Georg Etscheit / 16.03.2025 / 12:00 / Foto: Montage achgut.com / 10 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Potthucke

In gastronomischer Hinsicht gibt es bedeutendere Landstriche als das Sauerland. Auch Friedrich Merz scheint in seiner Heimat nicht sein Lieblingsgericht gefunden zu haben.

Das Sauerland ist eine hügelige und waldreiche Region im Nordosten von Nordrhein-Westfalen, bekannt vor allem durch ihre zahlreichen Stauseen, mit denen das angrenzende Ruhrgebiet mit Wasser versorgt wird. Wassersportler aus den Ballungszentren an Rhein und Ruhr tummeln sich hier an jedem einigermaßen schönen Wochenende zusammen mit zahlreichen Niederländern, für die die bis zu 843 Meter aufragenden Berge des Sauerlandes das Nonplusultra morphologischer Extravaganz darstellen. „Richtige“ Berge und wirklich erwähnenswerte Wasserflächen, die stolzen Sauerländer mögen mir verzeihen, sind allerdings ziemlich weit weg. Und auch in gastronomischer Hinsicht, ich bitte nochmals um Nachsicht, gibt es bedeutendere Landstriche.

Die Kulinarik des Sauerlandes dreht sich in erster Linie um Kartoffeln, Kohl und Fleisch und gilt, wie überhaupt die westfälische Küche, als einfach und deftig. Edel-Sauerländer wie der CDU-Vorsitzende und Möchtegern-Bundeskanzler Friedrich Merz frönen denn auch anderen Genüssen als Potthucke, Pickert, Schlodderkappes oder Sauerkraut mit Schüsskes und Öhrkes. Wie einmal Merzens Gattin Charlotte enthüllte, gönne sich ihr Mann am liebsten Spaghetti „Frutti di Mare“. „Das ist sein Lieblingsgericht und schmeckt auch mir gut“.

Nun ist gegen Spaghetti „Frutti di Mare“ als Alternative zu Sauerkraut mit gepökelten Schweineschnäuzchen und -öhrchen nichts einzuwenden, vor allem dann nicht, wenn man gerade auf Urlaub in Italien weilt oder zu Hause frisches Meeresgetier zur Hand hat: Garnelen, Miesmuscheln, Vongole, kleine Tintenfische, nebst aromatischen Tomaten und gutem Olivenöl versteht sich. In Berlin dürfte es damit keine Beschaffungsprobleme geben, während man in den Mittelstädten des Sauerlandes wie Lüdenscheid, Meschede, Iserlohn oder Brilon, Merzens Heimatkommune, eher auf Tiefkühlware zurückgreifen muss.

Falls es Merz ins Bundeskanzleramt schafft, könnte er sich die benötigten Meeresfrüchte knackfrisch von der Flugbereitschaft der Bundeswehr einfliegen lassen. Irgendwann wird sich das geplante Billionen-Sondervermögen doch wohl positiv auf deren Flugtüchtigkeit auszuwirken beginnen. Nur die Medien sollten nichts davon erfahren.

Bitte nicht anbrennen!

Fürs einfache Volk, zunehmend geknechtet von Arbeitslosigkeit und Inflation, muss es Potthucke tun. Ein Freund, seines Zeichens Sauerländer, beschrieb mit dieses Sauerländer Traditionsgericht einmal als „angebrannter Kartoffelbrei“, was nicht besonders verlockend klingt. In der Tat basiert eine Potthucke auf Kartoffelstampf und Mehl, der allerdings mit Eiern, süßer oder saurer Sahne, Zwiebeln und gewürfelter Mettwurst oder Speck verfeinert und mit Salz, Pfeffer sowie Muskatnuss gewürzt wird. 

Diese Zubereitung wird in einer ofenfesten Form etwa 45 Minuten gebacken und sollte tunlichst nicht anbrennen. Eine westfälische Potthucke besteht meist aus rohen und gekochten Kartoffeln, wobei deren Verhältnis vier zu eins betragen sollte.

