Georg Etscheit / 10.11.2024 / 12:00 / Foto: Pixabay / 24 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Kartoffelpüree

Kartoffelpüree ist nicht so einfach, wie man im ersten Moment glaubt. Schon die Wahl der Kartoffelsorte ist entscheidend: lieber festkochend als mehlig.

Zumindest in der Gourmetküche ist das, was so unkulinarisch als Sättigungsbeilage bezeichnet wird, mehr oder weniger verschwunden. Der Gast könnte ja, horribile dictu, nach dem Genuss eines Acht-Gänge-Menüs ein Kilo Körpergewicht zugelegt haben und den Koch regresspflichtig machen.

Statt Kartoffeln in vielerlei Variationen, Reis oder Pasta gibt’s, wenn überhaupt, das mittlerweile notorische Sauerteigbrot, was mit seinem notabene säuerlichen Aroma jede feinere Geschmacknuance auf dem Teller dominiert. Aber selbst Weißbrot zum Auftunken einer Sauce steht bei den Gesundheitsaposteln, die uns den Genuss vermiesen wollen, auf dem Index. Weizen? Igitt! Dinkel geht gerade noch, doch der ist nicht wirklich weiß und besitzt auch einen durchaus wahrnehmbaren Eigengeschmack.

In bayerischen Wirtshäusern gibt es wenigstens noch Knödel, wenn auch oft von bescheidener, zwischen angetautem Schneeball und Kanonenkugel schwankender Qualität, und in der schwäbischen Küche wird eisern an Spätzle festgehalten, die handgeschabt eine Delikatesse sein können. Ansonsten beherrschen Pommes Frites, meist tiefgefrorenen Ursprungs, unangefochten das Feld. Solo aus der Tüte oder zu einer Currywurst lasse ich mir sie ab und zu mal gefallen, aber aus der Wunderknolle, Kartoffel genannt, lässt sich weitaus delikateres zaubern. Etwa ein Gratin dauphinois, das zu allem passt. Oder ein Kartoffelpüree.

Erste Hürde: die Wahl der Kartoffelsorte

Unverständlicherweise wird Kartoffelbrei oft als Kindernahrung angesehen. Vielleicht, weil man damit so schön herumspielen und die anale Matsch- und Schmierphase ausleben kann. Brei ist kein besonders appetitliches Wort, es erinnert empfindliche Gemüter womöglich an den verhassten Griesbrei, der Kindern zuweilen auf dem Krankenbett serviert wird. In Deutschlands Osten sagt man Mus zum Brei, eine Bezeichnung, die einem in sächsischer Mundart auch nicht gerade das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Auf grün angehauchten Speisekarten liest man immer häufiger das altmodisch daherkommende Wort Kartoffelstampf, was es, zumindest semantisch, auch nicht besser macht.

Sprechen wir also lieber, wie die Franzosen, von einem Püree. Ein Püree ist immer etwas ausgesprochen feines, weil das Ausgangsprodukt mit Hilfe einer speziellen Apparatur, so stark zerkleinert wird, dass die ursprüngliche Textur vollständig verloren geht. Ein „stückiges“ Püree, wie von manchen Naturkostadepten propagiert, ist immer ein grober Kunstfehler. Um bei einem Kartoffelpüree die nötige Feinheit zu erreichen, ist eine Kartoffelpresse unerlässlich. Spitzenköche passieren den Brei dann nochmal durch ein feines Sieb, um auch wirklich jede Art von Körnung zu vermeiden. Das alles wird dann mit heißer Milch und Butter aufgeschlagen und mit Salz und (frisch geriebener) Muskatnuss gewürzt.

Klingt einfach, ist es aber nicht. Erste Hürde: die Wahl der Kartoffelsorte. Während neunzig Prozent aller Kochbücher mehlige Kartoffeln vorschrieben, greifen Meisterköche wie Joël Robuchon (1945 - 2018) zu festkochenden bzw. speckigen Kartoffeln. In Frankreich etwa der Sorte La Ratte, in Deutschland könnte man auch Linda oder Bamberger Hörnchen verwenden. Warum diese Sorten? Sie schmecken einfach besser, intensiver, sind jedoch etwas kapriziös, wenn man sie zu einer pastosen Masse verarbeiten will. Ein Kompromiss wäre etwa die alte zwischen „mehlig“ und „vorwiegend festkochend“ angesiedelte Sorte Bintje, die Michel Olivier in seinem legendären Kochbuch der „Echten französischen Küche“ empfiehlt.

