Georg Etscheit / 22.12.2024 / 12:00 / Foto: Pixabay / 10 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Lachs

Zuchtlachs lässt sich zu einem Spottpreis im Supermarkt kaufen – zum Leid der Tiere. Besser man setzt auf teureren Wildlachs, der zudem auch weniger fettig ist.

Meine Geburtsheimat liegt am Rhein, dem großen deutschen Strom. Wenn man vom Balkon unseres Rheingauer Hauses nach Süden blickte, lag er vor uns, breit, träge, in den warmen Sommern oft diesig überglänzt, im Winter Nebel verhangen. Dann hörte man von ihm nur das Tuten der Schiffe. In den sechziger und siebziger Jahren konnte man ihn sogar riechen. Denn bevor man das Wort Umweltschutz zu buchstabieren lernte, war der Rhein ein gigantischer Abwasserkanal. Heute kann man in seinem Wasser wieder baden, theoretisch zumindest. Und dank dem Niedergang der entlang des Rheins angesiedelten Chemieindustrie dürfte die Wasserqualität bald noch besser werden. 

Vor seiner Kanalisierung und Industrialisierung war der Rhein eines der wichtigsten Habitate für Lachse, die aus dem Atlantik in ihre Laichgewässer am Oberlauf des Flusses zogen. „Rheinsalm“ war ein fester Begriff der Kulinarik entlang des Stroms und mein Vater schwärmte immer davon, obwohl er ihn nie gegessen hatte. Denn wir zogen erst nach dem Krieg in den Rheingau und der Lachsfang am Rhein war schon 1936 eingestellt worden.

In der Altstadt von St. Goarshausen erinnert seit 2012 die Bronzefigur „Ernst der Salmfischer“ an diesen ausgestorbenen Berufsstand. „Gastronomen und Touristiker im Welterbe Oberes Mittelrheintal ergreifen jetzt die Initiative und nehmen den Salm (sprich Lachs) wieder auf ihre Speisekarte und leisten damit einen zukunftsfähigen Beitrag zur regionalen und traditionellen Küche“, heißt es auf der Webseite „Lorely-Touristik“.

Salm war immer eine „Herrenspeise“

Das ist gewiss eine schöne Idee, würde der Lachs wirklich wieder aus dem Rhein stammen und nicht aus Norwegen oder Chile, wo die billigeren Qualitäten herkommen, jene, die man Touristen am Mittelrhein auftischt, wo viele Hotels immer noch den sehr diskreten Charme der Adenauerzeit verbreiten. Und würde man die Lachsscheiben nicht aus dem Convenience-Plastikbeutel ziehen oder mit Packerlsauce übergießen.

Dass Lachs respektive Salm im Rhein einmal in so großen Mengen gefischt wurde, dass man damit die Dienstboten zwangsweise fütterte und diese sich irgendwann über die einseitige Ernährung beschweren, gehört ins Reich der Legenden wie die Loreley, die antiken Sirenen ähnlich, vom gleichnamigen Felsen herab die armen Schiffer in den Tod riss. Denn Salm war immer eine „Herrenspeise“, wie ein Historiker herausgefunden hat. Nur in wenigen Jahren, etwa 1620/30 und 1670/71, waren die Fänge so groß, dass die Preise sanken. In dieser Zeit soll Mär von den aufmüpfigen Dienstboten entstanden sein.

Wirklich „demokratisiert“ wurde der Lachsgenuss erst ab den siebziger Jahren, als die Menschen gelernt hatten, die Fische an den Küsten etwa von Norwegen, Schottland und Chile in großen Stil zu züchten. Seither darf Lachs auf keinem Frühstücksbuffet selbst eines Discounthotels mehr fehlen. Und den muffigen Geschmack der meist minderwertigen, fettigen Scheiben kann man mit einer aufdringlichen Senf-Dill-Sauce übertünchen.

