Man kann ihnen kaum noch entrinnen: Macarons. Die meisten werden nach dem Instagram-Prinzip konstruiert: Außen hui, innen bestenfalls „lala“. Vor allem sind die Hochglanz-Törtchen hoffnungslos übersüßt.
Ich kann nicht genau sagen, wann der Hype um die Macarons in Deutschland begonnen hat. Zwanzig Jahre mögen es her sein, dass gefüllte Mandelmakronen französischen Ursprungs auch hierzulande populär wurden und immer mehr Konditoreien dem Trend folgten. Heute kann es sich so gut wie keine anspruchsvollere oder sich anspruchsvoll gebende Patisserie und Süßwarenhandlung mehr leisten, keine Macarons im Sortiment zu führen, am besten in ausgefallenen Geschmackrichtungen und schreienden Farben.
Daneben bieten französische Großproduzenten, allen voran Ladurée aus Paris, ihre Macarons in eigenen Geschäften an, unter anderem auch in einem Outlet-Village bei Ingolstadt. Das ist gut fürs Geschäft, weil Macarons als ideales Mitbringsel gelten, aber schlecht für die Exklusivität. Macarons sind längst zu einem trendigen Allerweltssnack geworden, vergleichbar dem japanischen Sushi auf der salzigen Seite.
In Frankreich gibt es Macarons, ein Baisergebäck aus Mandeln, Zucker und Eischnee, etwa seit dem 16. Jahrhundert. Zunächst waren sie ungefüllt, eine Variante, die es auch heute noch in französischen Patisserien zu kaufen gibt, oft im Umfang deutlich größer dimensioniert als die allseits bekannten Doppelmacarons.
Außen hübsch, innen penetrant übersüßt
Auf die Idee, eine mit unterschiedlichsten Aromen parfümierte Crème bzw. Ganache (Trüffelcrème aus Schokoladencouvertüre und Sahne) zwischen zwei kleine, runde Baiserhälften zu packen, soll Anfang der 1930er Jahre des vergangenen Jahrhunderts das Haus Ladurée gekommen sein. Später wurde das Rezept von dem Lenôtre-Schüler Pierre Hermé weiter verfeinert, der ebenfalls in Paris bis heute zu den bekanntesten Anbietern dieses Gebäcks in Frankreich zählt.
In einer solcherweise kanonisierten Form haben Macarons ihren Siegeszug um die Welt angetreten. Heute scheinen sie weit mehr für französische Koch- und Backkunst zu stehen als die auf dem Rückzug befindliche Grande Cuisine.
Auch in Deutschland entrinnt man ihnen kaum noch, ob als Pausensnack in der Oper, als Abschluss eines Feinschmeckermenüs, serviert auf der obligatorischen Schiefertafel, oder als Mitbringsel aus einer x-beliebigen Stadt oder Metropole irgendwo in Europa oder der Welt. Hübsch anzusehen sind sie, doch egal, mit was sie gefüllt sind – ihre vorherrschende Geschmacksrichtung ist süß, so süß, dass feinere Aromen in den Hintergrund treten, seien es die Klassiker Schokolade, Erdbeer, Vanille, Pistazie oder exotischere Varianten wie Mango, Passionsfrucht, Ananas, Salzkaramell, Café… Deswegen ist es eigentlich egal, für welche Variante man sich entscheidet – Macarons schmecken alle ähnlich, außen knusprig, innen weich, dabei aufdringlich zuckrig, wobei man nicht so recht weiß, ob es sich um ein Gebäck oder ein Dessert handelt. Macarons besitzen eine Textur und einen Geschmack, wie ihn vor allem Kinder lieben. Und Erwachsene, die auf Kindergeschmäcker konditioniert sind.
Lieber Tuiles aux amandes
Die meisten Macarons werden nach dem Instagram-Prinzip konstruiert: Außen hui, innen bestenfalls „lala“. Sie sehen toll aus, genauso toll wie die mittlerweile in der gehobenen Patisserie notorischen Hochglanz-Törtchen anstelle einstiger Sahnetortenseligkeit. Auch deren Geschmack lässt fast immer zu wünschen übrig. Sie fallen, wie die pappigen Macarons, vor allem durch ihre penetrante Übersüßung und pompöse Verzierung auf.
Dabei gäbe es ein wunderbares, ebenfalls französischstämmiges Kleingebäck, dass völlig unscheinbar, aber in punkto aromatischer Finesse kaum zu übertreffen ist: Tuiles aux amandes. Bei Mandeltuiles (Tuiles ist der französische Begriff für Dachziegel) handelt es sich um hauchdünn gebackene, über einem Nudelholz oder Holzlöffel in noch heißem Zustand halbrund geformte Kekse aus einem mit Mandel angereicherten Hippenteig – Mehl, Puderzucker, Eiweiß und Butter, etwas Salz, sonst nichts. Sie sollten knusprig sein, jedoch zugleich eine gewisse Zähigkeit aufweisen.
Weil sie leicht zerbrechen, taugen sie nicht zum Repräsentieren – vielleicht findet man sie aus diesem Grund in Deutschland nur selten, im Gegensatz zu den inflationären Macarons. In Frankreich dagegen zählen sie – noch – zum Standardrepertoire vieler Patisserien.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.