Kartoffelpüree ist keineswegs etwas Triviales

Immer sollten man die Kartoffel in der Schale garen und erst kurz vor dem Pürieren pellen. Nach dem Pressen muss die entstandene Masse sorgfältig abgedampft werden, damit sie so viel Wasser wie möglich verliert, denn Wasser ist Geschmackskiller Nummer eins. In die möglichst trockene Kartoffelmasse werden dann langsam auf kleiner Flamme zuerst die kalten Butterflöckchen eingearbeitet und das Püree dann mit warmer Milch aufgeschlagen. Dabei soll das Püree, so Paul Bocuse, sehr warmgehalten werden, ohne zu kochen. Wenn man statt der Kartoffelpresse zum Passieren ein Sieb verwendet, schreibt Bocuse vor, immer nur mit einem Stampfer „von oben nach unten“ zu drücken. Durch horizontale oder kreisende Bewegungen werde die Masse elastisch und pappig und verlöre ihre Leichtigkeit.

Ein Kartoffelpüree ist also keineswegs etwas Triviales. Vor allem dann nicht, wenn das Mengenverhältnis von Kartoffeln und Butter immer stärker zum Fett tendiert. Das berühmte Kartoffelpüree von Rebuchon zeichnet sich durch ein Verhältnis von mindestens 1:2 aus, wobei man in diesem Fall Klagen schlankheitsbewusster Zeitgenossen nicht leichtfertig in den Wind schlagen sollte. Aber von einer solchen Fettbombe genehmigt man sich auch nicht viel mehr als ein paar Teelöffel. Je mehr Fett, umso schwieriger wird es übrigens, eine homogene Masse herzustellen, ohne die Kartoffelmasse zusammenklumpt wie bei einem Brandteig.

Für den Hausgebrauch reichen, wie bei Bocuse („Die neue Küche“) zu lesen, 100 Gramm Butter auf 500 Gramm Kartoffeln, wobei der Meister sogar mehlige Kartoffeln vorschreibt. Nichts ist in Stein gemeißelt, alles bleibt letztlich der Fantasien des Kochs und dem guten Geschmack überlassen. Nur eines sollte man unbedingt vermeiden - das Püree kalt werden zu lassen. Kaltes oder wieder aufgewärmtes Kartoffelpüree eignet sich nicht einmal als Kinderfutter.

 

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Pixabay

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sybille eden / 10.11.2024

Ich nehme Schmand statt Butter oder Milch. HHHmmmmm ....... lecker !

Sabine Schönfelder / 10.11.2024

Es ist schon ein Fest, Ihre Beiträge zu lesen…doch als Pfälzerin muß ich auf mehlige Kartoffelsorten bestehen. Aus Geschmacks- und Konsistenzgründen,  - denn „festkochende“ führen leicht zu l e i m a r t i g e r Zähigkeit. Die mehlige Kartoffel wiederum entfaltet, im Beisein von Butter, Milch und Salz, das vollumfängliche, das absolut- intensive, das betörend-exzessive KARTOFFELMOMENT. In keiner Zubereitungsvariation entwickelt eine Kartoffel einen derart „identitären“…hahaha….sich selbst verwöhnenden Geschmackshöhepunkt wie bei ihrer Transformation in Püree. …..hmmmm, gehˋ gleich mal in die Küche und setzˋ ein paar Kartoffeln auf….

Horst Kruse / 10.11.2024

Ich gebe nicht ” Butterflöckchen ” in die Kartoffelmasse , sondern bevorzuge ” Bayerisches Olivenöl “; das ist nach Meister Schuhbeck ” braune Butter ” . Damit kommt der Buttergeschmack viel besser zur Geltung .