Eine Delikatesse, die ihren Preis hat

Lange Zeit galt norwegischer Lachs als besonders gut, weil man mit ihm die pittoresken Fjorde assoziierte, in denen sich heute statt Lachse die Kreuzfahrtschiffe tummeln. Jüngst jedoch veröffentlichte Foodwatch einen an die großen Supermarkt- und Discounterketten gerichteten Boykottaufruf: „Wer Lachs aus Norwegen kauft, hat mit ziemlicher Sicherheit ein Produkt im Einkaufskorb, für das Tiere und Umwelt leiden. Millionen Tiere sterben in den Zuchtkäfigen oder sind von Läusen zerfressen“, schreibt die Organisation. Die Lachsindustrie in Norwegen sei ein Desaster - und die deutschen Supermarkketten trügen als einer der Hauptabnehmer von norwegischem Lachs eine Mitverantwortung.

Klingt zumindest wenig appetitlich. Aber solche Zustände sind der Preis dafür, wenn man etwas, das früher einmal eine Delikatesse war, zum Spottpreis kaufen möchte. Dabei gibt es Alternativen jenseits der Tiefkühltruhe. Ohnehin sollte man, wenn man wissen will, wie Lachs wirklich schmeckt, immer frische Filets kaufen. Am besten solche aus Schottland. Dort sind die küstennahen Zuchtfabriken nicht so groß, die Besatzdichten in den Käfigen sind geringer, das Futter oft besser und das Wasser frischer. Und wenn man eine Tranche erwischt, die mit dem französischen „Label rouge“ ausgezeichnet ist, hat man etwas ganz Feines im Einkaufskorb, ein wahres Festtagsessen.

Neben Zuchtlachs wird im gehobenen Fischhandel auch Wildlachs angeboten, der etwa vor der Ostküste Schottlands schonend mit Netzen gefischt wird. Er ist weit weniger fett als sein gezüchtetes Pendant, das Fleisch bissfester, der Geschmack noch intensiver als ohnehin bei Lachs. Eine Delikatesse, die ihren Preis hat. Räucherlachs aus Wildfängen kann schon mal bis zu viermal so viel kosten wie Zuchtlachs.

Man kann ihn grillen, braten, schmoren und pochieren

Lachs zuzubereiten ist keine besondere Kunst, Wolfram Siebeck zufolge ist er ein „relativ robuster Bursche, der einem so schnell nichts übelnimmt“. Und auch Grätenparanoiker werden an diesem Meeresbewohner nicht verzweifeln. Man kann ihn im Ganzen servieren, wobei sich ein sogenannter Babylachs empfiehlt, als Filet oder in Form von Koteletts. Man kann ihn grillen, braten, schmoren und pochieren. Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt die Lachsscheiben in einem mit Weißweinessig gesäuerten Wurzelsud sanft garziehen. Dazu gibt es klassischerweise eine Sauce Hollandaise.

Wem diese Variante zu banal ist, kann es mit einer Sauerampfersauce nach Art der Gebrüder Troisgros versuchen. Dazu muss man einen (gekauften) Fischfonds mit Weißwein, Wermut und gehackten Schalotten zum Kochen bringen und solange reduzieren, bis er eine sirupartige Konsistenz angenommen hat. Nach dem Durchsieben gießt man Sahne hinzu und reduziert erneut, bis eine sämige Sauce entstanden ist. Wenn der Fisch im Sud gar ist, lässt man frische Sauerampferblätter in einem heißen Topf kurz zusammenfallen, ehe man sie an die Sauce gibt.

Dazu passen Salzkartoffeln und ein nicht zu schwerer, weißer Burgunder. Einzige Schwierigkeit jetzt im Winter: Woher den frischen Sauerampfer nehmen? Aber eigentlich schmeckt die Sauce auch ohne das Kraut.   

 

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Pixabay

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Philipp Schlauraff / 22.12.2024

Auch, wenn vom Schlaraffenland zu träumen unterhaltsam sein kann: Es wäre spannend, wenn der Autor seinen Beispielgerichten exemplarische Mengen und deren Kosten (plus kWh Strom oder Gas) für sechs Personen, also eine Familie mit vier Jugendlichen oder ein Ehepaar mit Gästen und Gourmand-Reserve, beifügen würde.