Nach dem Backen kann man das Gericht in Scheiben schneiden und in der Pfanne noch einmal knusprig anbraten. Dazu kann man Salat oder Schwarzbrot (Pumpernickel) reichen und, wer die süße Komponente schätzt, Rübenkraut, ein fast schwarzer, süßer Brotaufstrich aus Zuckerrüben. Das Wort Potthucke bedeutet so viel wie “in einem Gefäß hocken-, respektive hängenbleiben“. Andernorts spricht man von Topfkuchen oder Dibbekooche, während ein Dibbelabbes, die saarländische Antwort aufs Schweizer Rösti, in der Pfanne zubereitet wird.

Ein Schnitzel mit einem Spiegelei belegen

Ebenfalls ein Pfannengericht ist Westfälischer Pickert, der sich von einer Potthucke noch dadurch unterscheidet, dass der Teig Hefe als Triebmittel enthält. Lippischer Pickert wird mit Rosinen etwas in die süße Richtung gedrängt, während Westfälischer Pickert Scheiben von geräuchertem, fettem Speck enthalten kann. Bei Schlodderkappes (siehe oben) handelt es sich um einen Weißkohleintopf.

Mein Sauerländer Freund schwärmte noch von „Krüstchen“, womit in großen Teilen Nordrhein-Westfalens ein mit einem Spiegelei belegtes paniertes Schnitzel bezeichnet wird, eine Art „Strammer Max“. Das Ganze kommt auf einer Scheibe Toastbrot zu liegen und kann von sautierten Champignons begleitet werden, die hoffentlich nicht aus der Dose stammen. Kulinarisch macht es wenig Sinn, ein Schnitzel mit einem Spiegelei zu belegen, es steigert nur die Nahrhaftigkeit, was Kopfarbeiter wie Friedrich Merz eigentlich nicht nötig haben.

Wobei man sich manchmal fragen muss, ob angesichts seiner politischen und strategischen Fehlentscheidungen schon vor dem erhofften Amtsantritt als deutscher Regierungschef eine zusätzliche Dosis der Nervennahrung Lecithin nicht doch von Nutzen sein könnte. Vielleicht steigen die Merzens zumindest von Spaghetti „Frutti die Mare“ auf Spaghetti „Carbonara“ um.

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Dr. G. Schmitz - Trabajo propio, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Ulrich Viebahn / 17.03.2025

Djournalisten!! Sehr geehrter Herr Etscheit, Ihre Ausführungen zur Potthucke sind nur Gelaber. Warum sparen Sie sich ein Rezept oder einen -Vorschlag? Es gibt ein Rezept, und das ist historisch-volkskundlich verbürgt.

Stefan Riedel / 16.03.2025

Schöner fetter Schweinebraten mit Thüringern Klösen! In welchem Restaurant in D gibt es so etwas noch?

Gerd Maar / 16.03.2025

@Volker K: Was Sie nicht sagen. Aber wie macht man Potthucke aus Rüben? Oder “ Pommes Schranke” ohne Kartoffeln und Tomaten? Wie gut dass Amerika entdeckt wurde!

Volker Kleinophorst / 16.03.2025

@ Maar Getreide, Rüben, mal ein Schwein. Was es so gab. Was denn sonst. Eigentlich nicht schwer rauszufinden.

Talman Rahmenschneider / 16.03.2025

Das sind alles Leckerbissen, die Sie da beschreiben. Wenn man sie zubereiten kann, versteht sich. Eine Freundin, die verloren gegangen ist, konnte mein Lieblingsgericht aus dem Laendle, wo man sich mit dem Waschlappen saubermacht, statt zu duschen. Aber kochen koennen die. Gefuellte Kalbsbrust. Nichts geht drueber. Und Schaeufele. Damit muss man es vielleicht vergleichen, da ist es unterlegen. Wenn die Dame Spaghetti ai frutti di mare angibt, muss man den Verdacht aeussern, dass in dem Haus selten gekocht wird. Wissen Sie, wir haben einstmals die Whg eines Industriellen in Muenchen gekauft. Die Kueche war unbenutzt. Ich werde die Gerichte mal ausprobieren, sie sind billig und dank Merz werden wir ja noch mehr sparen muessen. Sie sind deswegen ja nicht schlecht. Eines der billigsten Gerichte ueberhaupt und absolut delikat sind Arme Ritter, in Schwaben, wo man sich mit dem Waschlappen saeubert, auch Kartaeusserkloesse genannt. Daneben haben wir noch den Rheinischen Sauerbraten, auch ein Gedicht. Deutsche Kueche besser als ihr Ruf. Wenn wir Spaghetti zubereiten, dann eher kreativ. Einfach Schalentiere draufwerfen bezeugt, dass man Geld hat, aber vielleicht keine Kochkunst. Ich habe nie hingekriegt, auch nicht mit allen moeglichen Angehoerigen zusammen, was Gr-ma konnte: Backobst mit Kloessen. Oder mein Vater: Kartoffelpuffer von der Pike. Mit selbstgemachtem Apfelmus von Mutter. Aber ich habe Mutters Mayonnaise fuer diesen Traum von Kartoffelsalat wiedergefunden und zwar bei Bocuse, mit einem Spritzer Zitrone verfeinert. PS: Schalentiere haben an sich nicht verdient, dass man sie mit Mehlstaeben aka Spaghetti verduennt. PS 2: Sie bzw er wollen wohl von poshen Leuten gewaehlt werden, wirken aber einigermassen spiessig wie das meiste aus NRW.

