Diesmal wird es mit einiger Sicherheit keinen weiteren Papst aus Österreich geben. Das ist auch insofern schade, weil nun wieder keine Chance besteht, die österreichische Mehlspeisenkultur im Vatikan zu verankern.
„Wir waren auch mal Papst“, berichtete der österreichische „Kurier“ nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. im Februar 2013. Vier Päpste „mit österreichischen Wurzeln“ habe das Land hervorgebracht. So viele, fragt sich der Reichsdeutsche? Aus diesem kleinen Land? Nun, Österreich war bekanntermaßen nicht immer so klein wie heute, unter den Habsburgern sogar ziemlich groß. Zum Habsburgerreich gehörten neben den österreichisch-ungarischen Kernlanden auch Böhmen, Mähren, Istrien, Venetien, die Herzegowina und Galizien. Alle Menschen, die dort lebten, waren formell Österreicher. „Wie jeder echte Wiener bin ich bei Brünn geboren“, sagte einmal der Tenor Leo Slezak.
Der bekannteste „Ösi-Papst“ war Pius X., als Giuseppe Sarto, 1835 in der damals österreichischen Provinz Venetien geboren und 1903 zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt. Zu diesem Zeitpunkt war er allerdings kein Österreicher mehr, denn als Sarto 1866 seinen Dienst als junger Kaplan versah, fiel Venetien an das neu gegründete Königreich Italien. Pius X., 1954 heilig gesprochen, war wegen seiner dezidiert anti-modernistischen Ideen, wie man heute sagt, umstritten. Nicht ohne Grund hat sich die nach dem zweiten Vatikanum von Kardinal Lefebvre gegründete traditionalistische Piusbruderschaft nach ihm benannt.
Es war übrigens allerhöchster österreichischer Intervention zuzuschreiben, dass Sarto überhaupt Papst werden konnte: Nach dem Tod des 93-jährigen Leo XIII. galt der damalige Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge auf dem Stuhle Petri. Doch gegen ihn machte Kaiser Franz Joseph I., weil Rampolla außenpolitisch nicht die österreichischen Interessen auf dem Balkan vertrat, ein seit altersher verbrieftes Vetorecht geltend.
Obwohl Papst Pius X. der kaiserlichen Einmischung sein hohes Amt zu verdanken hatte, machte er es sich zur Aufgabe, ähnliche Einflussnahmen für alle Zeiten zu verhindern: Unter Androhung der Exkommunikation verbot er für künftige Papstwahlen jede Einflussnahme staatlicher Stellen. Nicht einmal Markus Söder oder der Großstaatsmann Frank-Walter Steinmeier werden also einen ihnen nicht genehmen Papstkandidaten mehr verhindern können.
Diesmal wird es mit einiger Sicherheit keinen weiteren Papst aus Österreich geben. Das ist auch insofern schade, weil nun wieder keine Chance besteht, die österreichische Mehlspeisenkultur im Vatikan zu verankern. Der einzige amtierende österreichische Kardinal Christoph Schönborn zählt nicht zu den offiziellen Papabile, weil er zu alt und gesundheitlich angeschlagen ist. Schon vor fünf Jahren hatte er bei Papst Franziskus ein Rücktrittsgesuch eingereicht. Mittlerweile hat der emeritierte Wiener Erzbischof das 80. Lebensjahr überschritten und darf selbst nicht mehr an der Wahl teilnehmen. Wählbar ist er jedoch nach geltendem Kirchenrecht weiterhin.
„Wir sind Österreich!“
Als Mehlspeisen bezeichnet man in Österreich alles, was mit Mehl zubereitet wird und süß daherkommt, von Marillenknödel über Apfelstrudel bis zu Kardinalschnitten. Einst waren Mehlspeisen sättigende, fleischlose Speisen aus Mehl oder anderen Getreideerzeugnissen, entstanden aus der Tradition der Fastenspeisen. In Wien wurden sie im Laufe der Zeit zu Süßspeisen weiterentwickelt und landeten als Dessert am Ende einer mittäglichen oder abendlichen Speisefolge – oder auf der Kaffeetafel.
Die Kardinalschnitte zählt zu den leichtesten und luftigsten Verführungen dieser Art. Sie besteht aus abwechselnd auf ein Backblech gespritzten Streifen aus Baiser- und Biskuitmasse, die man ursprünglich mit Marillenkonfitüre bestrich, übereinander klappte und in verzehrfreundliche Portionen schnitt. Der Wiener Hofzuckerbäcker Ludwig Heiner erfand die Süßigkeit anlässlich des Katholikentags 1933 in Wien zu Ehren des Wiener Kardinals Theodor Innitzer. Das Gelb der Biskuitmasse und der Marmelade sowie das Weiß der Eischneemasse soll die Kirchenfarben symbolisieren.
Man kann statt der Marillen- auch Ribiselkonfitüre (rote Johannisbeerkonfitüre) verwenden, was dem Gebäck eine angenehm säuerliche Note verleiht und zudem noch die traditionelle Farbe der Kardinäle ins Spiel bringt. Heute wird die Kardinalschnitte oft noch mit einer Sahnemischung veredelt. Besonders beliebt ist Kaffee-Chantilly. Sie tritt oft ganz an die Stelle der Marmeladenfüllung. Ich persönlich finde die pikante Kaffee-Variante deutlich leckerer als die etwas trockene Originalversion, wie sie noch bei Heiner in Wien angeboten wird.
Kardinalschnitten selbst herzustellen, ist nicht ganz unkompliziert, wie es Hardy Krüger junior in der Sat.1-Backshow „Das große Promibacken“ erleben musste. Am besten, man genießt sie bei einem Urlaub in Österreich oder in Süddeutschland, wo dieses wunderbare Gebäck relativ häufig anzutreffen ist. „Wir sind Österreich!“
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.