lebkuchenbäcker, auch Lebzelter genannt, eng mit dem der Kerzenmacher liiert, weil neben Gewürzen Jahrhunderte lang eine unabdingbare Zutat der Honig war - Rüben- oder Rohrzucker als Süßungsmittel kamen erst im Industriezeitalter auf. Das Wachs der Waben wurde dann gleich zu Kerzen gezogen und zusammen mit Lebkuchen und oft auch Met, Honigwein, verkauft.
Die älteste noch bestehenden Pfefferküchlerei in Pulsnitz ist der 1813 gegründete Betrieb Hermann Löschner. Hier kann man sich ansehen, wie der zähe Lagerteig aus Weizen- und Roggenmehl, Zuckersirup und Bienenhonig mindestens drei Monate in großen Holzkisten und Bottichen lagert, bis er „gebrochen“ und zuweilen noch mit anderen Teigchargen verschnitten wird. Erst kurz vor dem Backen werden Gewürze wie Zimt, Kardamon, Macis, Muskat, Koriander, Fenchel und Anis untergeknetet.
Jeder Pfefferküchler hat sein eigenes, über Jahrhunderte tradiertes und gehütetes Rezept. Das Ergebnis ist immer ein eher zähes Gebäck mit „Biß“ und einem unmodern-markanten Geschmack. Nicht so stromlinienförmig, so softig-geschmacksgestylt wie manches Weihnachtsgebäck westdeutscher Provenienz. Leider sind Pulsnitzer Pfefferkuchen außerhalb von Sachsen so gut wie unbekannt, was andererseits ein Garant dafür ist, dass es keine schlechten Kopien gibt wie bei den allbekannten Elisenlebkuchen.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.