Sabine Schönfelder / 22.12.2024

„ Zuchtlachs lässt sich zu einem Spottpreis im Supermarkt kaufen – zum Leid der Tiere. Besser man setzt auf teureren Wildlachs, der zudem auch weniger fettig ist.“  Ach so ? Können Sie auch bitte dazu schreiben in welchem ? Zum Leid der Tiere ? Ach so. Der Lachs fühlt sich in ihrem Magen bestimmt besser, wenn er vorher ein bißchen länger „ausschwimmen“ konnte, und ist so glücklich, daß er bis zu seinem Tod besser in verdrecktem Naturgewässer als in einer antibiotisch veredelten Lachsfarm Fett ansetzen konnte…. Wer weiß, was Sie wirklich für einen Lachs essen, in dieser profitgesteuerten, verlogenen Welt. Nur eines ist sicher. Er ist teurer, egal w o er herkommt.

finn waidjuk / 22.12.2024

Eher würde ich mein Essen in Mülltonnen suchen als Zuchtlachs zu essen. Egal, wo er herkommt. Zum Glück kriege ich hier fangfrischen Ostsee-Lachs direkt vom Fischer. Den gibt es auch an Weihnachten bei uns. Ganz ohne Sauce, nur mit etwas Salz und Olivenöl bestrichen und dann genau 12 Minuten bei 160 Grad im Backofen.

Emil.Meins / 22.12.2024

” war der Rhein ein gigantischer Abwasserkanal.” schreibt der Autor. Ich erinnere mich, daß wir in den 60er Jahren mal von einem Bekannten einen Rheinfisch geschenkt bekamen (kein Lachs..), und der schmeckte dermaßen nach Mineralöl und Chemie, daß keiner ihn essen wollte. Hat vermutlich dann der Hund bekommen, Aber damals schwammen wir noch im Altrhein und überlebten es. “Wirklich „demokratisiert“ wurde der Lachsgenuss erst ab den siebziger Jahren, als die Menschen gelernt hatten, die Fische an den Küsten etwa von Norwegen, Schottland und Chile in großen Stil zu züchten.” Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, daß daran ALDI (und LIDLetc.) mitwirkten, die dann in den 80er Jahren den Lachs in ihr Portfolio aufnahmen, noch zu moderaten Preisen. Damals kam er wirklich öfter auf den Frühstückstisch, und er war auch noch essbar, denn das Fleisch hatte noch eine feste Konsistenz und ein angenehmes Aroma. Seitdem muß allerdings die Entartung und Überzüchtung der Zuchtlachse im Zuge der Profitmaximierung den Tieren den Rest gegeben haben, weil sie in immer kürzerer Zeit gemästet werden. Heute ist der Supermarktlachs nicht nur teuer geworden, sondern das Fleisch ist weich und matschig und kein Genuß mehr. Nur noch die besseren Chargen der gehobenen Preisklasse sind von akzeptabler Qualität. Übrigens @L. Luhmann: Sie haben recht, daß man Greta das Maul stopfen sollte, aber dann mit Insektenmus. Nur der Pflege unsere Sprache halber. Denn es macht einen Unterschied im Sinn, auch wenn viele denken, das wäre egal.

Gerd Maar / 22.12.2024

Liegt nicht zuletzt a den “Sushi-Restaurants”, die es mittlerweile auf jedem Dorf gibt und hauptsächlich Lachs auftischen. In Japan wurde Lachs traditionell niemals roh gegessen, wegen der Parasiten (Thunfisch übrigens auch nicht) Erst die Werbekampagne der norwegischen Zuchtlachs-Lobby hat das geändert.

Heike Olmes / 22.12.2024

Ich mag am liebsten der Ostseelachs frisch vom Kutter in Travemünde. Im Gegensatz zu dem schottischen Wildlachs ist er weder fischig noch herb. Aber das ist nun mal Geschmacksache.

Jochen Lindt / 22.12.2024

Der Wildlachs stirbt aus durch Hybridisierung mit entkommenen Zuchtlachsen.  Die sind obendrein vollgepumpt mit Medikamenten und Wachstumshormonen, viele sind von Parasiten befallen.  Eine Lösung für das Problem existiert nicht.  Man müsste diese Lachsfarmen verbieten, bzw. auf das Festland verlagern. Macht aber keiner, die Lobby ist mittlerweile zu mächtig.

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