Die Pizza gilt nach wie vor und ganz offiziell als ein Lebensmittel. Darüber hinaus aber, und das eigentlich vielmehr, ißt sie ein Zustand, und zwar einer, den ich “die sich immer stärker ausgebreitet habende Pizzaisierung über das Gros gesellschaftlicher Felder” nennen möchte. Oder, um es kurz zu machen: Für mich ißt sie vor allem eins, nämlich eine Kultur zurück auf die Bäume. Aber wer se mag und auch gut verträgt…bon appétite.
Gestern abend sendete der BR zwei Tatorte aus den Siebzigern mit Gustl Bayrhammer, was war das damals für ein von “Haltung” und politischer Korrektheit unbeschwertes Leben! Vielleicht sollte man daran denken, falls es tatsächlich mal zu einem “Zeitenwandel” käme (die Hoffnung ist minimal), die gesamten Archive des ÖR zu durchforsten, um alle Machwerke der “neueren Zeit”, die von Belehrung und permanenter Indoktrination strotzen, unwiederbringlich zu löschen, und nur einzelne Ausschnitte zur Warnung späterer Generationen zu erhalten, mit Warntexten versehen, was einmal in Deutschland für eine Entwicklung möglich war. Und zur Pizza und dem Rest: Es ist dem Autor natürlich unbenommen, nur “original italienische” Pizza, am Ursprungsort zu verzehren, aber man sollte es nicht übertreiben mit dem Trend, alles müsse “echt” und “original” sein, um mit Genuß verzehrbar zu sein. Dahinter steht auch wieder nur ein Geschäftsmodell, das auch durch die vielen “Kochshows” im TV noch befeuert wird. Das fängt an bei den Kochgeräten, die von Firma X sein müssen, der Super-Duper Kaffeemaschine mit allen Finessen, und geht über das Steak “vom Metzger/Bauern meines Vertrauens”, bis zum speziellen, aus Italien importierten Speck bis zu den ganz besonderen Semmelbröseln (die natürlich nicht so heißen dürfen). Dann braucht man einen “Barista” als Coach, um einen Kaffee zusammenzubrauen, und eine eigene Sommeliere für das Mineralwasser. Die tolle Kaffeemaschine ist in ein paar Wochen ein Quell wunderbarer Schimmelkulturen und voll ranzigen Kaffeefetts, wenn man nicht regelmäßig aufwendige Reinigungsprozeduren vornimmt (die Geld in die Tasche der Hersteller spülen), egal wie teuer der eingefüllte Kaffee auch war. Aber Hauptsache, man fühlt sich gut dabei. Einen Hefeteig zu machen, ist überhaupt nicht kompliziert, und mein Küchenofen bringt nach Einlegen von ein, zwei gut trockenen Holzscheiten locker über 300°C. Der ganze Lieferdienst-Mist samt Fertigfraß ist natürlich eine Seuche…
Schön, dass die gute alte Tradition der Italienbesuche seit den Zeiten des Duce nichts an Attraktivität eingebüßt hat. Wer fährt nicht gerne geimpft nach bella Italia, um sadistisch berichten zu können, wie schön es in einer Diktatur ist, von der man fast nichts mitkriegt, wenn man nur immer an den richtigen Stellen, die Augen und Ohren verschließt und den OR-Sklavenpass selbstverständlich lässig servil zum Vorzeigen bereit hält. Nichts soll schließlich die Illusion stören und zur Klasse der Etablierten zu gehören hat etwas mächtig Beruhigendes. Der Duce heißt jetzt Draghi von Schwabs Gnaden - und die echte Pizza lässt den Ignoranzbereiten das süße Leben genießen, bis zum nächsten “das konnte ja niemand ahnen!”. Friede den Hütten!
Da wäre mir die Anfahrt etwas lang. Sowas können sich nur Snobs wie Don Alphonso oder der Autor leisten. Zwar habe ich das beste Essen meines bisherigen Lebens in einem kleinen Restaurant in der Altstadt von Pisa gegessen, aber ansonsten lautet meine Devise “De gustibus non est disputandum”.
Leserbrief von mir: Ich bereite meine Pizza gerne nach Art der sizilianischen Cosa Nostra. Deren Teig allein ist schon ein Gedicht. Er gelingt mir immer, nicht gerollt, sondern gepresst. Er musste auch gelingen, weil hinter dem Pizza Bäcker ein Lakai vom Capo stand, mit seiner Garotte. Das ist also mein Teig. Schön belegt, weniger ist mehr, und dann ab in den Weber Grill, auf den 300 Grad vorgeheizten Pizzastein. Gerne auch im Winter. An der Wand hinter dem Grill habe ich ein paar rote Zöpfe hängen. In diesem Sinne, allen Achgut Recken einen schönen Sonntag.
Also für mich ist Pizza Hut das Mass an dem sich andere messen müssen. Geschmackssache halt.
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