Olga Thon / 10.11.2024

Wer alte Kartoffelsorten sucht, wird in der Lüneburger Heide fündig. Da gibt es den Bauer, der damals Linda gerettet hat. Er hat sich Kartoffeln verschrieben und hat jedes Jahr viele verschiedene Sorten im Angebot. Ich kaufe da jedes Jahr eine Menge verschiedenen Sorten und habe mich mittlerweile durchprobiert und meine Lieblingssorten gefunden. Unter Anderem bekommt man da die erwähnten Sorten “LaRatte”, “Bamberger Hörnchen”, selbstverständlich die “Linda” und viele andere mehr. Ich weiß nicht, ob man hier Links posten darf - aber wer suchen will, googelt einfach nach “Rettet Linda”.

finn waidjuk / 10.11.2024

Vor vielen Jahren, als das Wünschen noch geholfen hatte und ich im Saarland wohnte, war mal ein Team des Saarländischen Rundfunks auf dem Blieskasteler Bauernmarkt unterwegs. Also dort, wo man damit warb, dass es nur Produkte aus der Region zu kaufen gäbe. Und, Vorhang auf, was glauben sie, woher die dort angebotenen Kartoffeln stammten? Aus Ägypten! Alle! Ausnahmslos! Ob die jetzt fest- oder meligkochend waren, habe ich aber vergessen.

Richard Loewe / 10.11.2024

ich mache es nach der Absorptionsmethode wie Reis: kleingeschnittene Kartoffel in Milch und Butter erhitzen, bis sie weich sind. Kurz vorm Stampfen mache ich noch kleingehackte Zitronenschale rein.

Emil.Meins / 10.11.2024

Jetzt muß ich doch noch was schreiben, obwohl ich nicht wollte…so viele Experten hier. Es gibt grundsätzlich 2 Betrachtungsweisen: küchentechnisch/ lebensmitteltechnologisch, sowie geschmacklich. Dazu gehört, wie Fr. Olmes richtig schreibt, nie mit Pürierstab oder schnellem Mixer ins Pürree, da sonst Kleister. Kartoffeln durchdrücken, mit kleiner Scheibe, dazu Butter und warme Milch , bis die Konsistenz stimmt. Spitzenköche neigen natürlich dazu, komplizierte Prozeduren zu verwenden, um ihre Preise zu rechtfertigen, wer’s glaubt, wird selig. Man kann alles übertreiben. Die Aussage, der Bauer müsse die Sorte wechseln, “damit man Schädlinge, Pilze etc in Schach hält. Ein Bauer kann einfach nicht jahrelang dieselbe Sorte anbauen.” (@Neininger), ist wie begründbar? Glauben Sie, die Schädlinge oder Pilze kümmern sich um Sorten? Kartoffel ist Kartoffel, und der Kartoffelkäfer frisst ohne Ansehen der Sorte, sogar andere Nachtschattengewächse, z.B. Auberginen oder Tomaten. Diese darf man übrigens nicht neben Kartoffeln anbauen, wegen Übertragung von Krankheiten/ Schädlingen. Der Bauer darf nicht länger Kartoffeln auf demselben Feld anbauen, da diese nicht “selbstverträglich” sind, da ist die Sorte völlig wurscht. Er richtet sich dabei aber nach den Anforderungen seiner Abnehmer aus der Lebensmittelindustrie/dem Handel, was diese von ihm wollen. Zudem kommen immer mal wieder Neuzüchtungen auf den Markt, mit optimierten Eigenschaften, z.B. für Pommes frites, dann baut er eben diese an. Der Verbraucher wird eh’ für dumm gehalten, wie bei nur noch “roten” und “grünen” Äpfeln, deshalb sagt man ihm meist nicht mehr die Sorte, nur die Kocheigenschaften. Das scharfe Zeug heißt übrigens Meerrettich, Frau Schneider, und Herr Szabo sollte sich ein Schnitzel bestellen und nicht “einen Wiener Schnitzel”, denn es heißt das Schnitzel, nicht der Schnitzel, aber sei Ihnen verziehen, ich könnte auch nicht richtig auf Ungarisch schreiben, ich gestehe. Ich bin heute wieder böse, ich weiß…

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