Prosecco ist in den USA der meistverkaufte italienische Wein. Er gilt als Inbegriff italienischer Lebensfreude.
Spätestens seit Goethes noch beschwerlich per Kutsche absolvierter „Italienischer Reise“ ist die Begeisterung für dieses in seiner Gesamtheit immer noch schöne Land den Deutschen in die Gene graviert. Daran können auch die unentwegten Berichte in der woken Presse nichts ändern, nach denen in Rom in Gestalt der Regierung von Georgia Meloni und Matteo Salvini wieder leibhaftige Faschisten am Ruder sind.
Nur allzu gerne sehen die Deutschen auch darüber hinweg, dass die italienische Küche zumindest hierzulande eine oft miserable Figur macht. Eine Pizza zu finden, die nicht matschig oder verbrannt daherkommt, ist trotz Überfülle entsprechender Offerten kaum möglich.
Und viele sogenannte Edelitaliener scheuen sich nicht, für einen Teller Nudeln mit Sauce oder ein Stück gegrillten Fleisches oder Fisches (ohne Sauce) Phantasiepreise zu berechnen.
Attraktiv bei „lazy housewifes“
Wer Pizza & Pasta liebt, und dafür gibt es gute Gründe, sollte sie selbst zubereiten. Das ist billiger und schmeckt in der Regel besser. Die italienische Küche ist in erster Linie eine „cucina povera“, eine Armeleuteküche, keine Hofküche wie in Frankreich. Sie funktioniert nach dem Baukastenprinzip und meist ohne aufwändig herzustellende Saucen und Beilagen. Das macht sie so attraktiv bei „lazy housewifes“, die ihre staatlich finanzierte Elternzeit nicht am bösen Kochherd verbringen wollen.
Nichts einfacher, als einen guten Tomaten- oder Fleischsugo herzustellen oder eine leckere Lasagne, wobei eine „Vincisgrassi“ schon vergleichsweise komplex ist. Neben der unabdingbaren Béchamelsauce braucht man dafür ein Ragù aus Lammhack, Innereien wie Bries und Hühnerleber, Speck und Pilzen, das mit einer Dosis Zimt fast mittelalterlich gewürzt ist.
Schmeckt sensationell, auch wenn Kinder und Innereienhasser die klassische Variante mit gemischtem Hack und Tomaten bevorzugen dürften.
Der etwas exotische Nudelauflauf wurde angeblich nach dem österreichischen Feldmarschall Alfred I. zu Windisch-Graetz benannt. Der habe sich während der Napoleonischen Kriege mit seinen Truppen vor Ancona aufgehalten. Der Erzählung nach sei der Feldherr von der typisch-traditionellen Speise so begeistert gewesen, dass sie fürderhin seinen Namen trug.
Umsatzanteil von fast 40 Prozent
Eine andere Geschichte bezieht sich auf das Ende des 18. Jahrhunderts erschienene Kochbuch eines Kochs aus Macerata in den Marken, in dem das Rezept für „princisgras” aufgeführt war, übersetzt „das Fett der Prinzessin”. Klingt nicht so vornehm wie die erste Version, könnte aber der Wahrheit vielleicht sogar näherkommen, weil sich die Frage stellt, warum ein traditionelles Gericht nach dem Angehörigen einer Invasionsarmee benannt worden sein soll.
Mit etymologischen Herleitungen ist das immer so eine Sache. Das gilt auch für den Prosecco, der nichts mit „secco“ für „trocken“ zu tun hat, zumal es sich meist um eine süßliche Plörre handelt. Die Bezeichnung leitet sich wohl von dem Namen des Dorfes Prosecco (slowenisch: Prosek) bei Triest ab, wo der Ursprung des prickelnden Getränks vermutet wird. Prosek bezeichnet im Slawischen nichts weiter als eine „abgeholzte Fläche“, eine Rodungsinsel.
Gerade war zu lesen, dass sich US-amerikanische Weinhändler aus Angst vor Trumps Importzöllen mit Schaumwein aus Italien eingedeckt haben. Prosecco ist demnach in den USA mit einem Umsatzanteil von fast 40 Prozent der meistverkaufte italienische Wein. Diese Nachricht stimmt nachdenklich, nicht, weil hier der Gottseibeiuns aller Linken und Woken dieser Welt am Werk wäre, sondern weil Prosecco offenbar und auch bei den Deutschen Inbegriff italienischer Lebensfreude zu sein scheint.
Oft als Cocktail serviert
Dabei ist Prosecco vor allem ein gutes Geschäft. Der beliebteste und bekannteste italienische Schaumwein kommt aus einer Region, die von Venetien bis an die slowenische Grenze reicht. Grundlage ist die autochthone Glera-Traube, der in geringem Umfang weitere regionale oder auch internationale Traubensorten beigemischt werden dürfen. Erst 2023 meldete die Appellation Prosecco DOC mit 683,5 Millionen Flaschen im Gesamtwert von mehr als drei Milliarden Euro einen Rekordabsatz.
Prosecco wird in der Regel in effizienter Tankgärung produziert; bei ganz einfachen Qualitäten kann die Kohlensäure auch künstlich zugesetzt werden. In jedem Fall verzichtet man auf längeren Hefekontakt, was Prosecci schlecht altern lässt. Sie entwickeln auch nicht jene komplexen Aromen, die für gereifte Champagner typisch sind. Weil ein Prosecco oft als Cocktail serviert wird, etwa als Aperol Spritz, fällt die fruchtige Banalität seines Geschmacks nicht ins Gewicht.
Natürlich gibt es mittlerweile auch Premium-Qualitäten aus Flaschengärung, wobei besonders Kreszenzen aus den steileren Lagen in Valdobbiadene und Asolo einen vergleichsweise guten Ruf genießen. Doch ein ehrlicher deutscher Winzersekt oder ein französischer Cremant toppen einen Prosecco allemal. Den offenbar unwiderstehlichen Touch italienischer Lebensart können sie nicht bieten.
Georg Etscheit schreibt jetzt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.