W. Renner / 16.03.2025

„Kopfarbeiter wie Friedrich Merz …“ nun ja, ich fürchte, dass in dem Fall eher der Dickdarm mit den Tutti Frutti, der Held der Arbeit ist.

Gerd Maar / 16.03.2025

Bei einer so kartoffellastigen Küche wie der deutschen stellt sich die Frage, was die Leute eigentlich in vorkolumbianischen Zeiten gegessen haben.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Georg Etscheit / 23.03.2025 / 16:00 / 7

Hamburger Staatsoper als House of Wokeness

Der Intendant Tobias Kratzer steht für ein sinnlich-opulentes Musiktheater – allerdings eher irgendwo zwischen Wagner und Rapper, der kein diesbezügliches Klischee auslassen kann.  Der aus…/ mehr

Georg Etscheit / 09.03.2025 / 12:00 / 35

Cancel Cuisine: Alkoholfreier Wein

Ich habe selbst schon diverse alkoholfreie Weine auf der Zunge respektive am Gaumen gehabt. So etwas wie Trinkspaß brachte jedenfalls keiner, auch nicht ansatzweise.  Im…/ mehr

Georg Etscheit / 02.03.2025 / 12:00 / 12

Cancel Cuisine: Generation Müsli

Die Deutschen haben eine ungebrochene Lust, sich allmorgendlich Frühstücksflocken einzuverleiben. Doch Vorsicht vor blinden Passagieren.  Der Habeck-Zug ist abgefahren mitsamt seinen blinden Passagieren und die…/ mehr

Georg Etscheit / 23.02.2025 / 12:00 / 14

Cancel Cuisine: Vance, die Jugend und der vegane Trend

Der Veganismus-Trend erlebt nicht mehr so viel Aufwind wie noch in den Anfangsjahren – die Fleischproduktion wird wieder erhöht. An einem Tag wie diesem kommt…/ mehr

Georg Etscheit / 16.02.2025 / 12:00 / 14

Cancel Cuisine: Prosecco

Prosecco ist in den USA der meistverkaufte italienische Wein. Er gilt als Inbegriff italienischer Lebensfreude. Spätestens seit Goethes noch beschwerlich per Kutsche absolvierter „Italienischer Reise“…/ mehr

Georg Etscheit / 09.02.2025 / 13:00 / 6

Cancel Cuisine: Verlorene Eier

Pochierte Eier sind im Gegensatz zu Windeiern etwas ganz Feines. Eine der bekanntesten Varianten ist das Eggs Benedikt – eine gute Idee für einen gehaltvollen…/ mehr

Georg Etscheit / 05.02.2025 / 16:00 / 17

Donald Trump jr. jagte gefiederte Kotzbrocken

Nachdem Donald Trump jr. eine Halbgans bei der Jagd erlegt hatte, wurde der Präsidentsohn wiederum von italienischen Tierschützern ins Visier genommen – obwohl diese ihm…/ mehr

Georg Etscheit / 02.02.2025 / 12:00 / 13

Cancel Cuisine: Kaffeehauskultur

Kaffeehäuser sind zugleich öffentliche und private Orte. Zunächst ist jeder willkommen. Doch wenn man einen freien Platz gefunden hat, wird dieser Platz zum privaten Refugium…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com